Die Armee selber

Geschrieben von franke43 am 15. Oktober 2002 11:59:52:

Als Antwort auf: Moral und Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr - Wozu noch tapfer sein? geschrieben von Hagen am 13. Oktober 2002 14:08:00:

>In diesem 1997 im Resch-Verlag erschienenen Buch analysierte General a.D. Schultze-Rhonhof die zahlreichen Fehlentwicklungen, die Moral und Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr untergraben haben.

Hallo

Gewagte Hypothesen seitens eines Ungedienten:

Eine der ältesten Methoden, um Tapferkeit und Opferbereitschaft
völlig zu ersticken, wird verrückterweise seit Jahrtausenden
von den meisten Armeen der Welt selbst praktiziert:

Es ist die uralte Devise, dass die Disziplin vor der Tapferkeit kommt.

In praktisch allen Armeen seit der Römerzeit ist es wichtiger
gewesen, die Vorgesetzten korrekt und zackig zu grüssen und
bei der Meldung markig anzureden als sich im Kampf auszuzeichnen.
Knopfputz und Stiefelwichse sind wichtiger als das Geschick im
Umgang mit der Waffe. Jeder Verband, und mag er sich im Kampf
noch so sehr ausgezeichnet haben und mit noch so viel Lametta
(Orden etc.) behängt sein, wird als "Sauhaufen" abgekanzelt,
wenn der Parademarsch auf dem Kasernenhof nicht wie am Schnürchen
funktioniert.

Die Römer haben das eingeführt, und ich bezweifle sogar, ob
sie die ersten waren. Im Mittelalter war die Formaldisziplin
mangels stehender Heere etwas weniger ausgeprägt, aber mit
den Kriegen der frühen Neuzeit hat man das Strammstehen,
im Gleichschritt-Marschieren und Hände-an-die-Hosennaht und
Stramme-Haltung-einnehmen wieder eingeführt.

Generationen von Soldaten haben sich darüber geärgert, weil
dieser Krimskrams im Gefecht nutzlos ist, und geärgert ist
dabei noch sehr untertrieben. Und bei Wehrpflichtigen mit
unserem heutigen Bildungsgrad ist sowas eigentlich kaum
mehr zu vermitteln. Trotz Pisastudie ist die heutige
Allgemeinbildung nämlich um Grössenordnungen höher als bei
den Wehrpflichtigen in der wilhelminischen Armee vor 100
Jahren.

Ein Gegenbeispiel ist die hocheffektive israelische Armee.
Deren Soldaten zeigen im Kampf alle Qualitäten, die man
von einem einsatzbereiten Soldaten erwarten kann, nämlich
Mut, Opferbereitschaft und sogar Disziplin. Trotzdem ist
die israelische Armee eine Einrichtung, die von Anfang
an auf die verstaubte Formaldisziplin mit ihrem Kadaver-
gehorsam und dem sinnlosen Griffekloppen verzichtet hat.
Das ist ein Beweis, dass man das heute nicht mehr braucht,
um einer Gefechtssituation gewachsen zu sein.

Also ist ein Teil der Schuld an der gesunkenen Kampf-
moral auch bei einem veralteten Führungsstil ("Tradition")
zu suchen.

Gruss

Franke 43
Ehemaliger Zivi


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