Re: Interessante Studie: Ostdeutsche fühlen sich i. d. Bundesrepublik nicht zu Hause

Geschrieben von aus Dresden Torsten am 16. September 2002 09:47:39:

Als Antwort auf: Interessante Studie: Ostdeutsche fühlen sich i. d. Bundesrepublik nicht zu Hause geschrieben von SoL333 am 16. September 2002 02:11:30:

Liebe Leute,

wen wundert's? Schön, daß wenigstens solche Untersuchungen noch kurzzeitig Leuten Beschäftigung liefern.

Ich fühle mich als Bundesbürger - deshalb muß ich den Staat und die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen noch lange nicht mögen oder sowas wie ein Nationalbewußtsein entwickeln. Solche Begriffe sind ohnehin verpönt. Da ich zwei Jahre in München gearbeitet habe, konnte ich die Andersartigkeit ganz gut erfahren. Aber es gibt ja nicht nur eine Teilung der Bevölkerung (Ossi/Wessi). Arm/reich, Stadt/Land....

Daß wir wirtschaftlich (und damit auch in puncto Lebensstandard) auch vor der Flut gearscht waren, liegt einfach daran, daß der produktive Bereich nicht umstrukturiert, sondern schlicht und ergreifend plattgemacht wurde. Die zweifellosen Aufbauleistungen hatten zum Nebeneffekt, daß Immobilien meist keine regionalen Eigentümer mehr haben (Kennt Ihr den? "Wann ist die Wiedervereinigung vollendet? Wenn der letzte Ostdeutsche aus dem Grundbuch verschwunden ist.").

Die Luft ist jetzt 'raus, die in den vergangenen Jahren vorübergehend florierenden Unternehmen (Bau, Möbel- und Autohandel und Einiges mehr) sind überflüssig geworden und ohne produktiven Bereich (also Leistungen auch für andere Landesteile und Export) kann keine Region überleben. Die paar Vorzeigeunternehmen (in Dresden: Infineon, AMD, VW) sind in einem ehemaligen Industrie-Ballungsgebiet ein Tropfen auf den heißen Stein, vor Allem hinsichtlich der Beschäftigtenzahl - auch wenn sich schulterklopfende Politiker und Probefahrten im Phaeton in den Medien gut machen.

Nachdem dafür gesorgt wurde, daß hier ein wirtschaftlich verarmter Landstrich entstand, hebt jetzt großes Heulen und Zähneklappern an, daß der Osten nicht auf die Beine kommt und zu einem dauerhaften Kostenfaktor wird - was den persönlichen Blick von West nach Ost wie umgekehrt nicht freundlicher macht. Die Flut wird zwar zur Erklärung benutzt (und bis in Ewigkeiten benutzt werden), kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Region schon vorher platt war. Darüber können auch neue Wohnsiedlungen, Schicki-Micki-Straßenausbau, Büro- und Finanztempel nicht hinwegtäuschen.

Der Zug der Annäherung durch "Aufschwung Ost" ist längst abgefahren. Meiner Meinung nach kann und wird die Angleichung nur noch durch einen "Abschwung West" im Rahmen der Weltwirtschaftskrise erreicht werden. Man kann nur hoffen, daß die dabei entstehenden sozialen Spannungen nicht zu den prophezeiten gewaltsamen Unruhen führen. Wir haben den grundlegenden Umsturz aller gewohnten Lebensumstände bereits hinter uns (notwendig war der ja, sonst wären wir ja '89 nicht auf die Straße gegangen - aber doch nicht so!). Mal sehen, wie das die Altbundesbürger verkraften.

Viele Grüße

Torsten


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