Re: Antwort & Eine Alternative zur Annektion der DDR

Geschrieben von Torsten am 16. September 2002 14:21:29:

Als Antwort auf: Antwort & Eine Alternative zur Annektion der DDR geschrieben von SoL333 am 16. September 2002 12:51:51:

Lieber Christoph,

Dein Produktions- und Konsummodell klingt nach recht hohem Verwaltungsaufwand - zumindest, wenn man es in bestehende Strukturen einarbeiten wollte. Und solange das Denken des Einzelnen egoistisch geprägt ist (was aus meiner Sicht für Menschen in politischen Entscheidungspositionen immer gilt), wird jede Organisationsform dazu mißbraucht werden, Umverteilungen der Wertschöpfung im Sinne dieser Nichtsnutze, ihrer Verwandtschaft und Bekanntschaft vorzunehmen.

Das war in der DDR auch nicht anders. Deshalb hat's uns ja gereicht. Bis der fette Helmut mitbekam, daß die gefährliche Situation vorbei ist und anfing, von Wohlstand, Aufschwung, Freiheit und anderen Dingen zu faseln, die sich in den Altbundesländern seit Jahrzehnten zum Wählerstimmenfang bewährt hatten.

Übrigens bestreite ich, daß der Kapitalismus keiner Planwirtschaft unterliegt. Jeder kleine Existenzgründer stellt sich die Frage, wo er in 5 Jahren stehen will und wie das geschehen soll. Aber auch in der Arbeit und Zusammenarbeit weltweiter Großunternehmen gibt es immer konkrete Pläne, wer mit welchen Maßnahmen plattgemacht werden soll, wen man übernehmen möchte und mit wieviel materiellem Aufwand in welchem Zeitrahmen eine noch nicht existente Verbrauchergruppe für ein schwachsinniges Produkt aufgebaut wird, das kein Mensch braucht (Tamagotchi, antibakterielle Müllbeutel).

Die Planung erfolgt allerdings nur im Interesse führender Unternehmensangehöriger, weshalb die Mehrheit (auch der eigenen Beschäftigten) über Mittel und Absichten im Unklaren gelassen wird. Durch gezielte Desinformation in Zusammenarbeit von Politik, Industrie und Medien wird der Bevölkerung vorgegaukelt, es würde eine Politik im Interesse dieser betrieben. Dadurch hat von Kindesbeinen an niemand die Möglichkeit, zu erkennen, wie einfach das gesamte System arbeitet (während ständig von komplizierten Zusammenhängen die Rede ist, die nur von Expertenkommissionen überschaubar sind). Dann stellt sich aber die Frage, warum diese Expertenkommissionen keine Problemlösungen erarbeiten, die auch funktionieren.

Das kapitalistische System ist ebenfalls fertig (da hatten wir im "Sozialismus" nur ein wenig Vorsprung). Ob das durch innere Unruhen aufgrund der immer weiter klaffenden sozialen Schere und zunehmenden Armut, äußere Angriffe von Leuten, denen es reicht, unseren Reichtum zu schaffen oder Naturkatastrophen durch unseren arroganten Umgang mit der Umwelt besiegelt wird, ist ziemlich egal.

Na ja, meckern nützt nicht viel. Ob der große Knall kommt oder nicht: das Zusammenleben in der Zukunft muß und wird sich nach neuen Verhaltensnormen und Wertvorstellungen richten, die der Bibel oder dem Gefangenen-Dilemma zu entnehmen sind. Je mehr Leute das begreifen und anfangen danach zu leben, umso weniger schlimm wird's. Für diese Leute persönlich sowieso nicht - das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Wenn man erst erkannt hat, daß unser Funktionieren in der "Gesellschaft" fast ausschließlich durch Gier nach materiellem Gewinn und Angst vor materiellem Verlust bestimmt wird, kann man nur noch müde über diese Oberflächlichkeit lächeln.

Viele Grüße

Torsten

>Moin Torsten :-) u.a.
>Die Leute im Osten fühlen sich veräppelt und damit liegen sie leider Gottes auch vollkommen richtig. Leider war es keine Wiedervereinigung, die stattgefunden hat, sondern eine Annektion, eine Versklavung zugunsten weniger, Kapitalismus.
>Wir Westbürger selbst sind dabei jedoch nicht die eigentlich Bösen, vielmehr sind wir selbst nur versklavt und auch in der Sklaverei geboren, daher bekamen wir davon nicht soviel mit und sind selbst verärgert, da der Osten immer gern als Grund genommen wurde, noch mehr Geld aus den Taschen der Leute zu ziehen, von dem letztlich nur eine Handvoll Menschen richtig profitiert.
>Wollen wir hoffen, daß beide Seite es begreifen, daß nicht sie die Feinde sind, sondern in Wirklichkeit eins, nämlich das Volk, welches die wahren Schuldigen oben an der Spitze sucht, statt unter sich selbst.
>Eine Alternative statt einer Annektion wäre doch gewesen, wenn man die Vorzüge beider Staaten aufgenommen hätte, statt die der einen Seite völlig zu verwerfen und die eigene als Ersatz dorthin auszubreiten.
>Man hätte z.B. weiterhin für ganz Deutschland eine planwirtschaftliche Produktpalette halten können, die schnörkellos und ohne großartig Gewinn zu wuchern, die allernötigsten Produkte liefert:
>z.B. gäbe es dann eine Sorte Nudeln, jedoch einfach, nur soweit verpackt wie nötig, aber dafür gute Qualität, alle Zutaten vom Biobauern und günstig mit Sonderrabatten für Sozialschwache. Oder es gäbe immer noch eine Art Volksauto wie den Trabant. Keine Extras, nur ein Popelradio drin, simpelste, aber robuste Technik (ich fahre ein MZ-Gespann, das war noch nie kaputt und man kann alles prima selbst reparieren, es ist sogar extra dafür gemacht, daß man es selbst reparieren kann!), geringer Verbrauch, umweltfreundlich. Ein Auto, daß weder schnell, noch besonders stark oder luxeriös ist, sonderen einen für Jahre zuverlässig von A nach B bringt.
>So könnte man viele andere Produkte aufzählen, vielleicht bis hin zum preisgünstigen Volkscomputer, der sozialschwachen Menschen den Zugang zum Internet oder die Möglichkeit damit zu arbeiten eröffnen soll. Auch dieser bewußt schnörkellos, aber funktional tauglich. Fehlt der Absatz, stattet man damit staatliche Internetcafes oder arme Länder aus.
>Diese Schnörkellosigkeit ist absolut wichtig, denn wer mehr will oder sich leisten kann, der kann dann ja auf die kapitalistische Warenwelt zurückgreifen. Das Volksauto wäre dann z.B. enorm ausbaufähig und bietet Einbaumöglichkeiten für allerlei HiFi-Boxengrößen, anderen Sitzen, anderer Motor und und und, ansonsten gibts halt gleich n Porsche oder ein Twingo. Der Computer wäre mit allen Möglichkeiten ausgestattet, sich mit herkömmlichen Bauteilen aufrüsten zu lassen mit Grafik und Sound etc. etc. Ansonsten gäbe es immer noch gleich die von Dell oder Vobis.
>Gehen Fimen Konkurs, so werden sie nicht etwa dichtgemacht und das wars dann..., sondern die meisten, wenn sie kein anderer Konzern haben möchte, gehen dann in Volkshand über und produzieren und konsumieren für bzw. von den planwirtschaftlichen Sektor. Und zwar immer so, daß man +/- 0 rauskommt. Ggf. solange, bis das Unternehmen wieder auf eigenen Füßen stehen möchte und kann oder nicht.
>Wenn ein Produkt hier keinen Absatz findet, dann wird es möglichst günstig an arme Länder verkauft, Überschuß an noch ärmere verschenkt.
>Arbeitslose würden Ihre Arbeit in eben diesem Sektor finden, der dann so ziemlich jegliche Richtung von Produkt oder Service beinhalten wird. SO würden z.B. ehemals arbeitslose Kindergärtnerinnen in volkseigenen Kindertagestätten arbeiten. Im Endeffekt auch für das Geld, das man mit dem Arbeitslosengeld sowieso bezahlt hätte.
>Aber das OHNE zur wirklichen Konkurrenz für die westliche Wirtschaft zu werden. Ganz im Gegenteil, es wäre eine wunderbare Bühne für gesellschaftliche Experimente und würde zahlreiche neue Impulse geben, bei denen die Wirtschaft nachlegen müsste: 3 Liter Auto? Wäre dann für uns kein Thema, denn die Erdölfirmen hätten auf die Planwirtschaft keinen Einfluß und können sie nicht unter Druck setzen. Oder ein Wasserstoffmotor? Hier bitte schön, was die anderen seit Jahrzehnten in den Schubladen haben, würden wir damit anbieten können ohne darauf im wesentlichen Rücksicht nehmen zu müssen, daß es wirklich profitabel ist. Ganz im Gegenteil, man würde damit die Basis legen, daß es für die Gesamtwirtschaft profitabel wird!
>Dieses Prinzip kann man analog auf alle anderen Bereiche übertragen:
>Sie brauchen Solarzellen? Achja, da haben wir ja ne Firma. Die macht die einfachste Grundversion für 20 Euro Herstellungskosten, da die Firma jedoch eine neue Damentoilette braucht, kostet es 2 Monate lang 21 Euro.
>Man könnte Dinge ausprobieren, die kapitalistische Firmen profitmäßig für verlorene Zeit oder für zu riskant halten, d.h. sich weiterentwickeln, ohne den Kern der westlichen Marktwirtschaft zu gefährden. Entpuppt sich das Experiment als Fehlschlag, so würde man das sehen, aber es hat trotzdem den Menschen Arbeit gegeben und eben gezeigt, daß es vielleicht Fehlschlag war, was dann wiederum zu weiterer Entwicklung führt.
>Gleichzeitig würde man den Menschen den Zugang zu allem was sie brauchen geben. Für wenig Geld, aber guter Qualität. Und man würde zum größten Exporteur in die dritte Welt aufsteigen. Und wenn diese es nicht bezahlen können, dann wird eben getauscht: hörmal, wir haben hier 20 Tonnen Nudeln pro Monat übrig und ebenfalls ein Schiff zur Hand, was pendeln kann, Du hast doch einen schönen Strand bei Dir und was hälst Du davon, wenn für die Nudeln das deutsche Hotel, das wir dort bauen werden, z.B. keine Steuern bezahlen muss oder nichts für das Grundstück. Dieses würde dann von Touristen besucht werden, die eine "Volksreise" gebucht haben, die dann mit einem Pasagierschiff eines pleitegegangenen Reederers, mit eben 20t Nudeln an Board, hin und her fahren, gelenkt von einem Kapitän, der arbeitslos wurde hin zu einem Hotel, geführt von guten Hoteliers, die ebenfalls arbeitslos waren, und ausgestattet mit einfachen, aber bequemen Möbeln aus volksdeutscher Produktion, und letzlich von Holzmann gebaut wurde. Im Endeffekt für daß Geld, daß wir mit der Arbeitslosenhilfe 2 Wochen bezahlt hätten.
>Schade, daß man an so etwas nie gedacht hat.
>Liebe Grüße
>Christoph
>P.S.: Falls jemandem die Bezeichnungen "Volks".. sauer aufgestoßen sind, sorry, ich gebrauchte diese Worte vollkommen wertneutral und bin alles andere als ein Hitlersympathisant.
>
>>Liebe Leute,
>>wen wundert's? Schön, daß wenigstens solche Untersuchungen noch kurzzeitig Leuten Beschäftigung liefern.
>>Ich fühle mich als Bundesbürger - deshalb muß ich den Staat und die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen noch lange nicht mögen oder sowas wie ein Nationalbewußtsein entwickeln. Solche Begriffe sind ohnehin verpönt. Da ich zwei Jahre in München gearbeitet habe, konnte ich die Andersartigkeit ganz gut erfahren. Aber es gibt ja nicht nur eine Teilung der Bevölkerung (Ossi/Wessi). Arm/reich, Stadt/Land....
>>Daß wir wirtschaftlich (und damit auch in puncto Lebensstandard) auch vor der Flut gearscht waren, liegt einfach daran, daß der produktive Bereich nicht umstrukturiert, sondern schlicht und ergreifend plattgemacht wurde. Die zweifellosen Aufbauleistungen hatten zum Nebeneffekt, daß Immobilien meist keine regionalen Eigentümer mehr haben (Kennt Ihr den? "Wann ist die Wiedervereinigung vollendet? Wenn der letzte Ostdeutsche aus dem Grundbuch verschwunden ist.").
>>Die Luft ist jetzt 'raus, die in den vergangenen Jahren vorübergehend florierenden Unternehmen (Bau, Möbel- und Autohandel und Einiges mehr) sind überflüssig geworden und ohne produktiven Bereich (also Leistungen auch für andere Landesteile und Export) kann keine Region überleben. Die paar Vorzeigeunternehmen (in Dresden: Infineon, AMD, VW) sind in einem ehemaligen Industrie-Ballungsgebiet ein Tropfen auf den heißen Stein, vor Allem hinsichtlich der Beschäftigtenzahl - auch wenn sich schulterklopfende Politiker und Probefahrten im Phaeton in den Medien gut machen.
>>Nachdem dafür gesorgt wurde, daß hier ein wirtschaftlich verarmter Landstrich entstand, hebt jetzt großes Heulen und Zähneklappern an, daß der Osten nicht auf die Beine kommt und zu einem dauerhaften Kostenfaktor wird - was den persönlichen Blick von West nach Ost wie umgekehrt nicht freundlicher macht. Die Flut wird zwar zur Erklärung benutzt (und bis in Ewigkeiten benutzt werden), kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Region schon vorher platt war. Darüber können auch neue Wohnsiedlungen, Schicki-Micki-Straßenausbau, Büro- und Finanztempel nicht hinwegtäuschen.
>>Der Zug der Annäherung durch "Aufschwung Ost" ist längst abgefahren. Meiner Meinung nach kann und wird die Angleichung nur noch durch einen "Abschwung West" im Rahmen der Weltwirtschaftskrise erreicht werden. Man kann nur hoffen, daß die dabei entstehenden sozialen Spannungen nicht zu den prophezeiten gewaltsamen Unruhen führen. Wir haben den grundlegenden Umsturz aller gewohnten Lebensumstände bereits hinter uns (notwendig war der ja, sonst wären wir ja '89 nicht auf die Straße gegangen - aber doch nicht so!). Mal sehen, wie das die Altbundesbürger verkraften.
>>Viele Grüße
>>Torsten



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