Rein akademische Frage
Geschrieben von Arkomedt am 13. September 2002 01:39:12:
Rein akademische Frage
Vor einigen Tagen fragte mich ein Freund: „Wie bereitest du dich eigentlich darauf vor?“
Ich brauchte nicht nachzufragen, worauf. Wir hatten schon zu oft und zu ausführlich über die Hintergründe diskutiert.
Ich sagte also: „Für materielle Vorbereitungen fehlt mir das Geld, ich werde also damit anfangen, es zu beschaffen. Ganz legal, versteht sich. Zum Vorräte-Anlegen. Ja, und sonst? Ich hamstere soviel von den Medikamenten, die ich dringend brauche, wie nur möglich.“
„Das meinte ich eigentlich nur in zweiter Linie. Meinst Du nicht auch, dass die geistige Vorbereitung wichtiger ist als die materielle? Versteh mich richtig, es ist ja gut und richtig, für sich und seine Familie vorzusorgen. Es ist aber auch wichtig, sich mental auf das bevorstehende Chaos vorzubereiten. In diesem Chaos wird absolut nichts mehr übrigbleiben von der zivilisierten Welt, wie wir sie kennen. Vielleicht werden sich noch die direkten Nachbarn als ‚Nächste’ ansehen, aber damit hat es sich auch schon.“
„Du meinst also, jeder Einzelne von uns muß so schnell wie möglich lernen, ein Schweinehund zu sein?“ Ich lachte trocken. „Das brauchen viele wirklich nicht mehr zu lernen!“
„Lach nicht! Die Sache ist wirklich ernst! Natürlich haben die Schweinehunde, wie du sie nennst, einen ganz gewaltigen Vorteil, den sie genauso natürlich skrupellos ausnutzen werden. Wenn sich bisher in den regional eng begrenzten Kriegen Gruppen aufgrund ihrer Religion oder Volkszugehörigkeit zusammenfinden konnten, um im Schutz dieser Gruppe stark zu sein gegen die feindliche Umgebung, wird im kommenden totalen Chaos davon nichts übrig bleiben! Jeder wird sich selbst der Nächste sein!“ Es war ihm wirklich ernst.
„Wenn ich dir so zuhöre, machst du mir wirklich Angst! Möchtest du noch ein Bier?“ Ich versuchte der Unterhaltung etwas von ihrem Ernst zu nehmen.
„Siehst du, das meine ich. Jetzt, wo wir noch alles im Überfluß haben, ist es nicht schwer, davon abzugeben. Ja, ich nehme noch ein Bier, obwohl du das auch nicht im Überfluß hast.“ Wohltuend, dieses kleine Lächeln, das er sich abrang. „Ich sage dir, sauberes Wasser wird knapp sein, von Bier ganz zu schweigen! Was wirst du also tun, wenn du irgendwo da draußen im Wald sitzt, denn deine Wohnung ist abgebrannt wie die ganze Stadt. Du und deine Frau und deine Tochter, ihr haust in eurem Wohnmobil. Ihr habt gerade genug sauberes Trinkwasser, um den morgigen Tag durchzustehen. Und du weißt, dass es vielen anderen in diesem Wald sehr viel schlimmer geht. Die haben kein Wohnmobil, kein Wasser, sind halbverhungert und zu blöde, sich anders etwas zu beschaffen als durch Raub. So, jetzt bist du dran.“
„Einigermaßen folgerichtig, dein Szenario. Natürlich nicht in den Einzelheiten. Ich stände sicher nicht allein mit meinem Wohnmobil dort im Wald, sondern zusammen mit mindestens drei Freunden mit deren Wohnmobilen. Und auch das nur, wenn es keine atomare Verseuchung gegeben hätte. Wir wären alle gut bewaffnet und hätten Wachen ausgestellt. Wir wären eine Gruppe!“
Er sah mich lange und eindringlich an. „Bist du wirklich so blauäugig? Diese Restzivilisation, die du mit deiner Gruppe herstellen willst, funktioniert doch nur solange, wie ihr ein gemeinsames Ziel habt! Das Überleben! Und von diesem Überleben wird jeder in dieser Gruppe andere Vorstellungen haben! Ich behaupte mal, die Zivilisation, wie wir alle sie bisher kannten, hat die Menschen zu Individualisten gemacht, die sich nicht von heute auf morgen in eine grundsätzlich nötige Unterwerfung in eine Stammeseingliederung...“ er hatte sich verhaspelt, ich wusste aber, worauf er hinauswollte.
„Doch mein Freund, das glaube ich. Die Überlebenden werden sich sehr schnell in Gruppen zusammenfinden. Nenn diese Gruppen von mir aus Stämme. Sie werden erkennen müssen, dass sie sich nur in dieser Gruppe von vielleicht zehn bis zwanzig Leuten behaupten können. Sie werden grausam gegen andere Gruppen oder Einzelindividuen sein, nur um sich selbst zu schützen. Doch, das glaube ich!“Mein Freund sah mich an, irgendwie hoffnungsvoll. „Na siehst du, du hast dich ja doch schon darauf vorbereitet! Ich hoffe nur, dass wir beide in einer Gruppe sein werden...“
© by KDK, 13.09.2002
- Re: Rein akademische Frage ahlfi 13.9.2002 09:31 (0)
- Re: Rein akademische Frage Heraklit 13.9.2002 07:25 (2)
- Re: Rein akademische Frage Zappa 13.9.2002 08:01 (1)
- Re: Always look on the bright side... Weltfremder 13.9.2002 09:59 (0)