Re: Ist das alte Europa nur noch für Hilfstruppen gut ?

Geschrieben von Hubert am 29. August 2002 12:19:03:

Als Antwort auf: Ist das alte Europa nur noch für Hilfstruppen gut ? geschrieben von franke43 am 29. August 2002 10:37:26:

Hallo Frank,

ohne jeden Zweifel bewundere ich Deine Kompetenz in historischen Dingen.

Aber wir schreiben gerade den 29. August 2002, und mich interessieren nun mal die aktuellen politischen Umstände und Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Zukunft mehr, als irgendwelche Befindlichkeiten des fränkischen Hausmeiers Karl Martell vor 1300 Jahren. Da nicht weiß, was hinter den verschlossenen Türen des Weißen Hauses so alles besprochen wird, bin ich auf die Zeitung und meinen analytischen Verstand angewiesen.

Wir kennen die im Hintergrund ablaufenden Spielchen nicht, aber die Informationen, die jetzt nach und nach über die abgelaufene Afghanistan-Nummer durchsickern, beweisen uns, daß die Amerikaner alles andere als Wahnsinnige sind. Sie betreiben im Gegenteil ein geradezu geniales Strategiespiel. Wenn das alles so einfach wäre, wie hier einige meinen, dann wäre ja Weltpolitik kein Problem – ist sie aber nicht. Weltpolitik ist ultra-komplex und –kompliziert.

Wenn ich Dir die Hauptfäden, die ich augenblicklich erkennen kann, mal auf ein paar Kernsätze herunterkondensieren darf, dann ergibt sich für mich folgendes Bild:

Ein neuer Bösewicht ist notwendig, denn ohne Bösewicht kann man keine Politik machen. Man muß ja der Weltöffentlichkeit irgend etwas erklären können. Man ist ja schließlich Christ und hat ein Rechtsbewußtsein. Bin Laden und Arafat sind nicht mehr brauchbar. Folglich muß eine neue Terror-Nase systematisch aufgebaut werden.

Die ganze arabische Region ist extrem instabil und gefährdet die langfristige globalstrategische Ausrichtung der USA massiv. Folglich müssen sie bei den Ölaugen mehr als nur einen Fuß zwischen die Tür kriegen. Die erfolgreich durchgezogene Afghanistan-Nummer dient als Vorbild. Die CIA kann da inzwischen ein- und ausgehen, ohne daß das gleich in der Zeitung steht.

Von der Reihenfolge bietet sich zunächst der Irak an. Erst sehr viel später knöpft man sich die gefährlicheren Kandidaten Iran, Indien und China vor. Aber das sagt man als amerikanischer Präsident besser nicht, sonst haben die USA den Dritten Weltkrieg bereits übermorgen.

So, es geht also darum, im Irak ein USA-höriges Regime zu installieren. Wie macht man das? Zunächst muß Saddams Clique entfernt werden. Und am Schluß aller Operationen müssen im Irak ein paar Wohlgesonnene regieren, die nach der amerikanischen Pfeife tanzen.

Welche Partner bieten sich für diese hochkomplizierte Operation an?

Da gibt es zunächst mal die Exil-Iraker. Das sind keine Bettlakenträger wie die afghanische Nordallianz, die gleich durchdrehen wie eine Horde Hunde, denen man eine Wurst hinwirft, sondern überwiegend Intellektuelle. (Daß die damalige Zusammenarbeit mit der Nordallianz überhaupt halbwegs klappte, lag allein daran, daß der Bruder des Nordallianzführers eine gutgehende Restaurantkette in den USA besitzt und man den Oktober-Coup entsprechend langfristig vorbereiten konnte.) Die neue irakische Regierung ist bereits ausgeguckt, und alle Typen waren bereits im Weißen Haus zwecks Ausrichtung.

Diese Exil-Iraker sind Insider. Sie wissen, daß die Macht, die Saddam Hussein demonstriert, keine echte ist. Ein Diktator hat keine Freunde. Er kann sich bestenfalls auf die kleine Führungsclique stützen, die von seinem Geld lebt. Saddam weiß das, und um an der Macht zu bleiben, muß er also ständig Druck aufbauen und Leute liquidieren. Einen echten Zusammenhalt des Diktators mit seinem Volk gibt es nicht. Hier kann man den Irak gut mit den Palästinensern vergleichen, die ebenfalls über keinen Zusammenhalt verfügen. Denn wenn es den gäbe, hätte Israel ein ernsthaftes Problem.

Exil-Iraker und US-Administration wissen, daß sie die Macht im Irak nur von innen her übernehmen können. Man muß den Irak gewissermaßen psychologisch unterbuddeln. Deshalb auch das augenblickliche Säbelrasseln. Die Iraker haben an jedem Haus eine Satellitenschüssel und verfolgen das Weltfernsehen. Die wissen doch auch, was ihrem Land bevorsteht und möchten nach der Säuberung als Widerstandskämpfer dastehen. Saddam muß doch heute schon jeden Tag im Fernsehen erklären, daß er noch die Macht hat.

Wenn Saddam mit einem Städtekrieg droht, kann ich nur lachen. Die Amerikaner machen auf jeden Fall den Krieg, den sie wollen. Saddam besitzt zwar Massenvernichtungswaffen, aber mit Massenvernichtungswaffen kann man keinen Krieg führen. Dafür braucht man konventionelles Kriegsgerät, und das hat er nicht. Nach meinen Informationen besitzt Saddam noch nicht mal eine Luftwaffe. Und wenn er ein Radargerät einschaltet, bekommt er fünf Minuten später eine amerikanische oder britische Bombe auf den Kopf.
Die einzige Sorge, die die Amerikaner wirklich haben, ist: Sie wissen, daß sie unter keinen Umständen alleine auf dem Kriegsschauplatz erscheinen dürfen. Sie wissen ganz genau, daß sie Saddam Hussein nur im Zusammenspiel mit anderen Bettlakenträgern entfernen dürfen. Und nach dem Regierungswechsel dürfen sie auf keinen Fall im Irak sitzen bleiben, denn das kann man der Öffentlichkeit nicht verkaufen.

Europas Haltung in diesem Spiel ist zunächst mal völlig irrelevant. Amis, Russen und Israelis ziehen ohnehin am selben Strang, und nach der erfolgreich absolvierten Irak-Nummer geht die Zange ohnehin zu. Der erste Irakkrieg war ja bloß ein Zeichen an die Russen, daß man als Amerikaner alles machen kann. Das haben die Russen mittlerweile kapiert.

Wegen der Rolle der Kirche mach Dir mal keine Sorgen. Sie ist selbst Global-Player, in den USA massiv investiert, aber nicht so blöd, sich lauthals auf die Seite der Amis zu schlagen. Denn wenn’s wider Erwarten doch schief läuft, nähme sie erheblichen Schaden. Aber ich denke, daß die entsprechenden Botschaften zwischen Rom und Washington schon lange ausgetauscht worden sind.

Herzlichst,
Hubert



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