Putin entwirft ein Großrussland an der Ostgrenze von EU und NATO

Geschrieben von IT Oma am 14. August 2002 17:38:08:

Putin entwirft ein Großrussland an der Ostgrenze von EU und NATO
Von Friedemann Kohler, dpa
Moskau (dpa) - Russlands Präsident Wladimir Putin hat eine
Kehrtwende vollzogen: Vom lauwarmen Anhänger einer Union mit
Weißrussland mutierte er am Mittwoch zum entschiedenen Befürworter
eines schnellen Zusammenschlusses beider Staaten bis März 2004. «Der
Moment ist da», sagte Putin dem weißrussischen Präsidenten Alexander
Lukaschenko in Moskau. «Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung
will es.» Doch der neue Staat soll keine Union gleichberechtigter
Brudervölker, sondern ein vergrößertes Russland sein.
Putin schlug mit seinem Vorstoß zwei Fliegen mit einer Klappe. Für
das heimische Publikum überholte er Lukaschenko als Motor der
russisch-weißrussischen Integration. Zum anderen richtete er eine
Botschaft an den Westen, bei der kommenden Erweiterung der NATO und
der EU nach Osten Russlands Interessen ernst zu nehmen.
Bislang hatte immer Lukaschenko auf einen Zusammenschluss zwischen
Minsk und Moskau gedrängt, er sah sich womöglich selbst als Herrscher
im Kreml. Putin dagegen befasste sich nur ungern mit den Problemen,
die der Weißrusse in der «letzten Diktatur Europas» (nach dem Fall
des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic) angehäuft hat.
Wenn Putin sein Vereinigungs-Szenario durchsetzt, ist Lukaschenkos
Herrschaft über die elf Millionen Weißrussen zu Ende. «Lukaschenko
hatte nichts dagegen», war das einzige, was Moskauer Agenturen zur
Reaktion des Gastes schrieben. Bei einer Ablehnung hätte er als
Bremser der Integration dagestanden.
Der seit 1994 amtierende Staatschef ist im Westen geächtet. Er
brachte die Opposition zum Verstummen oder trieb sie in die
Emigration. Einige seiner Gegner verschwanden unter rätselhaften
Umständen. Er vertrieb die westlichen Botschafter, weil sie ihm zu
dicht an seiner Residenz wohnten, und drangsalierte die Mission der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die
auf eine Demokratisierung des Landes hinarbeitete.
Putin stellte klar, welcher Maßstab bei dem Zusammenschluss gelten
solle: die Verfassung der Russischen Föderation. Auch die von ihm
vorgeschlagenen Wahltermine fallen mit den in Russland anstehenden
Parlaments- und Präsidentenwahlen zusammen. Im März 2004 will Putin
wieder in den Kreml gewählt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass
Lukaschenko ihm dabei Konkurrenz machen könnte.
Doch Putin dürfte bei seiner Offensive auch nach Brüssel geschaut
haben. «Es geht ihm bestimmt um Kaliningrad», meinte ein Moskauer
Beobachter. Der neue großrussische Staat würde bis an die Ostgrenzen
Polens und der baltischen Republiken vorrücken, die bald der NATO und
der EU angehören werden.
Auch die Entfernung zur russischen Exklave Kaliningrad, dem
früheren Ostpreußen um Königsberg, würde auf etwa 100 Kilometer
schrumpfen. Moskau streitet sich bereits jetzt mit Brüssel darum, wie
der Verkehr zwischen der Exklave an der Ostsee und dem russischen
Mutterland nach dem EU-Beitritt Polens und Litauens aussehen soll.
Die Verhandlungen dürften nicht einfacher werden, wenn Russland um
Weißrussland wächst.
dpa fk xx hi

141725 Aug 02



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