Analyse: Russland, die Türkei, Israel und Georgien
Geschrieben von Swissman am 04. August 2002 00:11:58:
Als Antwort auf: Re: Russland/ Georgien - Skandinavien geschrieben von Heraklit am 03. August 2002 22:24:01:
>ich meine das Georgien doch nicht so unbedeuten ist , wenn ich mich nicht täusche so liegt es auf den weg zur Türkei, was für Russland ja im moment
>wollte es die Türkei überrennen ein Hinderniss wäre.An sich schon, aber ich würde, wenn ich der verantwortliche Befehlshaber wäre, die Türkei nicht, jedenfalls in der ersten Phase, über Georgien angreifen - Diese Stossrichtung hat einige bedeutende Nachteile: Zum einen muss man die gewaltigen Bergketten von Kaukasus und Transkaukasus überwinden. Gebirge begünstigen stets den Verteidiger, während sie den Angreifer im Vormarsch behindern. Zudem kann der Nachschub im wesentlichen nur über die Küstenstrasse und Bahn erfolgen (weiter im Landesinneren könnte man die alte grusinische Heerstrasse in Erwägung ziehen, die aber für schweres Gerät weitgehend unpassierbar ist, und zudem in Tschetschenien beginnt) - wenn eine einzige Brücke getroffen wird, steht der Nachschub still.
Angenommen, man hat diese Probleme überwunden, so stehen die Sturmspitzen im verkehrstechnisch ebenfalls mehr schlecht als recht erschlossenen Zigana-Gebirge. Kommt hinzu, dass die wichtigsten strategischen Ziele, die die Türkei zu bieten hat (Istanbul, Dardanellen, Ankara), sich im Westen des Landes befinden - der Iwan müsste sich also zuerst durch ganz Anatolien förmlich hindurchfressen... Der türkische Soldat geniesst einen ausgezeichneten Ruf - die Kämpfe wären mit Sicherheit auf beiden Seiten verlustreich.
Viel erfolgversprechender und schneller wäre hier ein Flankenmanöver: Als Aufmarschgebiet würde der Raum Südukraine/Krim dienen. Nach einem massiven Luft-/Raketenschlag gegen die Flugplätze würde man die Hauptstadt Ankara sowie die Dardanellen mittels Luftlandetruppen besetzen, bzw. hermetisch abriegeln. Nahezu zeitgleich würde die Schwarzmeerflotte, die man zuvor unter dem Vorwand eines Manövers in die Nähe der Landeköpfe dirigiert hatte, eine amphibische Landung bei Istanbul durchführen und die Durchfahrt ins Marmarameer zu den Dardanellen und weiter ins Mittelmeer öffnen.
Meines Erachtens stellt dies überhaupt erst die Existenzberechtigung der Schwarzmeerflotte in ihrer heutigen Grösse und Form dar: Zur blossen Küstenverteidigung ist sie weit üebrdimensioniert - die Ausrichtung der Flotte ist offensichtlich offensiv. Im gesamten Schwarzmeergebiet (ausserhalb ist ein Einsatz nicht möglich, wenn die Türkei beschliessen sollte, ihr die Durchfahrt durch den Bosporus zu verweigern, was im Kriegsfall selbstverständlich der Fall wäre, und sich sehr leicht bewerkstelligen liesse) gab und gibt es nur einen einzigen Staat, gegen den sich ein Angriff der Schwarmeerflotte richten kann, und dies ist die Türkei - alle anderen Anrainerstaaten stehen bereits unter Moskaus Kontrolle, und wären ohnehin vergleichsweise militärische Leichtgewichte, insbesondere, was deren Flotten betrifft.
Der von mir umrissene Angriff würde natürlich umso schneller zum Ziel führen, wenn grössere Verbände der türkischen Armee vorgängig andernorts gebunden würden: Dies liesse sich z. B. durch ein Wiederaufflammen des Kurdistankrieges erreichen. Optimal wäre jedoch folgendes: Israel und die Türkei sind faktisch verbündet - wenn es zu einem neuen Waffengang in Nahost kommen sollte, könnte es durchaus sein, dass die Türkei Israel durch einen Stoss ins Syrische Hinterland entlasten würde.
Diese Möglichkeit besteht vor allem dann, wenn die Araber sich zur Abwechslung einig sind, und die israelischen Truppen an den Rand der Niederlage bringen. Aufgrund der israelischen Militärdoktrin ist dies schneller möglich, als man allgemein geneigt ist zu glauben: Aufgrund der ungleichen Kräfteverhältnisse sieht diese nämlich vor, dass das gegnerische Offensivpotential innert drei Tagen zerschlagen werden muss - danach wäre eine (konventionelle) Niederlage eine reine Frage der Zeit.
Daher ist vorgesehen, das Gros der Armee sofort einzusetzen, und die Reserven auf ein Minimum zu beschränken. Von den israelischen Truppen wird erwartet, dass sie drei Tage und drei Nächte ohne Schlaf auskommen (in den Manövern wird dies auch geübt), und ihren Gegner in einem Blitzkrieg niederwerfen. Danach werden sie durch die Reserven ersetzt, deren Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, letzte Widerstandsnester auszuheben und Gefangene einzubringen.
In der Vergangenheit hat dieses System sich stets bewährt. - Wenn aber die arabischen Armeen nach drei Tagen immer noch in der Lage sind, offensiv tätig zu werden, hat Israel schlicht und einfach nicht mehr genug (wache) Leute, um etwas dagegen zu tun, weshalb man dann mit Sicherheit taktische Nuklearwaffen einsetzen würde (Scharon würde möglicherweise bereits jetzt die "Samson-Option" einleiten). - Im Yom-Kippur-Krieges soll die Luftwaffe dem Vernehmen nach bereits die Abschusscodes erhalten und die Gefechtsköpfe zeitweise sogar scharf gemacht haben.
Durch das Bündnis mit Ankara ergibt sich zusätzlich die Möglichkeit, Syrien in die Zange zu nehmen (allein schon die theoretische Möglichkeit zwingt Syrien, Truppn an der Nordgrenze zu stationieren, die dann andernorts fehlen). Moskau hätte dadurch natürlich einen guten Vorwand, seinerseits der Türkei in den Rücken zu fallen...
Was die Ekranoplane betrifft, so denke ich nicht, dass man diese in einem allfälligen Konflikt mit Georgien in nennenswertem Masse einsetzen wird, da man sich sonst selbst des Überraschungsmomentes berauben würde. Auch topographische Gründe sprechen dagegen (Gebirge). Wenn überhaupt würde man eine Hand voll Ekranoplane einsetzen, um in Batumi oder im flachen Küstengebiet nördlich davon Truppen abzusetzen, um die Hafenstadt einzunehmen. Den Brückenkopf würde man dann voraussichtlich auf dem Seeweg verstärken und die Georgier von hinten aufrollen.
- Re: Analyse: Russland, die Türkei, Israel und Georgien Chris 04.8.2002 15:32 (0)