Re: Wißt ihr eigentlich, woran das liegt?
Geschrieben von NLMDA am 29. März 2002 15:10:11:
Als Antwort auf: Re: Wißt ihr eigentlich, woran das liegt? geschrieben von Bonnie am 29. März 2002 13:39:44:
Nehmen wir z.B. Ausbeutung in der dritten Welt. Ich glaube, es war Nike: Die
Arbeiterinnen in Asien, die die Turnschuhe zu Minimallöhnen unter Sklavenbedingungen zusammenschustern, kassieren zusammen soviel Geld
wie deren Werbefigur... Das war so eine Sache, die bekannt geworden war, einen Boykott der Konsumenten und viel Entrüstung der
Öffentlichkeit nach sich zog und so versprach Nike, alles zu ändern.
Das war jetzt mal ein Positivbeispiel, wie es laufen müßte. Der meiste Dreck hat keine Öffentlichkeit, da auch die Medien von den Konzernen
kontrolliert werden.Hallo Bonnie!
Habe hierzu ein Beispiel gefunden:
Bei der Kampagne gegen Nike geht es nur wenig um Ausbeutung. Wäre das
der Fall, wären beispielsweise Konzerne, die Bergwerke in der Dritten Welt
betreiben, die beliebteren Ziele. Aber Zinn ist keine Marke, wir tragen kein
Zinn (obwohl wir es oft brauchen und nutzen - häufiger als Nike-Schuhe).
Dass sich die Kampagnen vor allem gegen solche Unternehmen richten, die
Lifestyle produzieren, zeigt, dass in den reichen Ländern des Westens zwar
einerseits Lifestyle und Individualität sehr wichtig sind, dies andererseits
aber auch mit einem notorisch schlechten Gewissen einhergeht - einem
schlechten Gewissen, muss man ergänzen, bei einer kleinen, aber umso
einflussreicheren Gruppe gebildeter und wohlhabender Konsumenten, die
Ethik zum Hauptelement ihres Lifestyles gemacht haben.Es wird meist nur die Produktion von Lifestyle- und Konsumgütern angeprangert, aber niemals die "täglichen Dinge des Lebens", die sehr wohl ebenfalls in der Dritten Welt produziert werden. Kaffee, Tee, Südfrüchte, Baumwolle sind nur einige Beispiele aus dem täglichen Leben. Wer denkt denn darüber nach, wenn er sich diese Güter täglich zuführt?
Ender der 80er kamen ein paar Machenschaften eines westlichen Chemiekonzerns in Indien auf. Das Thema war damals nicht so in den Medien, hätte es das Internet in seiner heutigen Form gegeben, wäre es vielleicht auch mehr verbreitet gewesen. Das kleine Werk wurde 1993 geschlossen, ein paar hundert indische Familienväter standen auf der Strasse und hatten kein Einkommen mehr. Sie verkauften daraufhin ihre Töchter an Bordells in die (ver-)westlich(t)en Städte Indiens, nur um die Jahrespacht begleichen zu können, die Zahl der Witwenverbrennungen nahm zu (die wurden vom westlichen Konzern beschäftigt und fielen der Allgemeinheit nicht zur Last) und viele dieser Inder arbeiten jetzt wieder in Lehmgruben der Ziegelherstellung, für ein Zehntel des vorherigen Monatslohns. Die Kriminalität stieg, die Kinder gingen nicht mehr zu Schule, sie müssen ja jetzt auch im Lehmabbau schuften.
Eine Dokumentarfilmerin machte eine gute Geschichte daraus, wurde aber mit einer einstweiligen Verfügung daran gehindert, ihren Film ausstrahlen oder anderweitig verbreiten zu lassen. Die einstweilige Verfügung kam aber nicht von diesem Chemiekonzern, der eine Chance sah, auch zu zeigen, was er für diese kleine Region während der Produktionszeit getan hat. Besonders brisantes Filmmaterial wurde ihr bereits von der indischen Regierung abgenommen. Da waren indische Familienväter zu sehen, die jetzt wieder dem Druck des (nach wie vor bestehenden) Kastensystem ausgesetzt sind und sich wünschten, dass das westliche Unternehmen wieder seine Produktion aufnimmt, damit die Kinder wieder zur Schule gehen und lesen und schreiben lernen können, damit diese wenigstens ein bißchen Hoffnung auf ein besseres Leben erhalten um sich von dieser (hoffnungslosen) Lebenssituation zu befreien.Wir haben unser "schlechtes Gewissen" beruhigt, aber die Folgen, die auch durch "ethisches Handeln" entstehen können, sehen wir nicht. Wir sehen auch meistens nicht, wie Kinderarbeit in der Dritten Welt durch die eigenen Regierungen gefördert werden (Rüstung, Kaffee, Baumwolle, etc.). Die weisen lieber mit dem Finger auf den "bösen Westen", der sie ja "nur ausbeuten will", aber kassieren dafür Schmiergelder, für die man wirklich einen großen Teil des Elends beseitigen könnte.
Mal was zum Öko-Anteil: Der Anteil in den Supermärkten ist wahrlich sehr gering, das liegt an der Preisdiktatur, die von den Lebensmittelkonzernen vorgenommen wird. Jedoch steht es jedem Verbraucher frei, sich absolut ökoligsch-biologisch zu ernähren, ohne dafür mehr Geld aufzuwenden, als er es jetzt schon für 08/15-Lebensmittel ausgibt. Zum Teil ist es sogar um einiges billiger, wenn man sich etwas Zeit nimmt und bewusst einkaufen geht. Viele Bio-Bauern verschenken kurz vor Marktende ihre Lebensmittel, da sie sie am nächsten Tag nicht mehr verkaufen können. Im Supermarkt schrumpft dagegen der Salatkopf von Montag bis Freitag um 75% und kostet trotzdem 2 Euro. Das Gleiche gilt für die Fleischproduktion.
Die Politiker und die Bürokraten machen auch viel Mist, aber sie wurden und werden halbwegs kontrolliert.
Jau! Das sieht man gerade hier in der BRD zur Zeit ganz toll. Das gibts jetzt so Berufsbezeichnungen wie "Korruptionsexperte".Denk an den Bund der Steuerzahler...
Die viel mehr Öffentlichkeitsarbeit machen sollten, damit mal mehr Menschen von dem Dasein der Institution etwas erfahren.denk an die freie Presse, die es ja imer noch vereinzelt gibt..
Die man wie die Stecknadel im Heuhaufen suchen muss. Es reicht aber nicht, nur die freie Presse zu lesen. Erst durch den Konsum der "unterwanderten" Medien kann man sich ein ganzes Bild über die wahren Zustände machen.Und nochmal was zu Buchautoren: Es ist interessant zu beobachten, wie sie ihre Ergüsse auf den Markt schmeissen, der hauptsächlich von den "kleinen Leuten" gekauft wird, weil sie sich darin irgendwie in der Opferrolle wiederfinden. Aber werden sie durch das Buch von der Opferrolle befreit? Nie und nimmer. Es reicht nicht zu wissen, woran die Welt krankt, man muss den Menschen Alternativen bieten, die sie auch realistisch umsetzen können. Da habe ich bisher nur wenige Buchautoren gefunden, die mir das ermöglichen.
Viel Geschreibsel, keine Taten. Stattdessen Eigenbereicherung ohne Ende - und ebenfalls daran krankt die Welt.Frohe Ostern
NLMDA
- Re: Wißt ihr eigentlich, woran das liegt? Bonnie 29.3.2002 17:21 (1)
- Re: Wißt ihr eigentlich, woran das liegt? NLMDA 30.3.2002 16:33 (0)