Von der edlen Musik ...

Geschrieben von franke43 am 19. August 2005 11:47:47:

Als Antwort auf: Re: Missverständnisse geschrieben von Backbencher am 19. August 2005 10:35:37:

Hallo

>Danke, Franke, für Deine ausführliche Antwort. Schön, wie Du Mozart siehst. Da >kann ich völlig mitgehen.

Wenn wir ein Musikforum zur Verfügung hätten, könnten
wir den Dialog vertiefen, ohne von Johannes irgendwann
eins wegen Themenverfehlung auf den deckel zu bekommen.

>Ich antwortete in erster Linie, um auch klarzumachen, daß man allein mit Hilfe >der Jahresfeiern anläßlich von Todes- oder Geburtstagen genügend Gründe finden >würde die 'erwarteten' Geschehnisse noch um viele Jahre hundert Jahre >hinauszuzögern! Und daß man gar nicht so weit zurück gehen muß und Mozart >bemühen muß.

Klar. Mein Beitrag ist ein Appell an die höheren Mächte:

Bitte, lieber Gott, lass uns DAS noch in Frieden erleben ...

>Mozart ist einer von vielen genialen Musikern.

Richtig. Er wurde aber schon von seinen musikalischen
Zeitgenossen als einsam herausragend empfunden. Nicht
nur wegen der Frühreife (Wunderkind), sondern auch wegen
der Leichtigkeit, mit denen er seine irgendwie schwere-
losen Werke dahinschreiben konnte, und wie ihm die
Einfälle einfach nicht ausgingen, und wie ein Werk
schon nach der ersten (und einzigen) Niederschrift
formvollendet und perfekt ausbalanciert war.

Auch der 24 Jahre ältere "Altmeister" Haydn musste
zugeben, dass er in Mozart seinen Meister gefunden
hatte. Und erst recht der junge und aufstrebende
Beethoven, der Mozart dann als fast zwangsläufig
als Vorbild nahm.

>Andere sind nach 'meiner' >Beurteilung weitaus genialer, da sie 'meine' >Gefühls- und Gedankenwelt in einem zigfach stärkeren Maß inspirieren (= den >Geist einführen).

Genialität lässt sich nicht quantifizieren. Sie
besteht darin, fast aus dem Nichts NEUES schaffen
zu können. Es gab zu Mozarts Zeit Hunderte (!!)
von mittelmässigen Komponisten, die ebenso mittel-
mässige (also nicht gerade schlechte) Werke zu
Papier brachten. Der oft erwähnte Salieri war einer
davon. Diese Leute waren nicht etwa schlecht, sie
waren nur keine "Vorreiter", keine Stilbildner.

Auch im Jazz sind die meisten tüchtige Musiker,
aber nur wenige sind Stilbildner. Ein paar davon
hast Du erwähnt.

>Und das ist es, worauf es bei Musik ankommt.

Richard wagner hat es auf den Punkt gebracht, was
in der Musik den Unterschied zwischen Talent und
Genialität ausmacht:

"Kinder, schafft Neues"

Wer dieser Aufforderung nachkommen kann, und das
fast ohne sich anstrengen zu müssen, der verdient
in die illustre Reihe der "Genies" eingereiht zu
werden, und das trifft auch für etliche Jazzer zu.

>Ich möchte inspiriert werden, meine Leute, mein Volk, die Völker sollen >inspiriert werden. Heute tun das in weitaus stärkerem Maße - und >notwenigerweise - andere.

Das ist klar. Aber es gibt keine einfache Gleichung:

ALT = schlecht, NEU = gut

Ebensowenig wie umgekehrt.

Ich höre, wenn ich Mozart höre, einen Komponisten,
der die ganze Bandbreite abdeckt, wenn auch mit den
Stilmitteln der damaligen Zeit. Und glaube mir:

Bei Mozart ist von angepasst und kreuzbrav bis
rebellisch und rotzfrech alles drin. Nur dass Mozart
anders als später Beethoven sich mit seiner "Rebellion"
nicht an die französische Revolution anhängen konnte.

Ich könnte Beispiele liefern.

>Jetzt z.B. Leute, deren Berufsbezeichnung aus zwei Buchstaben besteht, und die >zwei banale Plattenspieler zum multifunktionalen Musikinstrument machen. Und >da kommt manchmal wahrhaft Geniales heraus,

Du meinst also, dass ein DJ die Scheiben nicht nur
abspielt, sondern einen kreativen Eigenbeitrag
leistet ? Welchen ?

Was mich an den meisten modernen Musikrichtungen stört,
das ist die Dynamik. Es gibt bestenfalls zwei Lautstärken:
ff (so laut wie möglich) und fff (noch lauter).

>obwohl sie meiner Meinung nach - leider - nur ein Bruchteil der musikalischen >Bandbreite bedienen. Ich wünschte mir mal einen Techno-Blues zu hören, der >mich Weinen läßt.

Vielleicht kommt noch irgendjemand drauf.

>Trotz allem sind wir, so glaube ich, an einer Art Endpunkt in der Kunst und >Kultur angelangt, in der eine zielgerichtete Beliebigkeit und eine geschäftige >Langeweile vorherrscht.

Klar, gegen 1750 - also kurz vor Mozart - hatte sich in der
Musik auch die Auffassung breit gemacht, dass irgendwie
Ende der Fahnenstange wäre und nix grundsätzlich Neues
mehr möglich. Und es stimmt:

Die spezielle Stilrichtung, die wir heute die Barockmusik
nennen, war tatsächlich "am Ende". Sie hatte sich bis
zum Totlaufen selbst kopiert und reproduziert.

>Ich sehe in den erwarteten Umwälzungen ein riesiges Potential! Hoffentlich >sind sie der Ausgangspunkt eines wirklichen Evolutionsschritts für uns >Menschen, was eine neue Dimension in Kunst und Musik zwangsweise nach sich >zöge.

Ich würde trotz meines etwas reifen Alters gern noch am
Schöpfungsprozess teilnehmen. Wahrscheinlich werden aber
die Verhältnisse eine Rückkehr zu einfacheren Klangmitteln
(akustische Instrumente, kein elektronischer Kram mehr)
erzwingen.

Vergiss nicht:

Die Musiker früherer Zeiten waren nicht "rückständig",
sie hatten nur nicht unsere heutigen Klangmittel. So
hat Mozart z.B. die Einführung des Dehnungspedals am
Klavier nie erlebt, Haydn schon. Für Beethoven war
diese technische Neuerung bald selbstverständlich,
und die Klavierwerke der Romantiker wären ohne dieses
Mittel der Klangverstärkung und Klangverzerrung gar
nicht spielbar.

>Viele Grüsse
>Hinterbänkler

Gruss

Franke


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