Re: EU-Haftbefehlsgesetz gekippt
Geschrieben von Johannes am 20. Juli 2005 00:21:49:
Als Antwort auf: Um was es geht. geschrieben von Guerrero am 19. Juli 2005 20:36:33:
> Dies ist das Thema:
> Der Eindruck des Herrn Another.
>
> die 68er-Regierung plane den totalitären Gesinnungsstaat, in dem Verstöße
> gegen die "political correctness" mit Deportation bestraft werden!
Hallo Guerrero,
da ich another durch seine Beiträge und eMails recht gut kenne, kann ich beide Ansichten stehenlassen. Du hast recht, es ist nicht speziell auf Rot-Grün bezogen, denn die Union hatte dem grundgesetzwidrigen Gesetz ebenfalls zugestimmt. Aber another hat sich nicht nur sehr mit den Büchern von Leo DeGard beschäftigt (Wer plant den dritten Weltkrieg?, Armageddon), sondern auch bereits das neue Buch "Rot-Grüne Lebenslügen" gelesen (er hatte es gerade verlinkt). Wenn sein Schluß also auf den speziellen Punkt nicht stimmig erscheint, so kann ich another vom Kontext her schon verstehen.
Aber lieber nochmal kurz zum Gesetz an sich:
> 2. Ich habe mich schon ein wenig schlau gemacht zu der Karlsruher
> Entscheidung. Steht ja einiges in den Zeitungen.
> Auch sachliche Berichte mit Fakten.
> Der laut Rahmenbeschluss (EU) vorgesehene Modus,
> der für eine Liste von 32 Deliktsgruppen
> eine vereinfachte Überstellung ermöglicht (Auslieferung), ist von den
> Karlsruher Richtern nicht angetastet worden.Das Gesetz ermöglichte nicht nur eine "vereinfachte" Überstellung, sondern eine zwangsweise Auslieferung, und das erstmalig auch von Deutschen.
Geprüft wurde meines Wissens nach nicht das Gesetz an sich, sondern geprüft wurde es darauf, ob die Punkte, die die Auslieferung eines konkreten Verdächtigen ermöglichen sollten, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der hatte nämlich das Verfassungsgericht angerufen - seine einzige Chance, denn das Gesetz sah keinerlei reguläre Einspruchsmöglichkeit vor.
Während Auslieferungen fremder Staatsangehöriger zumindest teilweise unter dem Vorbehalt der Zustimmung eines Ministers standen, sollte dies im Rahmen des EU-Haftbefehls völlig wegfallen. Stattdessen zwangsweise Auslieferung, ohne inhaltliche Prüfungsmöglichkeit eines deutschen Gerichts.
Das BVG stellte nun unter anderem fest, daß eine Auslieferung im Gegensatz zum Gesetzestext nur dann vertretbar sei, wenn die Straftaten überwiegend im antragstellenden Ausland begangen wurden. Dies war vorher also NICHT enthalten und führte zu der Kritik am Gesetz: Denn laut Gesetz hätte ein Deutscher auch dann ausgeliefert werden müssen, wenn seine Tat in Deutschland begangen wäre und hier nicht bzw. nicht nennenswert strafbar wäre (siehe mein theoretisches Beispiel, wenn ein Deutscher in Deutschland am Stammtisch über Vertreibung und Benesch-Dekrete schimpft - in der Tschechei mag dies unter Umständen unter einen der Paragraphen fallen und mit einem Jahr Strafe bedroht sein).
> Auch wenn Akteure des internationalen Terrorismus grenzüberschreitend
> agieren, dann schützt sie ein deutscher Pass nicht vor Auslieferung.Sind wir denn nicht mehr in der Lage, Terroristen selbst zu verurteilen? Oder, mal ganz anders gefragt: Ist die USA zu kritisieren, weil sie eigene Landsleute auch bei Kriegsverbrechen nie und nimmer ausliefert? Genau das, was für die USA selbstverständlich ist, wünschen sich viele Kritiker des Gesetzes ja auch für Deutschland.
> Betroffene müssen sich vor Gericht gegen ihre Überstellung (Auslieferung)
> wehren dürfen.Es gibt ja zwei wesentliche Punkte des bisherigen Gesetzes:
Auslieferung ohne jeden Rechtsschutz, nur mit formaler (nicht inhaltlicher) Prüfungsmöglichkeit des Richters.
Erstmalig Auslieferung von Deutschen ans Ausland Wenn ich es richtig mitbekommen habe, war die Grundfrage, ob Deutsche ausgeliefert werden dürfen, nicht Gegenstand der Entscheidung. Denn dies wurde ja schon ein paar Monate vorher geändert, so daß dieses Gesetz jetzt auf Ausländer und auf Deutsche anwendbar war. Was (bzw. ob) das BVG etwas zur bisher unmöglichen Auslieferung von Deutschen gesagt hat, das habe ich noch nicht herausgefunden.
> Auch wenn Akteure des internationalen Terrorismus grenzüberschreitend
> agieren, dann schützt sie ein deutscher Pass nicht vor Auslieferung.Warum geht die Diskussion eigentlich immer um internationalen Terrorismus? Hast Du Dir mal die Liste der Straftaten angesehen und die Gefahren, die daraus erwachsen könnten? Da steht z.B. der Punkt mit drin "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit".
Erinnerst Du Dich daran, daß ich Dir mal schrieb, daß ich Post von Jugendschutz.net bekam? Die störten sich daran, daß ein Poster hier schrieb, jeder Mensch bzw. jedes Volk hätte aus esoterischer Sicht seine Heimat, in die er bewußt hineingeboren wurde und wo er auch seine Aufgabe habe, sie also möglichst nicht verlassen solle. Eine Ansicht, der man zwar nicht zustimmen muß, die aber für mich diskussionsfähig wäre. Okay, Jungendschutz.net sah dies anders, ich habe es rausgenommen, fertig. Wie hättes dies aber evtl. ein anderes Land gesehen?
Du kennst sicherlich auch den Fall des schwedischen Pfingstpastors, der vor Gericht stand, weil er sagte, daß laut Bibel Homosexualität Sünde sei. Wie sieht dies in anderen Ländern aus? Steht dort auf diese Diskriminierung Homosexueller vielleicht eine Strafandrohung von einem Jahr? Für mich ist die Aussage des Pastors keine Diskirimierung oder Rassismus, sondern eine Feststellung. Aber mich fragt man ja nicht, Dich auch nicht, und bisher sollten auch die deutschen Gerichte nicht vor einer Auslieferung gefragt werden: Wer unter der Anklage Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stand, der sollte, sofern ihm nach ausländischen Gesetzen eine Mindeststrafe von einem Jahr drohte, auch als Deutscher zwingend ausgeliefert werden, ohne Einspruchsmöglichkeit in Deutschland.
Schau Dir doch vielleicht diesen Beitrag nochmal an
http://f23.parsimony.net/forum53379/messages/150322.htm,
den ich an Mulder geschrieben habe, besonders ab dem Link zur Netzeitung. Da habe ich einige Mißbrauchsmöglichkeiten angedeutet, die durchaus hätten kommen können, wenn sich jemand zu sehr exponiert. Wenn sich schon die EU-Staaten außer Stande sehen, ihre Gesetze zu vereinheitlichen, dann findet ein fähiger Rechtsexperte bestimmt eine Möglichkeit, für fast jede Tat ein Verfahren in einem Drittland einzuleiten. Früher hätte es gereicht, einfach in Deutschland zu bleiben und sich nach deutschen Gesetzen zu richten. Nach dem Gesetz wäre es anders gewesen. Und eben nicht nur im Fall von internationalem Terrorismus, sondern auch bei viel banaleren Punkten.
Viele Grüße
Johannes
- Re: Deutsches Haftbefehlsgesetz gekippt. Guerrero 20.7.2005 20:02 (12)
- Wer mischt sich da in fremde Händel? Epidophekles 21.7.2005 01:45 (11)
- Ich nicht. Guerrero 21.7.2005 20:47 (10)
- Die Schweiz, ein starkes Land, wenn sie sich treu verhält Epidophekles 25.7.2005 20:52 (9)
- Re: Die Schweiz, ein starkes Land, wenn sie sich treu verhält Hubert 25.7.2005 21:44 (8)
- Re: Die Schweiz, ein starkes Land, wenn sie sich treu verhält Epidophekles 25.7.2005 22:08 (7)
- Re: DeGard? Johannes 25.7.2005 23:28 (6)
- Des Griffin Epidophekles 26.7.2005 00:09 (5)
- Re: Des Griffin Epidophekles 26.7.2005 02:10 (4)
- Gibt es einäugige Schweizer. Guerrero 26.7.2005 19:59 (2)
- Wehe den Lästerern Epidophekles 27.7.2005 17:02 (1)
- Verstand? Viva alemania! Guerrero 28.7.2005 09:17 (0)
- Re: Des Griffin Hans 26.7.2005 14:46 (0)