Mythen über die Volk und frei gewählte Politiker

Geschrieben von Marc Malbec am 13. Mai 2004 11:38:33:

Als Antwort auf: Re: F. Forsyth: "Politiker die gegen ihr Volk regieren, hassen Plebiszite" geschrieben von Marc Malbec am 13. Mai 2004 10:58:35:

Hallo,

muß weg, deshalb in aller Kürze: Bitte lest die beiden Texte über die Wahlen von 1933 und das mit einer 82,5-Prozent-Mehrheit gebilligte Ermächtigungsgesetz.


Als am 5. März 1933 ein neuer Reichstag gewählt wurde, konnte insbesondere für die Kommunisten von "freien Wahlen" keine Rede mehr sein. Ihre führenden Politiker waren schon kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar in "Schutzhaft" genommen oder in die Illegalität getrieben worden. Auch zahlreiche Sozialdemokraten hatten sich in den Untergrund gerettet, der Parteivorstand emigrierte nach Prag.

Aus den letzten freien Reichstagswahlen vom 6. November 1932 war die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) mit 20,4 Prozent aller Stimmen als zweitstärkste Kraft hervorgegangen, die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hatte es als drittstärkste Kraft auf 16,9 Prozent gebracht. Zwei Tage nach seiner Ernennung zum Reichskanzler ließ Adolf Hitler diesen Reichstag auflösen. Von Neuwahlen versprach er sich einen Einbruch in das Lager der Arbeiterparteien und die absolute Mehrheit für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), die im November 1932 auf 33,1 Prozent abgerutscht war. Begleitet wurde der Wahlkampf von einem bis dahin unbekannten Terror. Rund 50.000 Mitglieder der Sturmabteilung (SA), der Schutzstaffel (SS) und des "Stahlhelm" sorgten allein in Preußen als "Hilfspolizisten" für "Ordnung". Zudem begründete die anläßlich des Reichstagsbrands erlassene Verordnung "zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte" einen - bis 1945 andauernden - Ausnahmezustand.

Trotz des weitgehend aus dem Untergrund geführten Wahlkampfs behauptete sich die KPD am 5. März 1933 mit 12,3 Prozent als drittstärkste Kraft; die SPD kam auf 18,3 Prozent. Mit 43,9 Prozent verfehlte die NSDAP ihr Ziel der absoluten Mehrheit deutlich. Nur in einer Koalition mit der "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" erreichte sie eine parlamentarische Mehrheit. Doch das Ergebnis dieser letzten Reichstagswahl hatte nur noch symbolischen Wert: Allen bis dahin nicht verhafteten Reichstagsabgeordneten der KPD wurde ihr Mandat entzogen, und die SPD wurde gut drei Monate später verboten.

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Zwei Tage nach dem von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels erfolgreich inszenierten "Tag von Potsdam" stimmte der Reichstag am 23. März 1933 über das von Reichskanzler Adolf Hitler vorgelegte "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" ab. Mit dem Gesetz sollte die Regierung die Ermächtigung erlangen, ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat sowie ohne Gegenzeichnung des Reichspräsidenten Gesetze zu erlassen.

Für ein solches, die Weimarer Verfassung änderndes Ermächtigungsgesetz bedurfte es einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments. Nach Hitlers taktisch bedingter Zusicherung einer kontrollierten Anwendung des Gesetzes sowie der Zusage, die Rechte der Verfassungsorgane, der Länder und der Kirche bewahren zu wollen, signalisierten die Parteien der bürgerlichen Mitte ihre Zustimmung. Mit 444 Stimmen der Regierungskoalition aus Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei (NSDAP) und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) sowie von Zentrum, Bayerischer Volkspartei (BVP) und Deutscher Staatspartei wurde das Gesetz in namentlicher Abstimmung angenommen. Lediglich die 94 Abgeordneten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ließen sich nicht von den Drohgebärden der im Reichstag aufmarschierten Sturmabteilung (SA) einschüchtern und stimmten gegen die Selbstentmachtung des Parlaments. In seiner Reichstagsrede hatte ihr Parteivorsitzender Otto Wels zuvor ein eindrucksvolles Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie abgelegt.

An der Abstimmung nicht teilnehmen konnten die 81 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Ihre Mandate waren auf Basis der Reichstagsbrandverordnung bereits am 8. März 1933 annulliert worden.

Das zunächst auf vier Jahre verabschiedete Ermächtigungsgesetz wurde 1937, 1939 sowie 1943 verlängert und blieb bis zum Ende des NS-Regimes im Mai 1945 rechtliche Grundlage deutscher Gesetzgebung.

(as)
(ba)



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