Nochmals "Köhler": Ein neoliberaler Banker als Bundespräsident
Geschrieben von Scorp am 05. März 2004 13:23:45:
Als Antwort auf: Nachrichten, Freitag 05.03.04 geschrieben von Dunkelelbin am 05. März 2004 01:18:53:
Ein neoliberaler Banker als Bundespräsident?
jW fragte Peter Wahl vom Koordinierungskreis von ATTAC Deutschland
F: Horst Köhler soll nach dem Willen von CDU/CSU und FDP Nachfolger von Johannes Rau werden. Nach verschiedenen mehr oder weniger senilen Altnazis, einem bekennenden Kinderprügler und einigen sozialdemokratischen Ausrutschern nun demnächst ein neoliberaler Banker auf dem Stuhl des Bundespräsidenten?Köhler ist eigentlich nicht die Inkarnation des neoliberalen Denkers, sondern kommt aus der Tradition der CDU-Sozialausschüsse und ist insofern eher sozialstaatlich orientiert. Das war seinerzeit im Jahr 2000 auch der Grund, weshalb er Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) geworden ist. Der IWF hat in den letzten 20 Jahren einen dramatischen Imageverlust erlebt und brauchte eine andere Rhetorik. Dafür ist Köhler genau der richtige Mann. Von ihm gibt es kritische Worte an die westlichen Regierungen sowie Forderungen nach mehr Armutsbekämpfung. Doch hinter dieser rhetorischen Fassade hat der IWF weiter seine knallharte neoliberale Strukturanpassungspolitik verfolgt.
F: Was bedeutet das, wenn wir uns zum Beispiel den vieldiskutierten Fall Argentinien ansehen?
Vor dem Crash in Argentinien 2001 hat Köhler den IWF-Kurs, der seinen Anteil an der Entwicklung hatte, mitgetragen. Als nach dem Crash nach Lösungen gesucht wurde, die nicht wie sonst beim IWF üblich auf Kosten der Bevölkerung gegangen wären, hat Köhler knallhart die alte Linie durchgezogen. Von Armutsbekämpfung und Rücksichten auf Entwicklungsprobleme war nicht mehr die Rede. Ein anderes Beispiel ist die Forderung nach einem Insolvenzrecht für Staaten, die selbst in den Führungsetagen des IWF erhoben wurde. Die USA und einige andere Staaten sind dagegen, und daher hat sich Köhler nie getraut, diese Idee zu unterstützen. Horst Köhler ist gut für Sonntagsreden; wenn es ums Ganze geht, hält er sich vornehm zurück.
F: Sonntagsreden werden manchmal auch innenpolitisch benötigt.
Genau. Wir haben ja auch eine Art Strukturanpassung, die »Agenda 2010«. Da wird es den in Berlin Regierenden gut passen, wenn ein Bundespräsident Köhler die Volksseele ein wenig streichelt und Empörung und Widerstand neutralisiert.
F: Deutschland war im vergangenen Jahr mal wieder Exportweltmeister und gehört zu den großen Kapitalexporteuren, ist also Profiteur der Globalisierung. Was ist außenpolitisch von Köhler zu erwarten?
Er könnte eine stärkere entwicklungspolitische Profilierung versuchen. Wahrscheinlich wird er immer wieder mal daran erinnern, daß die Welt größer als die Bundesrepublik ist und zu 84 Prozent aus Entwicklungsländern besteht.
F: Wird das etwas an der harten Haltung der Bundesregierung in der Welthandelsorganisation und im IWF ändern?
Nein. Das ist eine Frage der Arbeitsteilung: Der Präsident hält die Sonntagsreden, aber die Politik wird im Wirtschafts- beziehungsweise, was den IWF angeht, im Finanzministerium gemacht. Deutschlands IWF-Vertreter Hans Eichel ist bisher nicht dadurch aufgefallen, daß er dort gegen den Mainstream gestimmt hätte.
http://www.jungewelt.de/2004/03-05/017.php
grüsse scorp
- Re: Nochmals "Köhler": Ein neoliberaler Banker als Bundespräsident Johannes 05.3.2004 15:25 (3)
- Re: Nochmals "Köhler": Ein neoliberaler Banker als Bundespräsident MP42 05.3.2004 17:09 (2)
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- an Johannes MP42 06.3.2004 02:42 (0)
- Es lebe der König franke43 05.3.2004 14:23 (0)