Ganz einfach: Wer den Wind sät...
Geschrieben von Discoverer am 02. März 2004 10:43:04:
Als Antwort auf: Was hat das jetzt mit maoisson "Ernte" zu tun? (o.T.) geschrieben von Georg am 01. März 2004 23:03:03:
...wird den Sturm ernten.
Ich denke mal, dass man die meisten Prophezeiungen nicht direkt übersetzen kann und sollte, sondern diese eher als eine Metapher sehen muß. Insofern übersetze ich -die Ernte- in der Art, dass in diesen Tagen (oder Jahren) politische Entscheidungen getroffen werden, deren Folgen wir erst in ein paar Jahren zu spüren bekommen.
Hierzu passt auch der Beitrag von Kiaril, der von einer Verschlechterung des Verhältnisses zu Rußland handelt. Rußland und aber auch die anderen Staaten der gesamten ehemaligen Sowjetunion haben eine sehr lange Tradition und die Einwohner einen entsprechenden Nationalstolz, welcher nicht ganz ünbegründet ist und - wie z. B. in Frankreich - auch mehr oder weniger offen vertreten wird. Unterhält man sich mit Russen hier in Deutschland aber auch in Rußland selbst, so bekommt man sehr häufig zu hören, dass sie vieles an Deutschland aber auch anderen westlichen Ländern bewundern. Insbesondere Deutschland und die Deutschen als solches haben in Rußland ein recht gutes Ansehen. Es gilt als chic, westliche Gaderobe zu tragen, weltoffen zu sein, in westlichen Ländern Urlaub zu machen eben nach westlichem Vorbild zu leben. Und Russen sind sehr interessiert an dem, was in der Welt vor sich geht. Vor allem in Moskau oder auch St. Petersburg kommt man sehr schnell mit Russen ins Gespräch und man bemerkt ein großes Interesse an allem was in Westeuropa und speziell in Deutschland vor sich geht. Es ist fast unmöglich mit Russen NICHT über Politik zu sprechen, egal in welchem Alter sie sind, und was mich insbesondere immer wieder fasziniert ist die Tatsache, dass sie über viele Vorgänge in diesem Lande besser Bescheid wissen als viele Deutsche. Um Vorurteilen vorzubeugen: ich meine hier nicht das deutsche Sozailsystem, sondern die Vorgänge auf politischer Ebene.Was den Russen allerdings erhebliche Kopfschmerzen bereitet und stark am eigenen Selbstwertgefühl nagt, ist die Tatsache der NATO- und EU-Osterweiterung und man fühlt sich in Bezug auf wichtige Entscheidungen des Westens schon seit Jahren schlecht informiert und regelrecht ausgegrenzt. Teilweise hört man auch häufiger schon das Wort Demütigung. Und es ist enorm wichtig, bei Gesprächen mit Russen aber auch beim Lesen der Literatur zwischen den Zeilen zu lesen um die dezenten aber vorhandenen Zwischentöne richtig zu deuten. Die russische Sprache kennt sechs Fälle, also mehr als die meisten anderen kontinentalen Sprachen, was eine sehr feine Ausdrucksmöglichkeit erlaubt, zumal viele Wörter mehrere Bedeutungen haben und erst im Kontext und der entsprechenden Betonung den eigentlichen Sinn ergeben.
Momentan ist die Lage in Bezug auf Westeuropa noch eher von einer gewissen positiven Hoffnung auf eine engere politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit geprägt, wobei die Russen in längeren Zeitbegriffen denken, als z. B. wir Deutsche. Sollte die EU jedoch einen Kurs einschlagen, sich von Moskau zu entfernen und sich wieder mehr in Richtung USA orientieren, Rußland also nicht mehr mit der gebührenden Aufmerksamkeit behandeln (und hier sind nicht nur die finanziellen Transferleistungen gemeint), wird der latent vorhanden Frust irgendwann in offene Ablehnung umschlagen. Die Tasache, dass die NATO erstmals in ihrer Geschichte direkt an die Grenze Rußlands heranreicht, ist für viele Russen ein Unding, vor allem wenn man an das durch die Geschichte bedingte, ambivalente Verhältnis zu Polen denkt. Vor diesem Hintergrund - der Erinnerung an die eigenen militärischen Größe der Vergangenheit und der Wahrung der Würde, des Nationalstolzes - muß man übrigen auch die kürzlich angelaufenen Großmanöver sehen, denn diese dienen vor allem dem Zweck als politisches Signal an den Westen aber auch der Bestärkung der eigenen (angeschlagenen) psychischen Befindlichkeit. Sicherlich kann man nicht ganz ausschließen, dass nebenbei auch die Reaktionsfähigkeit der dezimierten westlichen Truppen und deren Infrastruktur sowie der Aufklärungsmöglichkeiten getestet werden soll. Eine direkte Kriegsvorbereitung nach dem Motto "testen wir die NATO und schlagen beim nächsten Mal überraschend und richtig zu" sehe ich hier aber nicht.
Im Privaten wie im Ggeschäftlichen habe ich die Erfahrung gemacht, dass man mit Russen sehr gut auskommen kann, wenn man ehrlich, zuverlässig und interessiert und pünktlich ist (was umgekehrt nicht immer der Fall ist, denn die Russen neigen zu "hemdsärmeliger" Arbeitsweise; aber genau diese Präzision in der Geschäftsabwicklung schätzen sie z. B. an uns Deutschen ). Deshalb sollte man im Umgang mit Russen (aber auch generell!) einen Satz unbedingt beherzigen:
Versprich nur das, was Du auch halten kannst und/oder willst - und halte das was Du versprichst auch unbedingt ein !
Übertragen auf die Ebene der Politik bedeutet dieses:
Wenn die russische Regierung irgendwann zu dem Entschluß kommen sollte, dass der Westen als politisches und/oder militärisches Gebilde Rußland nicht mehr Ernst nimmt, wenn Zusagen auf politischer Ebene nicht eingehalten werden, wenn man sich betrogen und auf gut Deutsch verarscht fühlt (und das ist momentan kurz davor), könnte es tatsächlich innerhalb küzester Zeit zu einer Umkehrung der Verhältnisse und der Denkweise kommen. Nun ist Rußland auch heute noch kein homogenes Gebilde, sondern ein Vielvölkerstaat und hinzu kommt die schiere Größe dieses Landes. Aber in manchen Dingen ist man sich zwischen Moskau und Kamtschatka absolut einig. Dazu gehört eben z. B. die Anerkennung und der Respekt; Dinge die auf jeden Fall erwartet werden. Wenn Rußland aber eines Tages meint - und hier sind sowohl die Regierung als auch die Bevölkerung gemeint- vom Westen nichts mehr erwarten zu können, wird es für uns prekär. Sollte es zu dieser Entwicklung kommen, werden sich sehr viele Russen wieder hinter ihrer Regierung versammeln, auch wenn es wieder eine rein kommunistische sein sollte. Eine Manipulation der Massen ist insofern ohnehin einfacher geworden, weil es unabhängige russische Medien (wie etwa NTW) so gut wie gar nicht mehr gibt. Es werden zwar fleißig ausländische TV-Medien konsumiert aber wenn es hart auf hart kommen sollte, werden diese innerhalb kürzester Zeit als unglaubwürdig angesehen werden.
Was eine solche Entwicklung einer radikalen Abkehr vom gegenwärtigen Kurs und eine Umkehr der öffentlichen Meinung für uns bedeutet, kann sich jeder denken. Mit der gleichen Intensität, mit der wir vorher positiv gesehen wurden, erfolgt dann das genaue Gegenteil; die "Operation GROM" (Grom = Donner oder Donnerschlag -auch eine Übersetzung für Sturm) könnte dann tatsächlich Realität werden. Vieles wird nun von der NATO und EU-Ostweiterung, den Schritten der deutschen und französischen Regierung sowie den Entwicklungen in den USA und GB abhängen, welche - davon können wir ausgehen - mit Argusaugen beobachtet werden.
Ob diese Entwicklungen gemäß einer Prophezeiung resp. deren Deutung nun in 2009 oder früher oder später kommt ist unerheblich, zumal wir Normalbürger aus den Medien ohnehin nur das erfahren was wir erfahren sollen. Fakt ist: ändert sich bedingt durch das Verhalten der westlichen Regierungen der russische Kurs in der Außen- und Sicherheitspolitik, kann die Lage sehr schnell eskalieren. Ein neuer kalter Krieg ist dann wahrscheinlich; eine Eskalation im Sinne der Prophezeiungen rückt dann in den Bereich des Möglichen und dann wird der Sturm losbrechen.
GrußDiscoverer
- Re: Ganz einfach: Wer den Wind sät... BossCube 03.3.2004 00:08 (1)
- Re: Ganz einfach: Wer den Wind sät... Discoverer 03.3.2004 23:07 (0)
- @Discoverer (off Topic) Bine 02.3.2004 14:15 (2)
- Re: @Discoverer (off Topic) Discoverer 02.3.2004 14:36 (1)
- Re: @Discoverer (off Topic) Ahlfi 02.3.2004 16:58 (0)