ob was in der Luft liege, würde ich eindeutig mit "Ja" antworten.
Ich lebe in Kreisen von Akademikern, Familie, Freunde und Bekannte, die noch vor einigen Jahren fest davon überzeugt waren, dass ihre Arbeitsplätze sicher seien.
Alles hochqualifizierte Leute. Mit beiden Beinen fest auf dem Boden, alles typisch kleinbürgerlich geregelt mit Haus, Auto, Ausbildung der Kinder etc...
Einzig ich bin da ein wenig außen vor, weil: mir war schon in den 80ern klar, dass das eine Seifenblase ist, die platzen wird. Denn: mir war nicht klar, wie ein Gefüge von System, das derart auf Raubtierkapitalismus ausgelegt ist, alle Leute zufrieden stellen sollte. Daher richtete ich mein Leben nicht akademisch aus, sondern praktisch.
Ich lebte dann einige Zeit in der Türkei, machte dort so die ein oder andere Rezession/Depression mit, und weiß: nichts ist sicher. Nur habe ich daraus meine Konsequenzen gezogen und mich so abgesichert, dass ich nicht gleich sterben werde, sondern erst nach 2 Wochen oder so
Nun musste mein Umfeld die bittere Erfahrung machen, dass ihre heile Welt am Zerbröseln ist. Die Arbeitsplätze stehen auf Kippe, einem wurde schon (nach 15 Jahren nach einer Übernahme einer ausländischen Firma) gekündigt, der andere stellt sich (nach 20 Jahren Akademiker in leitender Position) anderen Firmen vor, ein weiterer sieht vom Hauskauf ab (hat sein Geld in Gold angelegt), ein weiterer überlegt, auszuwandern. Und noch einer will sein noch nicht abbezahltes Haus verkaufen.
Dann gibt es noch die, die an einem Haus abzahlen, ab September arbeitslos sind und hoffen.
Oder die, wo es 3 kleine Kinder gibt, der Mann alleinverdienend, dessen Firma (er schon seit seiner Ausbildung dort = 20 Jahre), ihm andere Stellen anbietet die schlechter bezahlt sind und mit schlechteren Konditionen einhergehen.
Alle Leute haben Angst davor, nicht mehr weiter zu wissen. Alle rechnen mit einem Worst Case Szenario, indem sie Konsequenzen ziehen müsstne, wie sie es sich vor 10 Jahren nicht hätten vorstellen können. Und sie versuchen sich zu sichern.
Ach ja...einer der Familie hat ein großes Haus mit viel Acker und Wiesen außen rum. Dessen Aussage letztens: er rechnet damit, dass wir irgendwann alle dort beisammen wohnen. Es ist genügend Platz da. Er und ich kennen uns mit Landwirtschaft aus.
Nun denn: es haben sich schwarze Wolken gebildet über jedes Mannes Haupt sozusagen. Nur weiß man nicht so genau, wohin sie gehen, ob sie sich auftürmen und entladen oder vorrüberziehen. Nur dass sie da sind, spürt jeder, auch der, der nicht direkt danach schaut. Man spürt es, weil man damit mittlerweile auf die ein oder andere Weise damit konfrontiert wird.
Nur denke ich, dass wir da noch ganz am Anfang stehen. Dadurch, dass ich solche Dinge in der Türkei erlebte, weiß ich, dass es viel schlimmer kommen kann. Da ist arbeitslos sein noch ein Witz dagegen. Zumindest hier in Deutschland.
Es wird Unruhen geben. Mit Sicherheit. Aber gleichzeitig wird der Staat sich seine Autorität nicht abnehmen lassen. Wir werden verwundert gucken, wieviel Polizei, Militär präsent sein kann. Kann man teils schon an Demos erkennen gegen Nazis. Da stehen andere Kaliber von Polizisten in Spalier als noch vor 20 Jahren.
Parallel dazu:
Ich arbeite im pflegerisch/pschychiatrischen Bereich. Ich unterhielt mich letztens mit einem Psychiater einer geschlossenen Abteilung. Er sagt, dass sie völlig überbelegt sind, mit Leuten, die extrem gewaltbereit seien. Das kam bisher, seit er als Psychiater arbeitet (über 20 jahre) noch nicht vor. Plus, dass es eine Art von Gewaltbereitschaft sei, gegenüber der sie, Psychiater und Psychologen, kaum etwas ausrichten können. Ausserdem kaum Personal. Kenne ich von unserem Heim. Mittlerweile haben wir mehrere Leute, mit einem Potential an Gewaltbereischaft, die wie aus dem Nichts erscheint und diese Leute aus ihrem normalen Durchschnittsleben herauskatapultiert hat. Woher kommt das?
Es ist nie nur 1 Faktor an einer Entwicklung schuldig. Mehrere Faktoren treffen zusammen. Ob die nun gewollt oder zwangsläufig oder wie auch immer zusammentreffen...darüber kann man sich Gedanken machen.
Es braut sich was zusammen. Alles zusammen betrachtet müsste man blind und taub sein, um es nicht zu bemerken. Nur: wir stehen da ganz am Anfang. Von daher hat BB recht: es wird noch ein paar Jährchen dauern. Unsere Bäuche sind noch gefüllt, wir gehen immer noch wählen, wir versuchen immer noch, gut zu sein.
Das wird sich ändern. So nach und nach, bis es sich entladen wird. Dann werden wir sehen, was passieren wird und wie die Schauungen zutreffen werden.
Vielleicht hat Syrien derzeit den Schlüssel in der Hand. Vielleicht sieht das aber momentan auch nur so aus, und der Schlüssel hängt noch am Schlüsselkasten.
Schauungen haben oft die unangenehme Eigenschaft, erst dann als echte Schauung zu gelten, wenn sie eingetroffen ist. Das Geld verliert mehr und mehr an Wert. Momentan kann man noch einigermaßen davon einkaufen gehen. Ich bezog selbst Hartz4 und weiß, damit geht es zwar schlecht, aber es war nicht unmöglich.
Mein persönliches Gefühl ist gemischt: es wird sich vieles ändern, wir werden Blutzoll zahlen, auf die ein oder andere Art und Weise.
Wir stehen aber ganz am Anfang.
lg
Hope
blöderweise hat mich mein "Gefühl" bisher noch nicht im Stich gelassen. Wohingegen positive Ereignisse mich überraschen. Allerdings: rückblickend waren auch diese positiven Dinge vorhersehbar. Nur fühle ich die nicht. Das liegt aber an meiner Einstellung. Ich rechne eher mit dem Schlimmsten. Und da verweise ich nochmal auf meine Träume mit dem Sechseck: positive Dinge habe ich manchmal erträumt. Allerdings war mir das erst hinterher klar gewesen.
Von daher: auf das Sechseck bezogen, habe ich vor meiner Zukunft, egal wie sie sein wird, keine Angst (mehr).
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Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.
André Gide