MARIA LAACH: der dritte Krieg, warum ist er so kurz? (Schauungen & Prophezeiungen)

Sagitta, Donnerstag, 29.10.2015, 14:55 (vor 3102 Tagen) @ archantaya (3365 Aufrufe)

Hallo Archantaya,

ich bitte um Nachsicht, wenn ich Deinen Beitrag hier etwas mißbrauche, denn ich antworte nicht auf Deine Frage. Eigentlich ist das, was ich aber sage, eine doch passende Antwort - denn sie zweifelt an, dass es einen Russenüberfall geben wird. Ich spekuliere hier, dass dieser Topos bzw. Begriff eine Erfindung der (literarischen) Tradition sein könnte.

Ich hatte vor einiger Zeit dem Forum versprochen, die drei (gefälschten) Prophezeiungen von Louis Emrich zu besprechen. Für die Marienthaler und die Odilie ist dies getan, nun ist Maria Laach an der Reihe, und ich muss es ausführlicher machen, denn die so genannte "Prophezeiung des Mönches von Maria Laach" wirft ein paar Fragen auf, die nicht in einer Randnote stehen bleiben sollten.

Emrich gibt als Quelle seiner Veröffentlichung ein privates Manuskript an, das eine der vielen Abschriften eines Originals sei, welches bei einem Brand im Kloster Maria Laach allerdings vernichtet worden wäre (Text siehe in der Quellensammlung des Forums). Emrich macht ferner die Angabe, dass weitere Abschriften des (lateinischen) Dokumentes existierten, u.a. im Vatikan. Damit will er offenbar seine Quelle aufwerten. Jedoch hat er nicht damit gerechnet, dass im Jahr 2015 die meisten Handschriften der großen Bibliotheken digital erfasst im Internet zugänglich sind (auch jetzt nur selten als Scan, jedoch mit genauen Angaben zu Titel, Herkunft, Autor, Jahr etc.). Ich habe zumindest eine kurze Recherche gemacht, kann aber (bislang) keine Handschrift finden, die eine weitere Version dieser Prophezeiung darstellen könnte.

Wir müssen also annehmen, dass es sich um eine Fälschung von Emrich selbst handelt oder sie ihm zugetragen wurde. Die Prophezeiung bezieht sich inhaltlich überwiegend auf den Zweiten Weltkrieg. Der Erste ist quasi nur erwähnt als Datierung für den Zweiten. Es wird dabei gesagt, dass das 20. Jahrhundert ein Jahrhundert mit drei Kriegen sein werde, einer größer als der andere. Wir sind nun schon aus dem XX. draußen, und es wird nochmal 5 Jahre dauern, bis der nächste (große) Krieg in Europa anbrechen kann .... gar nicht gut, und auch nicht für die Qualität dieser Prophezeiung.

So könnte man die Prophezeiung des Mönches von Maria Laach eigentlich ad acta legen, wenn da nicht die Dreizahl wäre und die merkwürdige Bestimmung, dass der dritte Krieg nur ganz kurz sein wird. Ich zitiere und stelle gleich hinterher ein Zitat aus den Feldpostbriefen.

Emrich / Maria Laach:

"es wird das Jahrhundert von drei grossen Kriegen sein, die in Abständnen von Dezennien immer grösser werden und mächtiger und blutiger .."

Nach dem zweiten, überaus schrecklichen Krieg "wird sein ein grosser Friede eine halb Generation lang und noch dazu bis dann kommen der dritte grosse Krieg und der nur ganz kurz sein wird".

Feldpostbriefe:

"und das Unheil des dritten Weltgeschehens bricht herein. Rußland überfällt den Süden Deutschlands, aber kurze Zeit, und den verfluchten Menschen wird gezeigt werden, daß ein Gott bestehe, der diesem Geschehen ein Ende macht."

Das miteinander verbundene Vorkommen der Dreizahl und Kürze erscheint mir auffällig. Es gibt übrigens noch mündliche Äußerungen von Rill, die eine Anzahl von Tagen (28 bzw. 58) erwähnen.

Der (literarische) Schauungsforscher steht damit nun vor dem Problem, die Parallelität zwischen den beiden Texten entweder als kuriosen Zufall zu qualifizieren - oder er muss weitere Quellenarbeit betreiben. Dabei gibt es zwei prinzipielle Möglichkeiten. Entweder haben die Fälschung von Maria Laach und die Feldpostbriefe eine gemeinsame Quelle. Oder die Feldpostbriefe, die zeitlich nach Emrich veröffentlicht wurden, sind eine Fälschung, die sich unter anderem auch auf die Veröffentlichung von Emrich stützt.

Als gemeinsame Quelle für beide Texte ist der von Taurec und früher von BB vorgebrachte Antonius von Aachen vorläufig auszuschließen, da jener zwar einen Krieg unter Beteiligung der Russen beschreibt, jedoch nicht einen dritten Krieg innerhalb von hundert Jahren. Und die Länge bzw. die eigenartige Kürze dieses Krieges spielt bei Antonius ebenfalls keine Rolle.

Man würde gerne den Feldpostbriefen eine größere Authentizität als Emrich zuschreiben, vor allem weil sie weitere Details nennen, etwa feuerspeiende Berge, seichte Flüsse, Kriegsgerät und Flucht (die sind bei Antonius allerdings vorhanden!) sowie die Schweiz. Jedoch sind Prophezeiungen im Volksmund und von Menschen (und Verlegern ...) aus dem Volke eine höchst knifflige Sache. Dieses Beispiel zeigt, wie ein Text von 1938 (Emrich) und/oder ein Text von 1953 (Renner) prägend für 60 Jahre Prophezeiungsliteratur werden können, wenn die Aussagen ständig wiedergekäut und fortgesponnen (auch weiterfabuliert ...) werden (von Leuten wie Adlmaier, Bekh u.v.a.).

Ich gebe meine aktuelle und vorläufige Meinung wieder. Diese Sache bedarf weiterer Untersuchung.

Um auf Deine Frage doch noch zurückzukommen, Archantaya: nicht der chirurgisch präzise Überfall oder die Besatzung durch die Russen sind das Problem, sondern die Not und Bürgerkriegszustände vorher, vor allem aber hinterher. Wenigstens von der Praxis her gesehen.

MfG, Sagitta


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