Re: Reichen 245 Euro im Monat zum leben?
Geschrieben von Diana am 07. März 2005 09:48:00:
Als Antwort auf: Re: Reichen 245 Euro im Monat zum leben? geschrieben von Kiaril am 07. März 2005 08:05:12:
Hallo Kiaril,
>Eine Frage hab ich dabei noch. Sozialhilfe konnte früher wieder eingefordert werden, wenn der Empfänger plötzlich wieder arbeiten ging. Wie ist das mit ALG2?
Nun ja, der Möglichkeiten gibt es auch in SGB II viele... Die Sozialhilfe konnte früher auch nur dann wieder eingefordert werden, wenn sie von vornherein als vorübergehende Hilfe zum Lebensunterhalt und als Darlehen gewährt wurde. Kam das zu erwartende Einkommen dann doch nicht, konnte sie jederzeit in einen nicht rückzahlbaren Zuschuss umgewandelt werden.
Sowas Ähnliches gibt es auch bei ALG II. Wenn z. Bsp. jemand hypothetisch noch irgendwo Vermögen hat, das aber momentan oder auf absehbare Zeit nicht "verwertbar" sein wird - sprich, am Markt nicht umzusetzen - dann kann ALG II durchaus auch als Darlehen gewährt werden. Auch wenn irgendwelches Einkommen da sein "müsste", z. Bsp. in Form von Unterhalt, der aber tatsächlich zur Zeit nicht gezahlt wird, auch dann gibt es ALG II erst mal als Darlehen.
In dem Moment, wo der Unterhalt kommt, muss man das sofort melden - und ALG II muss zurückgezahlt werden. Genauso - wenn das nicht verwertbare Vermögen dann irgendwann doch verwertet werden kann, muss das bis dahin gewährte ALG II zurückgezahlt werden.
Wenn also eine Lebensversicherung ausgezahlt wird, an die man nicht sofort heran kam... oder wenn ein Haus verkauft ist, was vorher keinen Käufer fand. Alles solche Fälle.
Und - es gibt in SGB II noch was ganz Tolles: Erbenhaftung. Sprich, wenn ein Hilfeempfänger ein Haus hat, das er selber bewohnt und was "angemessen" ist - dann darf er das großzügigerweise behalten. Aber wenn der Hilfeempfänger dann mal irgendwann stirbt - und sein Kind erbt das Haus, dann muss der Erbe aus dem vom Hilfeempfänger geerbten Vermögen die ALG-II-Zahlungen bis 10 Jahre rückwirkend zurückzahlen. Sprich, das Kind muss das geerbte Elternhaus vermutlich verkaufen, um die Forderungen des Arbeitsamtes zu begleichen.
Wenn der Arbeitslose sein Haus gleich verkauft, ist das Kind es auch los... und der Arbeitslose bekommt wegen des Verkaufserlöses vermutlich für lange Zeit keinerlei Stütze mehr - er muss sich dann auch aus dem Erlös privat krankenversichern.
Ist alles "verjuxt" - kann er einen neuen Antrag stellen... Und wenn er dann wegen der Veräußerung seines Hauses in einer Mietwohnung wohnt, muss ihm die der Staat dann wiederum natürlich bezahlen.
Man könnte natürlich die Arbeitslosen alternativ auch in ihren Häusern lassen - denn wenn die dummerweise abbezahlt sind, spart der Staat ja den größten Teil der Unterkunftskosten und müsste nur die Neben- und Betriebskosten übernehmen.
Bewohnt der Arbeitslose dagegen ein Haus, das er vor 6 oder 8 Jahren mal gebaut hat, als er noch einen "festen und sicheren" Job hatte... dann wird er sich vermutlich noch mitten in der Tilgung des Kredites befinden. Tja - Arschkarte. Denn Tilgung übernimmt das Amt nicht - da handelt es sich ja um "Vermögensbildung". Und welche Bank macht das schon mit, dass einer nur noch Zinsen bezahlt (die zahlt das Arbeitsamt!)... Also fällt das Haus mit ziemlicher Sicherheit zurück an die Bank und wird versteigert. Der Arbeitslose muss in eine Mietwohnung ziehen: siehe weiter oben.
Zu blöd ist allerdings, dass der Staat mit Zahlung der KALTmiete von ALG-II-Mietern SEHR WOHL "Vermögensbildung" betreibt und zulässt: nämlich die der Hauseigentümer, die diese Kaltmiete erhalten und damit natürlich ihre Kredite ihrerseits wieder abbezahlen.
Man kann sich wirklich prächtig amüsieren, wenn man sich mit diesem Machwerk von Gesetz mal näher befasst. Genauso ist die Definition "Bedarfsgemeinschaft" und "eheähnliche Gemeinschaft" ein Thema, worüber man ganze Romane verfassen kann...
Wieder mal amüsiert-fassungslose Grüße von
Diana
PS: Falls dieses Thema irgendwen "nerven" sollte, der "nicht betroffen" ist - die Auswirkungen von Hartz IV sind unser aller unmittelbare ZUKUNFT...