Re: @IT Oma, auch @Johannes und @Bonnie, Must-read-link zum Thema Wirtschaft ..

Geschrieben von Bonnie am 23. Januar 2005 12:18:21:

Als Antwort auf: Re: @IT Oma, auch @Johannes und @Bonnie, Must-read-link zum Thema Wirtschaft .. geschrieben von NoPasaran am 22. Januar 2005 20:45:00:

Hallo NoPasaran,
schade, daß du dich ausklinken willst. Wie gesagt, ich finde es schön, mich wieder mal mit Wirtschaftstheorie zu beschäftigen und freue mich, kompetente Gesprächspartner gefunden zu haben. Tut mir leid, wenn ich streckenweise dogmatisch und besserwisserisch rüberkomme. Das will ich nicht. Wahrscheinlich habe ich sogar auch ein paar "Böcke" geschossen. Z.B. habe ich dagegen anargumentiert, daß die Kapitalkosten letztendlich vom Konsumenten getragen werden. Das ist so auch nicht richtig, natürlich werden die Kapitalkosten vom Konsumenten getragen. Eigentlich meine ich es so: Die Kapitalkosten werden zwar vom Konsumenten getragen, ich finde das aber okay und angemessen. Begründen würde ich das so:
- Du kannst die meisten Produkte nicht ohne Einsatz von Kapital (Maschinen, Fabriken) produzieren. Genausowenig wie ohne Arbeitskraft und Rohstoffe. Also ist es doch angemessen, daß derjenige, der das Produkt kauft und nutzt, den Endpreis trägt, oder ?
- Die Marktwirtschaft führt zu derart brillianten Ergebnissen (Daunenjacke für 25 Euro), daß die Kapitalkosten gar nicht großartig ins Gewicht fallen. Die Kosten für eine Daunenjacke (sorry, wahrscheinlich kriegt du jetzt eine Daunenjackenallergie *gg*, es ist nur ein Beispiel und steht für alle möglichen Produkte, die wir billigst erwerben können) sind schweinebillig für den Endkonsumenten, weil die Marktwirtschaft zu einer optimalen Verteilung der Produktionsfaktoren führt zusammen mit dem Druck des Marktes in Richtung niedrige Preise. Eine Daunenjacke könnte in einem anderen System nicht produziert werden oder zu so viel höheren Kosten, daß der Endkonsument letztendlich viel höher belastet wird.

Das funktioniert eben nicht ohne die Möglichkeit, durch Konsumverzicht Kapital zu bilden und es seinen Nachkommen zu vererben.


Du schreibst: Ich werd' den dummen Verdacht langsam nicht mehr los, daß ein Teil dessen, was als Wirtschafts-"Wissenschaft" daher kommt, in Wirklichkeit pure Ideologie ist, verbrämt als Wissenschaft.

Dann erklär mir, welchen Teil du meinst ? Adam Smith ? Schumpeter ? Pareto? Entschuldige, es ist schwer, einem Fachmann eine neue Theorie zu erklären, nicht weil er dümmer ist, sondern weil er mehr Argumente kennt. Ich verstehe dich ja. Mein Hobby ist Naturheilkunde. Wenn ich jetzt meine wilden Theorien einem Arzt unterbreite, werde ich totale Schwierigkeiten haben, gegen ihn anzuargumentieren, einfach weil ich mich in "seine" Materie hineinvertiefen muß. Also, ich sehe das hier nicht als Polarität und Streit an, in dem ich Recht behalten will. Ich will lernen und würde gern den Punkt sehen, den du siehst.

Ja, dein Artikel hat in mir den Marxismus-Knopf gedrückt, aber ich meine, mit Recht. Norbert Rost (der war es doch?) schreibt vom leistungslosen Kapitaleinkommen, von Sklaverei durch Kapital. Im Grunde akzeptiert er nur die Arbeit als Produktionsfaktor. Er argumentiert eindeutig (neo?)marxistisch und das ist ein alter Hut, längst widerlegt und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, praktisch nicht nur in den ex-kommunistischen Ländern, sondern auch in den planwirtschaftlichen Teilen unserer Gesellschaft. Außerdem muß man beim Installieren der marxistischen Utopie eine Diktatur in Kauf nehmen, die sich gewaschen hat (in der ich nicht leben möchte). Außerdem sind da logische Fehler in dem Artikel, dieselben logischen Fehler, die der Marxismus gemacht hat.

Marx ist in meinen Augen kein kompetenter Denker, er wird komplett überschätzt. Da gefällt mir fast noch die Verschwörungstheorie gut, die besagt, daß seine Theorie quasi benutzt wurde, daß "Geld" nachgeholfen hat, seine an sich bekloppten Theorien zu verbreiten und in die Tat umzusetzen.

Aber, NoPasaran, mein Artikel hat anscheinend bei dir den "Reich-Knopf" gedrückt *gg*. Mir gefiel es auch nicht, Sexualität mit der Warenwelt zu vermischen. Da macht er in meinen Augen den Freudschen Fehler, wenn er "alles" auf Sexualität reduziert. Die Handtasche hat mit Sexualität nichts zu tun, auch wenn die Kosumentin sich in die Handtasche "verliebt" hatte. Streich Sexualität und nimm einfach "Lust". Ich meine, man kann auch Lust bei anderen Tätigkeiten empfinden und ich würde auch Eßlust nicht mit Sexueller Lust gleichsetzen.

Aber die Grundaussage ist folgende: Waren erzielen den Preis, den der Konsument bereit ist, zu zahlen. Das hängt von ganz vielen Faktoren ab, kann auch mit Werbung geschürt werden. Aber Waren erzielen eben nicht den Preis, den sie von der Herstellung her kosten. Das ist nur eine Untergrenze. Damit fällt auch die Gleichung in dem Rostartikel "Volkseinkommen = Kapitaleinkommen + Arbeitseinkommen" flach, weil sie nicht stimmt. Da ist noch eine Differenz und das ist sozusagen der "Unternehmerlohn" (so etwas kannst du bei Schumpeter nachlesen).

Ach ja, die Lustfeindlichkeit der Wissenschaft. Du selbst kritisierst die Wirtschaftswissenschaft. "Lustfeindlichkeit" ist in meinen Augen einer der größten Angriffspunkte. Wirtschaftswissenschaft ist eine Sozialwissenschaft, die gerne eine Naturwissenschaft wäre. Das Thema der Wirtschaftswissenschaft sind Menschen und ihre ökonomischen Handlungen. Die Wirtschaftstheorien unterstellen gerne, daß sich die Menschen absolut rational verhalten. Wenn sie das täten, würden die Theorien auch stimmen. Sie tun es aber nicht, wie jeder unschwer in seinem eigenen Erlebnisbereich festestellen kann. Das ist mit der "Lustfeindlichkeit" der Wirtschaftswissenschaft gemeint. Die Motive des Menschen (auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen) sind eben nicht rational, sondern "lustbetont", wobei jeder an anderen Dingen "Lust" hat. Der eine an schönen Produkten, der andere an technischen Spielereien und der nächste an Macht.

Ich kann diesen Kritikpunkt an der Wirtschaftswissenschaft sehr gut nachvollziehen.

Die meisten Wirtschaftstheorien basieren also auf der Annahme, daß der Mensch rationale wirtschaftliche Entscheidungen trifft. Das stimmt eben nicht oder nur in Teilbereichen. Deshalb wird die ökonomische Wirklichkeit nur zu einem Teil in der Wirtschaftstheorie abgebildet.

Du schreibst: >Tut mir leid, daß ich nicht willens bin, das einfach so zu schlucken, nur weil Du das sagst und das mit der Tatsache, daß Du Ökonomie studiert hast, zu unterfüttern versuchst.

Das finde ich jetzt unfair. Ich schreibe mir die Finger wund und versuche, meine Ansicht durch Argumente zu belegen und du sagst, ich ziehe mich nur auf meine Ausbildung zurück.

Weiter schreibst du: >Ich frag' mal andersrum und Dich direkt: Woher weißt Du, daß das, was Du während dem Studium erzählt bekommen hast, denn wirklich ein im wissenschaftlichen Sinn taugliches Modell darstellt ?

Ich verstehe die Kritik und habe oben versucht, das zu begründen. Sozialwissenschaften beschäftigen sich mit dem Menschen, ohne den Menschen richtig enträtselt zu haben. Sie unterstellen ihm z.B. rationales Handeln in allen Lebenslagen. Aber der Mensch ist anders gestrickt. Im Grunde müßte man die Sozialwissenschaften verquicken mit Verhaltenswissenschaft, Psychologie und Medizin. Solche Bestrebungen gibt es. Aber ich sag dir: Es ist sehr kompliziert und ohne Statistik geht gar nix.

So, und jetzt geht mir erstmal die Puste aus. Vielleicht finde ich nachher noch einen Nachtrag.

Liebe Grüsse, Bonnie




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