Also denn: "belastbare Aussage"

Geschrieben von Micha aus dem Süden am 22. Januar 2006 15:13:30:

Als Antwort auf: Re: Endlich ist Niveau in der Debatte :-) geschrieben von offthspc am 21. Januar 2006 21:59:41:

Deine "falsifizierbare" Voraussage lautet also:

>Um den Iran anzugreifen brauchen die USA schon eine verdammt große "smoking gun"
>Eventuell sehen wir deren Lieferung in den nächsten paar Tagen ?

Schaun wer mal.

Und zum Prinzip:

>Meine Theorie besagt:
>George Bush hat Haare auf dem Sack.
>Jetzt habe ich das Problem:
>Ich kann statistisch aus Alter und Geschlecht der Person herleiten das es so sein müßte.
>Ich kann aufgrund von Erfahrungswerten behaupten, der Mann verliert im Alter Haare auf dem Kopf, eventuell sogar alle aber selten an eben jener Stelle.
>Aber ich werde diese Theorie niemals überprüfen können.
>Noch besser:
>Es könnte sich der Leibarzt von George auf das Rednerpult stellen und behaupten:
>"Yes , our president has hairy balls"
>Beweis ?
>Er könnte sogar Bilder vor versammelter Presse herzeigen..
>Beweis, oder PhotoShop ?
>Immerhin könnte Mr. President auf der Rednerbühne die Hosen runterlassen (macht er verbal eh schon *g*)
>Bedauerlicherweise werden wir das nie erleben.
>Also ist meine Theorie entweder ungültig.
>ODER aber, nur nicht beweisbar.

Theorien sind niemals "beweisbar", sondern nur "falsifizierbar".
Poppers berühmtes Beispiel geht so.

Die Theorie sei: "Alle Schwäne sind weiß".
Das Beobachten von lauter weißen Schwänen stützt die Theorie und macht sie brauchbar, BEWEIST sie aber nicht. Denn man WEISS nicht, ob es nicht doch irgendwo auf der Welt einen schwarzen Schwan gibt.
Die Theorie ist dennoch wissenschaftlich,m weil sie falsifizierbar ist - mit dem Auftauchen des ersten schwarzen Schwans.
Und den brauche ich nicht selber zu sehen, es reicht, wenn sein Auftreten nachvollziehbar beschrieben wird.

Anwendung auf Bushs Eier: ich brauche nicht selber nachzugucken, es reicht, wenn jemand anderes (z.B. ein Artzt) darüber einen nachvollziehbaren Bericht anfertigt, evt. sogar Fotos macht und hinterlegt.


>Es stellt sich nur die Frage....
>Wieso wurde(n) etwa die RAF, die ETA, und viele andere nicht mit Bomben und Raketen bejagt ?
>Wär doch spaßig gewesen, die Luftwaffe verfolgt die Entführer von Schleier mit Tornados mit Moab Vorgängern und Cluster-Bombs quer durch Kölle.....
>Das waren doch auch skrupellose Fanatiker, die nicht rational gedacht haben und in ihrer eigenen *gaga* Scheinwelt gelebt haben.
>Oder war es weil der Feind "im Haus" war und Kollateralschäden eher am Image gekratzt hätten ?
RAF und ETA waren INNENPOLITISCHE Herausforderungen, waren terroristische Gruppen, aber keine STAATEN.

>Und ist eine Atombombe ein islamistischer Hand tatsächlich eine Bedrohung für "uns" oder doch nur für unsere "unverbrüchlichen Freunde" da unten.
>Wenn ja, wieso wird dann in den Medien geschildert das es "uns" betrifft wenn es eigentlich nicht so ist.

Atombomben in islamistischer Hand: Existentielle Bedrohung für Israel (sind halt Verbündete), existentielle Bedrohung für JEDE westliche Grosßstadt (nuklearer Terroranschlag), existentielle Bedrohung des Energiebedarfs.

Gut, die Abhängigkeit vom Öl ist ein unverzeihlicher Fehler des Westens, da gehören längst effiziente Alternativen entwickelt. Aber fakt ist derzeit, dass der Westen abschmiert ohne Öl. Langfristig haben sich unsere tollen Politnicks da ein Riesen-Eigentor geschossen.

Aber was die Bedrohung durch nuklearen Terror angeht, das ist ne andere Kiste. Stell dir dieses Szenario vor: die Ehrenmorde in Berlin gehen weiter, islamistische Eltern verlangen von deutschen Lehrerinnen, gefälligst Kopftuch zu tragen in den Schulen, wo der Moslemanteil unter den Kindern über 50% liegt (geschieht gerade eben in Österreich). Die heimischen wehren sich mit Demonstrationen, Leserbriefen, Skins zündeln in Moscheen, in einer Bezirkswahl gewinnen die Rechten 46% der Stimmen. Plötzlich gerät der "Stuttgarter Einbürgerungsfragebogen" (Du weißt?) in große Mode bei SPDCDU und es wird ein Gesetz beschlossen, dass alle bereits eingebürgerten Muslime den Test nachholen müssen, sonst wird die Staatsbürgerschaft wieder aberkannt. Das paast den Mullahs in teheran überhaupt nicht. Zur Warnung lassen sie ein Böbmchen in Stuttgart unterm Bahnhof hochgehen und drohen mit der nuklearen Vernichtung Berlins.

Oder: die nackten Tanzmädchen auf VIVA erregen den Widerwillen der Mullahs und sie verlangen von Berlin (unter Androhung empfindlicher Übel), diese für die ganze Welt empfangbare, aber gute Muslime zum Übel verführende Freizügigkeit sofort zu unterbinden.

Oder: teheran passt das Kopftuchverbot an französischen Schulen nicht und verlangt, es sofort abzuschaffen...

Schon jetzt funktioniert die muslimische Gewaltandrohung: ein deutscher Islamwissenschaftler findet keinen Verlag, der seine Forschungsergebnisse druckt über die verschiedenen, voneinander erheblich abweichenden Ur-Versionen des Koran - die Verlage haben Schiss. Ein dänischer Lexikon-Herausgeber weigerte sich, Bilder des Propheten Mohammed in seinen Artikel über den Islam aufzunehmen, wegen des islamischen Bilderverbots und aus Angst vor Anschlägen gegen seinen Verlag. Zum Glück hat die Zivilcourage einer (rechtsgerichteten, aber die sind hier leider die Einzigen mit demokratischem Mut!) Zeitung dann einen Skandal draus gemacht und wochenalng täglich Bilder des Propheten gedruckt, die von Lesern eingeschickt (oder selbst angefertigt) wurden - und so die Meinungsfreiheit verteidigt. Der Islamrat in Dänemark ins Sturm gelaufen und hat mit diplomatischem Druck und auch Gewalt gedroht - und bei der dänsichen Regierung genau das Gegenteil bewirkt, sie hat sich noch entschlossener hinter die Meinungsfreiheit gestellt. Aber jetzt stell Dir mal vor, Teheran könnte versuchen, solche Entwicklungen mit Androhung nuklearer Gewalt in "seine" Richtung beeinflussen zu wollen.

>Ich denke, wären wir beide im Iran geboren wäre es für uns das normalste der Welt !
>Und diese Westler mit ihren Tittenmagazinen und unverschleierten störrischen Weibern wären versaute eklige Schweine.
>UND:
>Wir würden "unser" Weltbild für richtig halten !!
>Hoppla ... Denk- und Erziehungsfalle :)

Genau, das ist das "Claudia-Roth-Argument".
Aber ich sag Dir was: Freiheiten (Meinungsfreiheit, Freiheit der Frauen, Bildungsfreiheit, Berufsfreiheit) sind keine zufälligen kulturellen Konstrukte, sondern menschliche Bedürfnisse. Die Überlegenheit der westlichen Zivilisation gegenüber vielen anderen besteht darin, diesen Bedürfnissen EHER gerecht zu werden, als das vielen anderen Zivilisationen gelingt. Ich sage nicht, dass sie schon VOLL VERWIRLKLICHT wären, aber sicher fühlen sich die Menschen in Dänemark, Frankreich, Deutschland, Kanada, Australien FREIER und glücklicher, als etwa im Jemen, Saudi-Arabien, Iran oder Afghanistan.
WARUM SONST WOLLEN DIE FLÜCHTLINGE DER WELT SO GERNE IN WESTLICHE LÄNDER?

Und auch, wenn ich weiß, dass im Westen die "westlichen Werte" nicht überall und voll verwirklicht werden, dass sie von den USA teilweise sogar mit Füßen getreten werden, so finde ich es wert, diesen unseren Lebensstil und die Werte dahinter zu verteidigen.

>Man sollte halt nicht vergessen das vor den "irrationalen Phantasten" der Iran ja einmal ein Freund der USA war.
>So wie Afghanistan, der Irak und viele mehr.
>Also irgenwie scheinen die Amis mit ihren Freunden generell was falsch zu machen.

DIESER Iran (also seit dem Ayatolla) war nicht Freund der USA. Allerdings war der Schah (Freund der USA) für die Iraner auch nicht gerade ein Glücksgriff.

Es ist ein existentieller Fehler der USA, die so laut kommunizierten Werte von Freiheit und Demokratie nicht auch zum Kriterium ihrer Außenpolitik gemacht zu haben. Dagegen standen die Widrigkeiten der "realen Welt" - nämlich die eigene Gier aufs Öl (und der kurze Weg ans Öl mittels Diktatoren) und die Unreife vieler islamischer Gesellschaften für ein demokratisches System (traditioneller Islam und Demokratie schließen sich gegenseitig aus). Ich teile die Einschätzung, dass die USA über weite Teile der Geschichte eine verbrecherische Politik betrieben haben.

Das gilt aber nicht im gleichen Maß für Europa seit 1945.

Das europäische Modell der Lösung politischer Konflikte halte ich für gerchtfertigter und zukunftsfähiger, als das amerikanische.

Nur - der Konflikt mit dem Iran ist keiner zwischer Iran und USA, sondern ein existentieller Konflikt, sagen wir zwischen ISLAMISMUS und dem Westen insgesamt. Der Feind der Islamisten ist nicht die USA, sondern unsere Lebensweise.

Und die Lebensweise lasse ich mir nicht von Moslems - oder sonst wem - vorschreiben.

Und deswegen finde ich den französischen Wink mit dem atomaren Zaunpfahl nach wie vor richtig!

Beste Grüße,

Micha



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