Re: ausräuchern
Geschrieben von Joe68 am 09. Januar 2006 15:53:29:
Warum reite ich das ausräuchern rum? Was passiert mit 50-60 Millionen städtischen Mitbürgern bei einem echten worstcase Kollaps (Keine Energie ,Strom, Heizung, Benzin, Nahrungsmittel,..) wenn schon eine vgls triviale Inflation (ohne Krieg, Naturgewalten,..) zu solchen Zuständen führt mitten in Deutschland in der guten alten Zeit ohne Ausländer, Denglish,..:
...………
Bedeutet der Krieg im Zeitalter der Materialschlachten, Nationalismen und fanatisierenden Ideologien das Ende jeglicher Spur von Ritterlichkeit, so die Inflation den furiosen Rückfall in die primitivste Tauschwirtschaft und am Ende, wenn es nichts mehr zu tauschen gibt, in die Barbarei des Faustrechts. „Inflation ist nicht nur Diebstahl, sondern Bürgerkrieg, Krieg gegen das eigene Volk“, sagte Florian, nachdem er mir aufgrund seiner höchstpersönlichen Erfahrungen den ruinösen Verfall des einst „gut“ gewesenen Geldes drastisch geschildert hat. Ein Staat, der nicht imstande sei, den Bürgerkrieg zu verhindern; ein Staat, der, schlimmer noch, selbst den Bürgerkrieg von oben entfesselt, indem er immer mehr wertloses Geld ausgibt und eben im großen das verübt, was, wenn es ein einzelner tut, Geldfälschung oder Falschmünzerei heißt – ein solcher Staat sei eigentlich kein Staat mehr und könne deshalb nicht die geringste Anhänglichkeit und Achtung von seinen Untertanen fordern Notwendigerweise kam in den frühen zwanziger Jahren, was jedem inflationären Delirium früher oder später folgen muß: die Stunde der Hamsterer und Schieber, der Schwarz- und Schleichhändler und endlich der Banditen, Raubritter und Mafiosi. Wenn das einheimische Geld nicht einmal so viel wert ist wie das Papier der sich ununterbrochen vermehrenden Banknoten, dann bilden sich ganz naturwüchsig Ersatzwährungen in Form von Naturalien, etwa von Zuckerwürfeln, Zigaretten, Perlen, Schmuck, Medaillen, Goldstücken oder Weinflaschen mit guten Jahrgängen. Wer fern von den nahrungsspendenden Quellgründen menschlicher Urproduktion hungert, ist dann zu beinahe jedem Verzicht bereit. Wenn die Gedanken Hunderttausender tagtäglich um einige Tropfen Milch, einige Brocken Schwarzbrot, ein Fetzchen Fleisch, ein Kännchen Öl, ein Häufchen Mehl, ein Krümelchen Käse, ein Körbchen Kohle oder ein Bündelchen Brennholz kreisen, dann fällt der zivilisatorische Firnis alsbald ab.
Was in selbstzufriedenen, gesättigten Zeiten unverlierbare Moral zu sein schein, erweist sich als dünne Tünche, wenn apokalyptische Not die Herzen prüft. Dann kommt die von humanitätsduseliger Seichtigkeit abgeleugnete „tigerartige Anlage“ zum Ausbruch, von der Adalbert Stifter bereits 1846 schaudernd sprach: „Wir alle haben eine tigerartige Anlage, wie wir eine himmlische haben, und wenn die tigerartige nicht geweckt wird, so meinen wir, sie sei gar nicht da, und es herrsche nur die himmlische. Wir alle können nicht wissen, welche unbekannten Tiere durch die Gewalt der Tatsachen in uns emporgerufen werden können, so wenig wir wissen, wie wir im Falle eines Nervenfiebers reden o der tun würden …“
Glücklich wer in solchen Zeiten, wenn die gewitzteren Besitzenden bei geschäftlichen Abschlüssen die Geldannahme verweigern, wenigstens am Rande der Stadt wohnt und Bescheid weiß, wo vielleicht noch Milch gegen ein Buddhafigürchen, Mehl für ein altes Lexikon, Speck für einen Kupferstich, eine halbe Sau für einen Orientteppich erhältlich ist. Noch glücklicher, wer dann einen Schrebergarten, einige legefreudige Wyandotten oder eine Ziege sein eigen nennen darf und rechtzeitig versteckte Plätze ausgekundschaftet hat, wo Speisepilze, Heidelbeeren und andere wohlschmeckende Waldfrüchte üppig gedeihen. Wenn Geld nicht mehr geprägte Freiheit bedeutet, sondern Schund und Tand, dann ist reich, wer Axt, Säge und anderes Werkzeug besitzt; wer selbst Holz zu hacken, Obst in Weckgläsern einzumachen und das zu finden versteht, was in den früheren fetten Jahren unbeachtet und ungeerntet verrottet ist. Es ist dies ein „Zurück zur Natur“, das mit romantischer Idyllik sehr wenig, aber im Ernstfall mit Entkultivierung, Regression und Primitivität erschreckend viel gemein hat. Und eben deshalb stimme ich dem alten Hofknecht Florian Waldgassner zu, wenn er jede Inflation als himmelschreiendes Sozialverbrechen, als staatlich angeordneten oder geduldeten Genozid mittels verruchter Geldvermehrung anprangert.
Er erzählt mir mit Worten, die durch Mark und Bein dringen, was vor siebzig Jahren geschehen ist. Wenn es für immer mehr Geld immer weniger zu kaufen gibt, dann ziehen aus jeder Stadt Tausende und Abertausende darbende Männer, Frauen und Kinder hinaus aufs Land. Es sind skelettähnliche Gestalten, die gotischen Totentanzbildern entstiegen zu sein scheinen. Sie haben nichts mehr zu verlieren. Sie haben wohl schon streunende Hunde und Katzen oder auch Krähen und anderes Getier gejagt und erschlagen, um einen kümmerlichen Ersatz für den jahrelang entbehrten Sonntagsbraten zu gewinnen. Bleiche, ausgemergelte Männer bücken sich ständig, um vom schmutzigen Straßenpflaster weggeworfene Zigarettenstummel aufzuheben, aus deren eklen Tabakresten sie neue Rauchstengel basteln. Wer über Nikotin verfügt, wer Nikotin verträgt, der spürt den Hunger weniger arg. Die Städter schwärmen allein oder scharenweise, zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Bahn, bewaffnet mit Messern, Hacken und Sägen in die ländlichen Vororte hinaus. Dort fällen sie, ohne viel zu fragen, gleicherweise morsche wie frische Bäume, zerkleinern die Stämme und Äste, verladen die Stücke in Rucksäcke, Bütten und Handkarren, um sie dann heimwärts zu schleppen. Manche tragen das wild geschlagene Holz auch in Bündeln auf dem Rücken nach Hause. Kräftige bürden sich dreißig, bisweilen sogar vierzig Kilogramm Brennmaterial auf die Schultern. Wer vor Hunger ohnmächtig wird oder nicht acht gibt, dem geht das mühsam zusammengeklaubte Holz verloren. Beutegierige Horden halbwüchsiger Kellerlochgestalten rauben das geraubte Zeug. Auf ihre Weise nehmen sie das ruchlose Wort eines hochgestellten Staatsmannes todernst, daß Not kein Gebot kenn.
Allenthalben breiten sich kurzfristige Gerüchte aus: die Fata Morgana, daß irgendwo Sauerkraut, Heringe oder Grieß abgegeben wird. Auch wer niemals Sauerkraut, Heringe oder Grieß gemocht hat, beteiligt sich an dem Ansturm, um Tauschgüter zu ergattern. Meistens erweisen sich diese beinahe schlaraffische Sinnestäuschungen auslösenden Gerüchte, ähnlich den großmäuligen Sonntagsreden der Staatsverdiener, als bis zum Zerreißen mit Gas vollgepumpte Ballons, die schlagartig zusammensacken. Andere Gerüchte sind leider glaubwürdiger. Man hört, daß da und dort sich Fälle von Kannibalismus ereignet haben. Der Mensch wird zu des Menschen Wolf. Betteln bringt nichts ein. Zum Tauschen ist kaum etwas übrig geblieben. Die Durchhalteparolen der öffentlichen Meiner sind dementiert. Mitleid, Höflichkeit, Zucht und andere Tugenden bilden sich im Zuge allgemeiner Abstumpfung und Verrohung zurück. Nackte Gier steigert sich zu rüdem Raffen und dieses zu panischem Faustrecht. Die ohnmächtige Polizei schaut weg oder ist, da es ihren Mitgliedern genauso schlecht ergeht wie dem Durchschnitt der übrigen Deutschen, selbst in verbrecherische Machenschaften verstrickt. In der Inflation können nur Gangster und Ganoven auskömmlich überleben. Mit dem Geldwert senkt sich auch das zwischenmenschlich gelebte Ethos. Es nähert sich der „Grenzmoral“, die Anstand, Gesetzestreue und Sparsamkeit, gar erst Gutherzigkeit, Großmut und Vornehmheit als unzulässigen Luxus einschätzt. Man richtet sich an der alleruntersten Linie des gerade noch straflosen aus. Am Ende aber gibt es überhaupt kein Halten mehr. Der Pegel menschlicher Gesittung versinkt in den morastischen Abgründen unverblümter Kriminalität. Nichts gilt, alles ist erlaubt, bloß erwischen lassen darf man sich nicht.
Wieder einmal taucht ein Gerücht auf: Die Bauern in der Gegend zwischen Mooshof, Merlenbach und Sankt Jakob hätten noch übergenug Vorräte an Getreide, Mehl, Kartoffeln, Schinken, Speck und Fleisch. Da die stadtnäheren Dörfer bereits abgegrast und ausgesogen sind, klingt die unerwartete Kunde den Inflationsopfern wie eine Frohbotschaft. Den Arbeitern, Angestellten und Arbeitslosen, den Müttern und Kindern, die mit Säcken, Koffern und Kisten unterwegs sind, schließen sich da und dort auch Pöbelrotten an. Das Gesindel folgt einigen Hetzern, die den Hamsterern den Weg zu unerlaubt verstecktem Nahrungssegen zu weisen versprechen. In den ersten Tagen geht es noch einigermaßen manierlich zu. Die meisten Städter, die zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Eisenbahn angekommen sind, verlegen sich bloß aufs Bitten und Betteln. Einige bieten absonderliche Nippsachen, Souvenirs aus der Zeit des Jugendstils oder Ballkleidschärpen an, lauter Dinge, die vermutlich in einem Bauernhaus am überflüssigsten sind. Hin und wieder ist ein Bauer oder eine Bäuerin bereit, sich in den Handel einzulassen. An den folgenden Tagen verschlechtert sich die Atmosphäre in den heimgesuchten Dörfern spürbar. Ganze Trupps begeben sich, ohne die Eigentümer zu befragen, auf die Kartoffelfelder und nehmen sich soviel, wie in Rucksack, Tasche oder Kiste geht. Als sie dann von den Feldern alles Verzehrbare eingeheimst haben, scheuen sie sich nicht, die teilweise weitverstreuten Gehöfte aufzusuchen und von den bestürzten Bauern Lebensmittel jeglicher Arte mit bedrohlichem Unterton zu fordern. Von Entgelt, Tausch oder sonstiger Gegenleistung wird nicht mehr geredet. Kann oder will der Bauer nichts hergeben, dann verlangt das gierige Rudel, die Küche, Vorratskammer, Stallung, Kellerei oder Bodenstube zu betreten. Der Mob maßt sich Befugnisse an, die in normalen Zeiten einzig der Polizei aufgrund einer richterlichen Hausdurchsuchungserlaubnis zustehen. Findet er etwas, dann nimmt er es mit, handle es sich nun um Brot, Butter, Obst, Marmelade, Käselaibe oder Zaumzeug, Treibriemen und anderes Lederwerk. Da es eine örtliche Polizei überhaupt nicht gibt oder ein einziger Gendarm gegen die Rotten des Pöbels nichts auszurichten vermag, bewaffnen sich die Dörfler mit Dreschflegeln, Mistgabeln, Knüppeln und Peitschen. Noch so große Entbehrungen, so meinen sie, berechtigen die Darbenden nicht dazu, sich regellos fremden Eigentums zu bemächtigen.
Die Verhältnisse werden zunehmend brenzliger. Als am Vormittag abermals Scharen verdächtiger Gestalten anrücken, lassen die Bauern die Kirchenglocken läuten. Dies ist das Zeichen, daß alle männlichen Dorfbewohner zur Abwehr bereit sein müssen. Sie sperren die Straßen ab und umstellen den kleinen Bahnhof, der eigentlich nur eine dürftige Hütte und Haltestelle ist. Die Ankömmlinge sind verdutzt, als sie die mit Arbeitsgeräten ausgerüsteten Bauern gewahren. Im Gedränge kommt es zu einem ersten handgreiflichen Kräftemessen. Schläger treten hervor. Die Bauern bemerken, daß die Städter, unter denen sich zwielichtig dreinblickende Strolche befinden, mit Messern und Steinen versehen sind. Die Zusammenstöße werden härter und gewalttätiger. Pfui- und Buhrufe erschallen, als einige berittene Bauernburschen sich mitten durchs Gewühl vordrängen. Siedende Wut ergreift die Stadtleute, die sich vor den schnaubenden und stampfenden Rossen entsetzen.
Florian und andere bemühen sich, die Erregung der Menge abzuwiegeln. Man sei bereit, mit den Hamsterern zu sprechen. Von beiden Seiten sollten sich je drei Männer zusammenfinden, um über einen einvernehmlichen Ausweg aus der bedrohlichen Lage zu beraten. Einige Minuten lang scheinen die besonnenen Elemente die Oberhand gewinnen zu können. Auf beiden Seiten gibt es aber auch leidenschaftliche, herausfordernde, rücksichtslos auf Biegen und Brechen eingestellte Kräfte. Diese halten Verhandlungen für Zeitvergeudung, die Möglichkeit friedlichen Ausgleichs für ein Hirngespinst allesbesserwisserischer Gschaftlhuber, die sich nicht trauen, das gute Recht der eigenen Gruppe mit der Faust zu erzwingen. Sie stellen unmögliche Bedingungen.
Während noch verhandelt wird, zerbricht die Kette der Bauern, und brüllend ergießen sich die aufgewiegelten Massen in die Hauptstraße und auf den Marktplatz. Das Vorwärtsdrängen löst eine Panik aus. Die Ortschaft vermag die Menschenflut nicht zu fassen. Viele verrennen sich in durchlaßlose Winkel und sind in Gefahr, zerquetscht zu werden. Andere überspringen die Zäune, rasen durch die mit Astern, Sellerie und verwelkten Tomatenstauden bepflanzten Gärten, die rücksichtslos zertrampelt zurückbleiben, und jagen durch die Häuser, um durch die Hintertür wieder ins Freie zu gelangen. Auf dem Weg durch Stuben und Ställe nehmen sie in der Eile mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Als die wüst stürmenden Eindringlinge wieder die inzwischen auf sieben Reiter angewachsene Selbstschutztruppe der Bauernburschen erblicken, laufen sie ihnen wie auf ein Befehlswort johlend und tobend nach. Schon werden sie von der lynchbereiten Menge umringt. Da entreißt einer der berittenen Jungknechte dem neben ihm galoppierenden Gefährten die kurze Handfeuerwaffe und schießt, von Angst und Wut erbleicht, in die ihn bedrohende Horde. „Schießen, Schießen, Schießen!“ ausrufend, hält ihn nichts mehr auf, als er davonsprengt, während zwei seiner Verfolger, die er getroffen hat, blutig niedersinken. Der eine ist sofort tot, der andere stirbt während der Beförderung zum Landarzt.
Nun erst gerät die Menge in unversöhnlichste Wut. Sie wälzt sich zurück zum Dorf, die einen aus Furcht, die andern, um sich zu bewaffnen, wieder andere, um sich an den Bauern die dieses Gemetzel nicht vereitelt haben, rücksichtslos zu rächen. Sie bemächtigen sich aller Gegenstände, die irgendwie als Hieb-, Stich-, Stoß oder Schlagwaffe brauchbar sind: Pfähle, Mistgabeln, Äxte, Sicheln, Zaunlatten, Schlegel und anderer Sachen. Nichts hilft die Versicherung, daß der Knecht, der geschossen hat, seit frühester Jugend nervenkrank sei, Der tollwütige Scharfschütze, wie man ihn nun nennt, müsse abgeknallt werden. Im Tonfall einer jeden Widerspruch von vornherein abschneidenden Entrüstung heißt es: „Der Schuft muß weg!“ Der vom Volkszorn auserkorene Todeskandidat benützt die kurze Pause, in der sich die Städter bewaffnen, um von seinem Hengst zu springen. Er läuft waldwärts, um in beinahe undurchdringlichen Dickicht des Lippitzkogels oder des Wildensteins unterzuschlupfen. Vergebens! Noch bevor er die über den Draschfluß führende Holzbrücke erreicht, ist er gezwungen, sich ins kalte Wasser zu stürzen, um schwimmend das andere Ufer zu erreichen. Inzwischen haben reitkundige Verfolger sich dreier Rosse bemächtigt und sprengen über die Brücke, wo sie den schlotternden Flüchtling ergreifen. Was man von dem Unglücklichen wiederfand, war ein widerwärtig zugerichteter Fleischklumpen.
Nun gibt es überhaupt kein Zurückhalten mehr. Die Bauern verzagen zähneknirschend vor der Übermacht der zuchtlosen Horden. Sie schauen zu, wie auf den Feldern und Obstwiesen alles ausgegraben und gepflückt wird, was noch vorhanden ist. Die Szene erscheint wie ein Nachtlager marodierender Landsknechte. Von ferne gleicht das gespenstische Biwak einem hackenden Rabenschwarm, der sich auf einem brachen Acker oder herumliegendes Aas herabgelassen hat. Jeder wühlt, pflückt, packt und sackt. Auch Gänse, Enten und Hühner werden in Kisten und Säcken mitgenommen. Manche erschlagen das Geflügel an der Stelle. Die Bauern, denen die allerletzten Reste entschädigungslos geraubt werden, erleiden nicht nur Verlust an Hab und Gut, sondern zusätzlich Spott und Hohn. Sie werden gezwungen, Wagen und Pferde bereitzustellen, die die ihnen abgenommenen Lebensmittel zum Bahnhof befördern sollen. Von Glück konnte reden, wer wenigstens Mähre und Gefährt, denen er Hinterhergelaufen war, später wiederfand.
So war es vor siebzig Jahren, Im Oktober und November 1923, als die rasende Inflation jeden gesunden Handel und Wandel daniederliegen ließ und sonst biedere Menschen in Gauner und Banditen verwandelte. Was mit Florian Waldgassner erzählt hat, ist überall im Lande geschehen, bis dann ab dem 15. November 1923 die neue „Rentenmark“ – im Jahr darauf „Reichsmark“ getauft – eingeführt wurde. Auf 1 Billion alter Papiermark kam eine neue Mark … Aller Besitz, der nicht auf Grundstücken, Häusern und anderen Sachwerten beruhte, war durch den vorangegangenen Währungsverfall vernichtet worden. Ich kann den Zorn des alten Florin verstehen, wenn er sagt: „Der Staat ist mein Feind“ – ein Staat, der die Inflation nicht bekämpft, sondern forciert; ein Staat, der private Geldfälschung strafrechtlich verfolgt, aber hoheitliche Geldverschlechterung und Falschmünzerei ungestraft betreibt; ein Staat, der vom Bürger Steuerehrlichkeit fordert, dagegen selbst in finanziellen Belangen zunehmend undurchschaubar und unbegreifbar wird. Alle ist schon einmal dagewesen. Wer die Lehren der Geschichte verdrängt, wird gezwungen sein, sie in exemplarischer Weise zu wiederholen. Es gibt Augenblicke, in denen mich der quälende Verdacht nicht losläßt, daß das, was in Deutschland und Österreich vor siebzig Jahren geschehen ist, uns geschwinder als uns leib ist, in einer gräßlichen Neuauflage heimsuchen wird. Einst war ein verlorener und unbewältigter Krieg die Ursache der schaurigsten Geldentwertung. Jetzt haben der Gnade später Geburt nicht gewachsene Politiker, Parteifunktionäre und Plutokraten das einst unvorstellbare Kunststück zuwege gebracht, in der längsten Friedenszeit europäischer Geschichte eine bandwurmgleiche Inflation heranzuzüchten. Diese neue Inflation bloß als „schleichend“ zu bezeichnen, ist nichts als eine das Volk einlullende Beschönigung, eine demagogische-propagandistische Falschmünzerei. Ihr setzte ich als Warnung die Worte eines Inflationsopfers der zwanziger Jahre entgegen, des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig. In seinen Lebenserinnerungen „Die Welt von gestern“ sagt er: „Nichts hat das deutsche Volk – dies muß immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden – so erbittert, so haßwütig, so hitlerreif gemacht wie die Inflation.“
Ein Auszug aus dem Artikel von: Kaltenbrunner, Gerd-Klaus: Von der Inflation zur Liquidierung Geldwertverfall als Ursache und Folge des Totalitarismus 231 Hoffnung oder Bedrohung?“ 246, Scheidewege Band 24, Jahrgang 1994/1995, www.scheidewege.de
http://www.scheidewege.de/archiv_lieferbar/inhalt24_1994_95.htm
- Re: ausräuchern ARX 09.1.2006 23:32 (0)
- Re: .., ein gutes Beispiel, bereits realitätsgesättigt ,.. Ego Man 09.1.2006 17:32 (2)
- an ego-format-killer-man detlef 09.1.2006 18:04 (1)
- Re: Entschuldige, bitte @ Detlef! - Kommt NICHT wieder vor! (owT) Ego Man 09.1.2006 18:50 (0)
- LESENSWERT! - in spaetestens drei jahren ist es wieder so! detlef 09.1.2006 16:19 (0)