Historische Zwangsläufigkeit
Geschrieben von Badland Warrior am 19. Dezember 2004 18:07:47:
Als Antwort auf: Frage an Bady ? geschrieben von Tucuman am 18. Dezember 2004 21:29:04:
Antwort an Tucuman
Guten Tag, Tucuman!
Dies wird erst einmal mein letzter Beitrag für einige Zeit sein, da ich noch andere Dingezu tun habe. Das ist nicht persönlich gemeint, aber mein Engagement in der virtuellen Welt hält sich in Grenzen, und ich habe in der realen Welt einige Prioritäten.
T.: danke für die lange Antwort.
B.: Bitte.
T.: Ich hab den Eindruck du sehnst Dir den ZUSAMMENBRUCH herbei, damit
diese "beschi.... Gesellschaft" endlich von neuem Aufgebaut werden kann.
B.: Nicht wirklich. Du kannst den Eindruck haben, ja. Er ist aber meiner Meinung nach nicht korrekt. Als Alternative zum Zusammenbruch sehe ich eine völlig überbevölkerte, ökologisch ruinierte, dahinsiechende Welt. Es gibt m. E., also nur zwei Optionen: Eine Welt, in der bis zu 48 Milliarden dahinvegetieren, oder eine Welt, in der es zwar weniger Menschen gibt, die Bedingungen an sich aber sowohl ökologisch, als auch ökonomisch und sozial gut für alle sind.
Ich sehe aufgrund der bisherigen Entwicklung, der jetzigen aktuellen Fakten und der Theorien von Widdowson und Beasley eine Art von historischer Zwangsläufigkeit, die eher zur Zusammenbruchssituation tendiert. Ich glaube – nach meiner Meinung – nicht, dass es möglich ist, die Fehlentwicklungen von ca. 2000 Jahren und die Missstände, die heutzutage global herrschen, innerhalb weniger Jahre zu neutralisieren aufgrund von Idealismus. Global gesehen steckt der Karren im Dreck.
Aufgrund der Auswertung von Fakten denke ich, dass diese Schlussfolgerung realistisch ist. Ihn herauszuziehen ist aufgrund der Verflechtungen von Konzerninteressen und Machtpolitik, sowie widerstreitender Ideologien, von denen jeweils eine die andere beeinflusst, und aufgrund der wachsenden Zerstörung von Lebensgrundlagen, sowie Überbevölkerung nicht möglich. Da aber Zustände nicht statisch sind, geht die Entwicklung weiter. Fakt ist auch, dass weder die Lebensreformbewegung, noch jede andere – auch die revolutionären Bewegungen nicht – noch irgendwelche -ismen oder – tümer bisher etwas zum Positiven gewendet haben, nicht die anarchistischen Träumer während des spanischen Bürgerkrieges, nicht die Sechziger Jahre, nicht die Hippies, nicht die Alternativen, niemand. Daher sehe ich keinen Anhaltspunkt einer historisch begründbaren Umkehr und Verbesserung der Lebensgrundlagen und – Umstände für alle.
Ich behaupte aber, dass der jetzige Zustand nicht optimal ist. Eine historische Notwendigkeit des Zerbruchs der globalen Situation sehe ich aber schon, da je komplizierter ein System ist, es auch um so anfälliger ist. Nicht etwa aus marxistisch-leninistischer Rezeption, denn diese lehne ich ab, da sie erstens meiner Ansicht nach nicht angemessen ist und voller Irrtümer, und zweitens auch nichts zur Verbesserung beigetragen hat. Sie ist Bestandteil des Problems, nicht der Lösung.
Auch lehne ich technokratisch-positivistische Ansätze ab, weil sie sich bisher als nicht haltbar erwiesen, so z. B. die „Voraussagen“ eines Herrn Cohen aus den Sechzigern/Siebzigern, dass im Jahre 2000 der Hunger besiegt sei, alle genug hätten, es keine Kriege mehr gäbe, alle Krankheiten besiegt seien, und wir Städte auf dem Mars und Antigravitationsautos besäßen. Für ebenso unhaltbar wie eine „Raumschiff Enterprise“ - Utopie halte ich spirituelle Utopien eines goldenen Zeitalters durch Wandlung und Erleuchtung aller. Ich sehe dafür weder Anzeichen noch eine historisch fundierbare Begründung. Aber auch dies ist eine Hypothese.
Von einem Herbeisehnen ist keine Rede. Fakt ist aber, dass je mehr der Karren einsackt, desto schwieriger ist es, etwas Neues in Angriff zu nehmen. Dazu gehört natürlich Pioniergeist. Den hat nicht jeder. Natürlich ist es eine Sache, am Computer zu sitzen und zu philosophieren, im warmen Zimmer, als durch den strömenden Regen zu laufen und dabei Balken zu schleppen. Von daher ist es für mich nachvollziehbar, dass das Bild eines Neuaufbaus für einige weniger attraktiv scheinen mag, als die Augen zu verschließen und sich eine goldene Welt herbeizuträumen oder zu hoffen, dass es doch noch irgendwie gut geht. Wie schon erwähnt sehe ich aber zu einer Begründbarkeit letzterer Verhaltensweisen keinerlei Grundlage.T.: Da stellen sich für mich ein paar Fragen. Warum willst Du diesen Zusammenbruch ?
B.: Ich könnte diese Frage als rhetorische Frage abhaken, was aber eventuell unfair wäre. Daher beantworte ich sie. Wie ich schon erwähnte, ist sie die günstigere von zwei Optionen, und ich sehe eine historische Zwangsläufigkeit. Von „Wollen“ ist keine Rede. Das wäre ein falscher Ansatz. Es ist vielmehr ein Akzeptieren der Notwendigkeit Es wäre auch die Option, die ich als angemessener oder gar besser empfände als die zweite Option. Eine Begründbarkeit einer dritten Option sehe ich nicht.T.: Ist Dein jetziges Leben so beschissen oder hast Du in der jetzigen Gesellschaft aus Deiner Sicht einfach zu wenig zu melden und fühlst dich zu größeren Taten berufen. Bei Deinen Beiträgen habe ich immer das Gefühl, der hat nichts mehr zu verlieren, daher das machohafte Kampfgeschrei.
B.: Laut Sartre ist es möglich, sich der Wahrheit anzunähern, aber nicht, sie zu erreichen, da jede Betrachtung und Auffassung dadurch, dass man Subjekt ist, subjektiv bleibt. Ich bin der Auffassung, dass ich das Recht habe, Entwicklungen und missstände, die ich als schädlich sehe, kritisieren zu dürfen. Ebenso sehe ich die Möglichkeit, zu überleben und durchzukommen, sowie mithelfen zu können, wenn etwas Neues begonnen werden kann. Der gedanke ist sympathisch, positiv und übt eine gewisse Faszination auf mich aus. Es geht nicht darum, ob ich etwas, viel oder wenig zu melden hätte. Auch nicht, ob ich etwas zu verlieren hätte und wieviel. Man kann natürlich an allem etwas aussetzen, oder aber bescheiden sein und sich über die kleinen Dinge freuen, oder auch das Leben als farbigen Bilderbogen begreifen. Oder sich in Träumereien verlieren. Ich zieh Nüchternheit vor. Auch ich habe Ideale, nur sehe ich keine Möglichkeit, die Welt als solche zu ändern. Aber das wird sie aufgrund der Entwicklung und der notwendigen und zwangsläufigen Kulmination der Entwciklung. Es geht mir nicht oder nur peripher um persönliche Belange dabei. Bessere Lebensbedingungen für alle aber faände ich nicht ganz verkehrt, sondern im Gegenteil besitzt dieser Gedanke einen gewissen Charme.
T.: Warum bist Du dir so sicher das man nach dem totalen Zusammenbruch eine bessere, gerechtere, usw... Gesellschaft aufbauen kann ?
B.: Weil dann so wenige Leute da sind, dass schon aufgrund von notwendigkeit und einsicht in das Vorhandene und die Situation eine Vermeidung der vergangenen Fehler und eine Verbesserung der Situation zwangsläufig ist.
T.: Den Zusammenbruch den Du so Bilderreich immer wieder beschreibst das ist Anarchie und was danach kommt steht in den Sternen.
B.: Da muss ich korrigieren. Nach Elysée Reclus, einem der maßgeblichen Denker des Anarchismus, ist Anarchie nicht Chaos, sondern die höchste Form der Ordnung, da es eine Gesellschaft ist, die optimal für alle auf gegenseitiger Vereinbarung gleichberechtigt aufgebaut ist im Interesse aller. Hinzufügen möchte ich, dass ich die verschiedenen politischen Ideologien kenne, und eine, wie die andere für nicht zweckmäßig halte, da sie alle fehlerhaft sind und meines Erachtens nicht angemessen. Der Mensch ist meines Erachtens anch zu egoistisch und unvernünftig, um tatsächlich in so einer Form von Gesellschaft zu leben.
Das, was du meinst, ist Chaos. Ich gehe von der philosophischen Haltung aus, dass alles, was existiert, sich in ständiger Wandlung befindet und zwischen den Polen von Ordnung und Chaos pendelt, wobei das eine nicht ohne das andere existieren kann. Natürlich ist ein Zusammenbruch oder gar ein Dark Age chaotisch. Das habe ich nie bezweifelt, das bezweifle ich nicht, und werde es auch nicht, da es Fakt ist. Aus Sicht der bisherigen erfolgten Geschichte folgt aber auf ein Dark Age auch immer wieder eine Entstehung von etwas Neuem. Zivilisationen funktionieren nach einer gauss'schen Kurve. Natürlich ist nicht alles vorhersehbar. Da aber diesmal der Zusammenbruch nicht ein einzelnes Land oder eine einzelne kultur betrifft (wie die Tolteken, mixteken, Inkas, Khmer), sondern alle, und zwar in einem bisher nicht gekannten Ausmaß, gehe ich davon aus, dass es danach besser wird. Du kannst, wenn du möchtest, außer der historischen Entwicklung, auch gern die Seher und Propheten bemühen. Sie kommen zu demselben Ergebnis.T.:Du kennst ja den Spruch "Die Revolution frisst ihre Kinder", schon mal daran gedacht ?
B.: Meines Erachtens ist dieser Spruch bezogen auf das, was sich ereignen wird, unpassend. Es geht dabei nicht um Revolution und Durchdrücken von Ideologien, sondern um Zerschlagung ALLER Strukturen, die bisher existieren, also das Zerschlagen des gordischen Knotens. Ich schließe mich keiner revolutionären Bewegung an, da ich die immanenten Fehler der Ideologien kenne, und keine befürworten kann.
T.:Ich bin mit vielen Sachen in unserer Gesellschaft nicht einverstanden, aber deswegen will ich noch lange keinen "ZUSAMMENBRUCH".
B.: Es geht ja nicht nur um DIESE Gesellschaft, sondern um die globalen Zusammenhänge. Es ist ja alles mit allem verknüpft. Ich kritisiere die Missverhältnise hierzulande genauso, wie ich die in Indonesien, China, Arabien, Russland, USA, Großbritannien oder sonstwo tue. Ebenso erlaube ich mir, die Ideologien zu kritisieren. Dennoch sehe ich einen Zusammenhang, nicht nur der Wirtschafts-, Macht- und Ideologieinteressen. Summa summarum ISR die Situation suboptimal für die Menschheit, und destabilisiert sich immer mehr. Wie gesagt, sehe ich da auch eine historische Zangsläufigkeit. Es geht dabei auch nicht um das, was ich mir wünsche. „Lieber guter Weihnachtsmann...“ Ich vertrete lediglich den Standpunkt, dass der Zusammenbruch die bessere Option ist, er aber sowieso kommt, egal, ob du jeden Abend für den Weltfrieden betest oder für „Brot für die Welt – Die Wurst bleibt hier“ spendest oder nicht. Die Geschichte schert sich einen Scheißdreck um das, was ich oder du denken.
T.: Die meisten haben etwas zu verlieren und ich meine nicht nur die materiellen Dinge wie das Auto, Haus oder den Goldschatz. Was ist mit der Familie, mit Eltern, Geschwistern, Kindern,
Freunde, usw.
B.: Ja, die meisten haben etwas zu verlieren, sei es materiell oder an sozialen Bindungen. Viele werden alles verlieren, wenige werden einiges behalten, wenn auch wenig. Du siehst es als Problem. Es ist ein emotionales Problem, da hast du durchaus Recht. Das bestreite ich nicht. Ich sehe das aber nicht als Argument gegen die Zwangsläufigkeit der Entwicklung. Es geht nicht um Wünschen, sondern um Tatsachen. Der himmel schert sich nicht darum, ob jemand ihn grün mit Goldpunkten haben will. Er verändert sich farblich im Rahmen der Naturgesetze.T.: "Es ist besser, ein Licht zu entzünden, als über Dunkelheit zu klagen.“ Guter Spruch, aber Deine Beiträge klagen meist über die Dunkelheit, wie bescheiden doch alles bei uns und in der Welt ist usw. (Hysterie). Da ist von LICHT nicht viel zu lesen. Vielleicht leigt es ja auch an mir, das ich Deine Beträge so einordne, wer weiss !!
B.: Wieso? Ich weiß nicht, wo mein Denkfehler ist, wenn ich aufgrund dessen, was analytisch vorhergesagt werden kann, mich ausstatte und weiterlebe, das Leben genieße, dankbar für die schönen Dinge des Lebens bin, aber trotzdem den Blick für das behalte, was ist? Nüchterne Einsicht in die historische Zwangsläufigkeit sehe ich nicht als Hysterie. Hysterie istz, wenn jemand bei jeder schlechten Nachricht aufkreischt und Panikzustände bekommt. Ich denke schon, dass du da etwas unangemessen den Begriff benutzt, da es weder um Angst, noch um Hysterie geht. Mir geht es um Auflistung und Analyse. Ich finde es aber interessant, dass du di Begriffe Angst und Hysterie immer wieder einbringst. Ich denke, dass du da von falschen Voraussetzungen ausgehst. Es geht weder um Revolution im Sinne einer umwälzenden Volksbewegung, noch um Panikmache, oder um Hysterie. Es geht mir um Darstellung der Situation und der historischen Zwangsläufigkeit aus meiner Sich, nicht um „Wünsche“ oder dergleichen.
Alles Gute und bis in ein oder zwei Monaten,Baddy
- Re: Historische Zwangsläufigkeit Röde Orm 19.12.2004 19:31 (1)
- Re: Historische Zwangsläufigkeit Badland Warrior 19.12.2004 19:47 (0)