Re: Arroganz und Penetranz
Geschrieben von Templar am 25. November 2004 11:37:
Als Antwort auf: Geschichte und Sprachgeschichte geschrieben von Odin am 25. November 2004 10:25:
Salve
>Das wollen wir mal geschichtlich beleuchten. In der Völkerwanderungszeit
>wurde der deutschprachige Teil der Schweiz zusammen mit dem Schwarzwald,
>dem Oberrheintal und dem Elsass von einem Stamm besiedelt, der sich selber
>Alamannen nannte und ein Teil des suebischen (= schwäbischen) Stammes-
>bundes war. Daraus erklärt sich auch die dialektale Verwandtschaft der
>schweizerdeutschen, südbadischen und (leider ausgestorbenen) elsässischen
>Dialekte mit der schwäbischen Dialektgruppe. den Begriff "Alemannisch" als
>Sammelbezeichnung für ein Dialektgebiet hat der badische Gymnasial-
>professor Peter Hebel geprägt, vor etwa 200 Jahren. Dabei hat er
>einfach dem namenlosen Dialektgebiet den Namen des ursprünglichen
>Volksstammes zurückgegeben, der den Anfang dieser Dialektentwicklung
>eingeleitet hat.Das hängt davon ab, was zählt man zu Schweizerdeutsch. Die ältesten Ansprüche gehen auf das 8. Jahrhundert zurück. Das Kloster St. Gallen überliefert viel althochdeutsches und mittelhochdeutsches Sprachmaterial. In St. Gallen lebte auch der Schriftgelehrte NOTKER dessen Texte in einer eigendefinierten Sprache geschrieben waren. Heutzutag könnte ganz wahrscheinlich der durchschnittliche Mundartsprecher die typischen Kennzeichen dieser alten geschrieben Sprache anerkennen und mit dem modernen Schweizerdeutsch vergleichen.
Eigentlich wird allemanisch und schwäbisch deutlich unterschieden, lässt sich auch an geografischen Grenzen festmachen.
>Man kann die Geschichtsschreibung auch umdrehen. Ein wirklich
>gesprochenes Mittelhochdeutsch als für alle Sprecher verbindliche
>Hochsprache hat es im Mittelalter überhaupt nicht gegeben.
>Mittelhochdeutsch war eine Sprache der literarischen Eliten, nämlich
>des bildungsbeflissenen und poetisch aktiven Reichsritterstandes
>("Minnesänger"). Und aus wohl nicht mehr genau eruierbaren Gründen hat
>dieser Reichsritterstand die Sprachvariante des Südwestens innerhalb
>des deutschsprachigen Raumes als Sprachstandard gewählt. Damals gehörte
>ja die Schweiz noch zum deutschen Reich, genau wie Österreich.
>Letzteres war sogar stärker unabhängig, denn die mittelalterlichen
>Herzogtümer hatten ein hohes Mass an Teilautonomie.
Schon richtig. Ebenso richtig ist der Umstand, dass zum Beispiel Zürich ein lokales Zentrum für den Minnegesang war. Im Zusammenhang mit dem Reichsrittertum von "bildungsbeflissen" zu sprechen, halte ich allerdings für arg übertrieben.Und zum Schluss möchte ich einfach nochmal auf den ursprünglichen Impuls für die ganze Diskussion hinweisen. Nämlich das Versteifen auf die Mundart als Identifikationsinstrument und die damit verbundenen Stilblüten. Und da kann man sich schon fragen, warum Südbadener oder Österreicher kaum Probleme mit dem Hochdeutschen haben. Die Schweizer aber mittlerweile sogar eine politische Bildungsdiskussion führen und amtlich verfügen müssen, dass in den Schulen im Unterricht wieder Hochdeutsch gesprochen wird, weil die Sprach- und Lesefähigkeiten der Deutschschweizer immer prekärer werden. Dass hochdeutschsprechenden Ausländern (bei weitem nicht nur Deutsche) mit einer an Arroganz grenzender Penetranz auf schweizerdeutsch geantwortet wird, ist da nur eine der besagten Stilblüten.
In LVX
Templar
- Re: Arroganz und Penetranz Thorshammer 25.11.2004 12:06 (5)
- Re: Integration oder Sprachrassismus ? Templar 25.11.2004 12:26 (4)
- Re: Integration oder Sprachrassismus ? Thorshammer 25.11.2004 13:01 (3)
- karte schwaben alemannen Thorshammer 25.11.2004 13:24 (2)
- Re: *knuutsch* Templar 25.11.2004 13:27 (1)
- grins re knutsch Thorshammer 25.11.2004 13:39 (0)