Tawa-Land

Geschrieben von Tawa am 14. Dezember 2004 06:40:49:

Guten Morgen,

eisiger Wind und bezaubernde weiße Bäume grüßen den Rest der Forenwelt. Nein, Schnee liegt derzeit keiner mehr - die weiße Weihnacht ist dennoch garantiert hier oben.

Lieber Forenbesuch hat sich bei uns letztens eine wunderprächtige Erkältung zugezogen. Da kommt der kleine Unterschied zwischen der beheizten Zivilisation und einem unbeheizten Gästezimmer am Ende der Welt zum Vorschein. Ich hoffe, daß die Grippe mittlerweile wieder auskuriert ist :-).

Unser erster Hase ist geschlachtet und verspeist, das Fell an der Stalltüre zur Lufttrocknung aufgehängt und die einzelnen Exkremente diversen Dorfbewohnern als Beweis für unsere Kaltblütigkeit und als Glücksbringer am Schlüsselbund übergeben. Das dazugehörige Mittagessen war für den Herrn des Hauses allerdings mit einigen unliebsamen Überraschungen gespickt: Immer, wenn ich das Messer für den ersten Bissen ansetzte, schaut mich unsere mir gegenüber sitzende fünfjährige Tochter, genüßlich kauend, an und sagte jedesmal: "Ach, das arme Häschen, Papa!" Ich hätte sie erschlagen können!!!

Nun gut, aktuell sind 10 Kaninchen im Stall, zwei Rammler sind aktuell mit drei Weibchen beschäftigt. Ein Pärchen wird demnächst wegen weiterer neuer Blutslinien getauscht, und am Mittwoch gesellen sich dann noch zwei Meerschweinchen zur Hasenzucht hinzu. Damit der Knuddelfaktor auch nicht zu kurz kommt.

Der Sau geht es saugut. Frißt und gedeiht. Eine absolute Wildsau eben. Sie bekommt Kartoffeln, mal roh, mal gedünstet oder gekocht. Topinambur mochte es nicht. Zuckerrübenschnitzel und Schrot, unzählige Essensabfälle aus dem ganzen Dorf sowie gelegentlich Sojamehl. Allmählich sollte ich allerdings eine Alarmanlage für das Schweinchen installieren: Die Dorfbewohner fordern vehement Spanferkel!

Nach den Feiertagen kommen dann unsere ersten Schafe, ein Pärchen Kamerun-Schafe, trächtig. Nur muß ich dann schnell lernen, wie man ihnen die Hufe ausschneidet - dies soll bei der Rasse ca. alle sechs Wochen gemacht werden müssen. Ansonsten sind sie sehr genügsam und pflegeleicht.

Unsere 15 Hennen und der kampfwütige Hahn sind nicht zu bändigen. Verfressen und teilweise extrem zutraulich legen sie noch immer durchschnittlich rund zehn Eier täglich. Ein erfahrener Hühnerhalter im Ort beschwert sich bereits: "Wie es kommt, daß unsere noch immer legen, während er als erfahrener Hühneropa bereits seit bald knapp zwei Monaten seine Eier im Supermarkt kaufen muß!" An schönen Tagen dürfen sie auch mal auf den Hof oder den Garten für eine Stunde. Die anschließende Suche gestaltet sich dann meist recht abenteuerlich. Mittlerweile haben wir einen festen Stammkundenkreis für unsere Eier, selbst die ekelhafte Sekretärin der Schule ordert mittlerweile.

Ein wenig Grünkohl (Krauskohl) ist eingemacht - eine Schweinearbeit! Nebenher fressen die Pferde von der Koppel immer wieder mal davon, wenn sie ausbrechen - kein Wort der Entschuldigung der Besitzerin!

Das Topinambur schmeckt etwas gewöhnungsbedürftig - eigentlich bin ich der Einzige, der sich überhaupt daran wagt. Bisher gab es dies als Art Bratkartoffeln mit Ei angerührt und als Gemüse. Als Rohkost ist der ungewohnte Geschmack nicht ganz so intensiv und für die Familie eher zu ertragen.

In den vergangenen zwei Tagen machte ich ein wenig Holz klein, damit unsere Werkstatt in einer 15 Kilometer entfernten bayerischen Stadt nicht erfriert. Werkstattleistung gegen Brennholz.

Ansonsten kleine Auftragsarbeiten der örtlichen Gastwirtschaft: ein Regal abbeizen und neu einlassen, ein Ebay-Verkauf und Organisation, Werbemaßnahmen formulieren und durchführen, Marketingstrategien (ein undankbares Unterfangen, da der Gastwirt in der Masse verschwinden möchte) und zusätzliche Umsatzmöglichkeiten ausloten. Oder kleinste Schritte, den Gastwirt in die Geheimnisse der EDV einzuführen. Nun, hierfür brauche ich eben den im Proph-Forum erwähnten Schlepptop. Schließlich möchte man mit dem Gastwirt schnell mal einige Entwürfe durchgehen und auch direkt ändern. Oder vor Ort mal einfach bei Ebay reinschauen.

Neuerdings nutzen wir über unsere Gastwirtin auch für uns neue Einkaufsmöglichkeiten: Einkaufen in der Tschechei. Natürlich ist auch dort vieles teuer, doch drei Pfundbrote für 60 Cent oder ein Kilogramm Äpfel für 19 Cent oder fünf Kästen Bier für 10,- Euro machen schon auch ein bisserl was aus. Ansonsten gilt für unseren täglichen Verkehr in der Gastwirtschaft, daß wir rund 90 Prozent unseres Verzehrs dort nicht zahlen brauchen (und dürfen, weil der Gastwirt sonst beleidigt wäre)!

Das Highlight des vergangenen Wochenendes war ein Polizei- und Notarzteinsatz im Dorf. Davon spricht man sicherlich in fünf Jahren noch! Ein vor zwei Wochen zugezogener 40jähriger Mann, alleinstehend, schaffte es in diesem kurzen Zeitraum, der Hauptumsatzträger der Gastwirtschaft zu werden. Die von ihm bezogene (zugeteilte) und frisch renovierte Wohnung über der Kirche ist allerdings nicht mehr als solche erkennbar. Vorgestern wurde der Mann dann nach Intervention der Dorfgemeinschaft abgeholt! Hier geht das noch, daß aufgrund von Willensbekundungen der Bewohner ein Mitarbeiter der unautorisierten Stadtverwaltung (Bauhofmitarbeiter) sagt, der Mann würde "abgeholt".

Vergangene Woche lernte ich noch einen weiteren Dorfbewohner kennen: einen alten Mann, nur noch wenige Monate zu leben (Krebs), jedoch geistig fit wie kaum ein anderer und ungeheuer sozial aktiv. Ein ehemaliges Mitglied des Forschungs- und Wissenschaftsrates der DDR, laut eigenen Aussagen in unzählige Streitdispute mit Walter Ulbricht seinerzeit verstrickt. So lernt man allmählich die Dörfler und ihre Eigenheiten hier kennen.

Unsere neue Haustüre ist mittlerweile auch eingetroffen und gesetzt. Einen Unterschied im Wärmeverhalten des Hauses zu vorher ist jedoch nicht zu bemerken.

Im Judo gibt es für unseren Jungen allmählich regelmäßig Silber in den Turnieren. Gold hat er sich am vergangenen Wochenende im Leipziger Raum leider selbst verscherzt: Im Entscheidungskampf lag er in der Wertung weit vor seinem Kontrahenten, plötzlich, 25 Sekunden vor Kampfende, setzt er sich aus völlig ungeklärtem Beweggrund (er wollte etwas versuchen, sagt er) einfach auf den Boden und will einen Bodenkampf beginnen. Während der Festhalte wurde dann noch die Zeit angehalten, damit eine von ihm unbemerkte Gesichtsverletzung vom Notarzt versorgt werden konnte. Anschließend genügten ihm die verbliebenen 20 Sekunden zwar, sich aus der Festhalte zu befreien, reichte jedoch nicht mehr aus, durch den von ihm verübten Blödsinn dahingeschmolzenen Vorsprung durch einen entsprechenden Wurf wieder wettzumachen. Selber Schuld, kann ich nur sagen, und hoffen, daß er daraus etwas gelernt hat.

Nun gibt es absolut nichts mehr zu erzählen, daher werde ich nun wieder in meine Schreibagonie zurückfallen.

Liebe Grüße
Tawa

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