Das Leben wird ärmer @Andrea

Geschrieben von Tawa am 07. September 2004 09:17:31:

Als Antwort auf: Re: Tawa-Land geschrieben von Andrea am 06. September 2004 13:08:34:

Liebe Andrea,

Euren Schritt kann ich sehr gut nachvollziehen - bin ich doch auch regelmäßig davor, alles einfach hinzuschmeißen. Aber er stimmt mich auch sehr sehr traurig! Da muß ich Thorsten uneingeschränkt beipflichten.

Ihr wolltet Euch doch nach einem Anwesen in Ostdeutschland umschauen oder täusche ich mich da? Nein, gewiß nicht. Ich weiß, Ihr möchtet Euch Eigentum schaffen, und wenn Ihr schon Eure Kraft und Liebe in die Selbstversorgung steckt, dann möglichst auf der eigenen Scholle. Verstehe ich, geht mir ebenso. Nur... und mit dieser Ansicht stehe ich leider nicht alleine da: Wenn Ihr jetzt in die Stadt und dort einer abhängigen Arbeit nachgeht, wird es das gewesen sein! Eure lauteren Absichten und Vorsätze für die Zukunft stelle ich in keinster Weise in Abrede - ganz im Gegenteil - ich bin davon überzeugt, daß Ihr das auch so umsetzen wollt, wie Du es beschrieben hast.

Fünf Jahre schreibst Du. Daraus werden dann erst sechs, dann zehn. Es werden immer wieder Faktoren ins Spiel kommen, welche Euch vordergründig zu einer Verlängerung des Stadtasyls veranlassen werden. Schmeißt Ihr jetzt das Handtuch, wird aus Euren Plänen und Träumen nichts mehr werden, dafür weiß die Gesellschaft schon zu sorgen!!!

Assozial, Kindergebährmaschine, faules Pack... natürlich belasten solche Aussagen. Und daß das Verständnis innerhalb der Familie für eine andere Art zu leben, für Kinderreichtum und Verzicht mehr als nur dürftig ist, weiß ich aus eigener Erfahrung. Wie sollen dann erst die Nachbarn und weiter entfernt Bekannten dies verstehen? Auch wir müssen solche Sprüche immer wieder über uns ergehen lassen - aber entschädigen die Kinder und der Umgang mit ihnen, die Arbeit draußen auf dem Hof und die kleinen Glücksmomente zwischendurch, die Freude an einem gelösten Problem, uns nicht mehr als ausreichend für das erlittene Ungemach?

Liebe Andrea, Ehepaaren mit Kindern und einer gehörigen Portion Unternehmungsgeist kann man nur beglückwünschen für ihren Mut. Natürlich ist es nicht einfach, heutzutage diese Wünsche zu leben. Nur aufgrund der Umwelt zu resignieren ist nicht die Lösung, sondern ausschließlich ein Davonlaufen! Wer gibt Euch die Selbstachtung zurück, wenn Ihr Eure Träume nicht verwirklicht? Du wirst Zeit Deines Lebens unglücklich sein und Dir Vorwürfe machen! Warum, warum war ich damals nur so feige?

Einen kleinen Hof mein Eigentum zu nennen, wäre ein Wunschtraum von mir. Vielleicht wird er auch noch Wirklichkeit irgendwann - doch das liegt zunächst nicht in meinem Ermessen und ich arbeite auch nicht konkret durch Arbeit und Sparen darauf hin. Wir leben ausschließlich im Heute und Jetzt - versuchen es zumindest. Dadurch sind unsere Sorgen ungemein kleiner als die anderer, welche für morgen und übermorgen, für nach zehn Jahren und nach 20 Jahren planen. Du glaubst das nicht? Probiere es aus! Das Leben kann so schön sein, wenn man es zuläßt.

Ja, ich verstehe Euren Schritt, weil ich - wie gesagt - auch häufig solche Gedanken hege. Verständlich in der heutigen Zeit. Dann jedoch erfreue ich mich, trotz aller Widrigkeiten und Anfeindungen, an dem Wenigen, was wir bereits geleistet haben. Erinnere mich daran, wie schön die kleinen Momente zwischendrin sind, Momente, die kein anderer Mensch in der Stadt und in der Wohnsiedlung und mit einer auf Gedeih und Verderb geregelten gewerblichen Tätigkeit je erleben wird, einfach, weil diese Menschen ihre Sinne und Gefühle bereits verloren haben, ihr Maß für das Richtige. Und Du glaubst gar nicht, wie stolz ich dann auf mich sein kann, wenn ich wieder einmal meinen inneren Schweinehund überwunden habe, meinen Schweinehund, der gerne auch einmal vor dem Fernseher nach Feierabend in der Fabrik die Füße hochlegen und von einem Leben in Luxus und Bequemlichkeit, in Reichtum und Glückseligkeit und vielen Freunden träumen würde. Doch wer hat denn nun den wirklichen Reichtum, die Glückseligkeit und Gottes Segen? Jene, die immer nur von einem "besseren" Leben träumen, oder jene, die tagtäglich gegen die großen und kleinen Widrigkeiten ankämpfen? Jene, die täglich in den Supermarkt und das Fitneßstudio und die Fabrik und das Restaurant fahren, oder jene, die tagtäglich im Schweiße ihres Angesichtes versuchen, das Beste zu geben und auf Zerstreuung und Ansehen verzichten? Jene, die unbedingt ein größeres Auto als der Nachbar haben wollen? Oder jene, denen egal ist, was der Nachbar denkt und den Weg der Liebe gehen?

Sicherlich muß man Kompromisse eingehen, muß zurückstecken und versuchen, einen goldenen Mittelweg zu finden. Daß dies nicht einfach ist, behaupte ich auch gar nicht. Ich will Euch auch nicht ins Gewissen reden oder umstimmen, denn diese Entscheidung könnt nur Ihr alleine fällen. Aber schimpfen darf ich doch? :-). Versuchen, Dir ein paar Anregungen zu geben, wie Du wieder zu Dir selbst und Deinem Inneren findest? Ja, wenn Ihr Euren angekündigten Schritt wahr macht, wird die Welt wieder um ein großes Stückchen ärmer sein, wird der Weg für die anderen (wozu ich uns auch zähle) wieder ein Stückchen länger und beschwerlicher. Und diese zusätzliche Mühsal, welche Ihr uns mit Eurem Schritt zusätzlich auferlegt, nehme ich schon zum Anlaß, ein wenig traurig zu sein.

Gott segne und führe Euch zu Eurem Besten.
Tawa



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