Re: Veränderung sozialer Verhältnisse durch den Verzehr tierischer Produkte

Geschrieben von Ismael am 20. März 2004 12:36:50:

Als Antwort auf: Re: Veränderung sozialer Verhältnisse durch den Verzehr tierischer Produkte geschrieben von Johannes am 14. März 2004 22:45:59:

hallo maria, hallo johannes,

ich halte es für problematisch, unfreiheit, (lohn-)sklaverei, selbstversorgung und genuß von fleisch derart zu verquicken, wie es der autor hier tut.
ohne frage ist der flächenbedarf bei viehhaltung größer als er es bei reiner ackerwirtschaft wäre, dennoch haben selbstversorger die gemischte landwirtschaft betreiben einen großen vorteil gegenüber reinen ackerbauern, da sie bei abwechselnder nutzung der fläche als weide und ackerland den boden nicht auslaugen. sicher ist hier auch viel durch geschickten fruchtwechsel zu erreichen, aber grade bei kleineren anwesen ist die düngung mit der hinterlassenschaft der nutztiere wohl die einfachere lösung.
die beschriebenen zusammenhänge zwischen viehzucht und sozialen- und gesellschaftlichen veränderungen mögen durchaus eine rolle gespielt haben, letztendlich waren aber andere entwicklungen, in erster linie die voranschreitende urbanisierung auslösend für die veränderungen.
die poebene wurde nicht gerodet um dort viehzucht betreiben zu können, sondern der riesige holzbedarf der immer größer werdenden städte ließ die waldgebiete schrumpfen. wenn die germanischen siedler nun ackerbau und viehzucht betrieben, dann wohl in erster linie, um mehrere ressourcen gleichzeitig zu nutzen und weniger um sich via sonntagsbraten freiwillig zu unfreien zu machen.

für diejenigen unter uns, die sich selbstversorgen wollen und auch die möglichkeit dazu haben, halte ich eine kombination aus ackerbau und viehhaltung für die praktikablere lösung. wer sich einigermaßen gesund ernähren will, sollte ja nur einen bruchteil der menge fleisch zu sich nehmen, die heutzutage als normal angesehen wird ("rotes" fleisch 2-3x im monat und nicht täglich!), für eine durchschnittsfamilie reicht da ein schwein pro jahr völlig aus.

ein weiterer punkt der für nutztierhaltung spricht ist die tatsache, das bodenbearbeitung mit menschlicher muskelkraft ein hartes brot ist. ohne maschinen geht da nur ein ochse oder im besten fall ein pferd. wer ein pferd hält, braucht neben weidefläche auch noch eine erklägliche menge hafer und darüber hinaus winterfutter in form von heu. das erhöht den flächenbedarf natürlich enorm, aber wie schon oben angesprochen kann man ackerflächen ja von zeit zu zeit in weideflächen umwandeln um dem boden nicht zu sehr zu beanspruchen. wenn sowieso schon ein pferd auf der weide steht, können dann auch noch ein paar schafe dazugesellt werden. der flächenbedarf steigt nur unwesentlich und man kann gegebenenfalls seine eigene wolle herstellen. ein lammbraten zu ostern ist dann natürlich auch drin!
mir scheint der autor mit seinen ausführungen wohl doch eher die werbetrommel für eine vegetarische lebensweise zu rühren, was ansich okay ist, aber er macht es sich doch ziemlich einfach, wenn er einen kausalen zusammenhang zwischen unfreiheit und den verzehr tierischer produkte herstellt. wie johannes ganz richtig angeführt hat, ist die tatsache, das eine größerwerdende bevölkerung es notwendig machte das sich einzelne in "lohnsklaverei" begaben und sich nurmehr mittelbar selbstversorgen konnten, in dem sie waren des täglichen bedarfs einkauften, anstatt sie selbst herzustellen, ein wesentlicher faktor für die gesellschaftlichen und sozialen veränderungen, die in der vergangenheit vonstatten gingen.
in heutiger zeit leben die allermeisten menschen als "lohnsklaven", allerdings was europa angeht meist garnicht so schlecht! man sollte die kirche also besser im dorf lassen. sich selbst zu versorgen ist eine sehr befriedigende sache. ob es nun ein kleiner garten ist, in dem gemüse und salat angebaut werden oder ein kleines anwesen, daß eine nahezu unabhängige lebensweise ermöglicht, hängt wohl von den persönlichen voraussetzungen ab. wer seine selbstversorgung ohne tierische produkte realisieren möchte, mag das tun, das allerdings als "die bessere selbstversorgung" zu preisen, scheint mir allerdings absurd!

Ismael



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