Waffen & Waffenrecht in Deutschland

Geschrieben von wikking am 22. Dezember 2002 00:17:13:

Waffen & Waffenrecht in Deutschland


Hallo zusammen...

wie versprochen, hier ein Beitrag über legale Waffen und Waffenbesitz in Deutschland.

Aus der Sicht der Schweizer und Österreichischen Foris (und auch aus meiner eigenen norwegischen Sichtweise) ist das deutsche Waffenrecht extrem streng, teilweise sogar ziemlich unlogisch, doch bekanntlicherweise ist es nach dem Vorfall in Erfurt deutlich verschärft worden. So beziehe ich mich in meinen Äußerungen bereits auf die Zeit nach dem 1.4.2003, wo das neue Waffenrecht in Kraft treten wird.
Dieses posting wurde vom Leiter der Waffenrechtsabteilung eines bayrischen Ordnungsamtes auf Richtigkeit überprüft, dem Forumsmaster ist der entsprechende Name und das Ordnungsamt bekannt. Dieser Hinweis erscheint mir juristisch wichtig.

Im Gegensatz zu USA, wo beispielsweise in Zeiten erhöhter innerer Gefährdung der Verkauf von scharfen Selbstverteidigungswaffen in die Höhe schnellt und die Behörden relativ problemlos eine Erlaubnis zum "Verdeckten Tragen einer Kurzwaffe i.d. Öffentlichkeit" ausstellen, geht das deutsche Waffenrecht davon aus, daß es (nicht nur in Krisenzeiten) im öffentlichen Interesse läge, daß möglichst wenig Waffen in der Bevölkerung vorhanden sind.
Es ist nicht Aufgabe dieses Artikels, den Sinn oder Unsinn solcher Verordnungen zu diskutieren und die dadurch erfolgte Entmündigung des gesetzestreuen Bürgers zu kritisieren, wir sollten uns nur vor Augen halten, daß es sicher nicht im Sinn der Allgemeinheit liegt, wenn heutzutage viele Bürger ganz legal mit einer Pistole in der Tasche durch die Straßen laufen würden. Den Behörden und dem Gesetzgeber ist sehr wohl bewußt, wie sehr - aufgrund des engen Zusammenlebens der Menschen und des psychischen Drucks allerorts - die Gewaltbereitschaft in den Bevölkerung ansteigt. Und wenn mehr scharfe Waffen legal geführt werden dürften, wären Straßenschlachten und Selbstjustiz möglicherweise rasch in Deutschland ebenso an der Tagesordnung, wie es teils in USA schon vorkommt.

Wichtig ist zunächst die Tatsache, daß nach dem neuen Waffenrecht bereits Messer, Signalpistolen, Schlagstöcke, etc., teils also auch alltägliche Gebrauchsgegenstände, als "Waffe" eingestuft werden. So macht sich zum Beispiel bereits jemand strafbar, der eine völlig harmlose Signalpistole mit einer 6mm Platzpatrone in der Tasche hat, wenn er zum Fußballstadium geht, da (sogar mit Waffenschein!) niemals eine Waffe an einer öffentlichen Veranstaltung geführt werden darf.
Gewisse Messer (wie z.B. spezielle Klappmesser "Butterfly") zählen ab 1.4. zu den "verbotenen Gegenständen", ähnlich einer Pumpflinte mit Pistolengriff, und sogar deren Besitz ist strafbar.
Jeder der in einem Notfall-Rucksack ein Messer einpackt, sollte sich also vor dem 1.4.03 nochmals bei seinem zuständigen Ordnungsamt erkundigen, ob es legal ist, ein spezielles Messer dabei zu haben.

Ich zähle im folgenden verschiedene Möglichkeiten von legalen Selbstverteidigungs-Möglichkeiten auf, wobei DRINGENDST erwähnt werden muß, daß all diese Waffen ausschließlich in einer Notwehr- oder Notstands-Situation verwendet werden dürfen. Nach deutschem Recht ist es z.B. kein Notstand, wenn dich ein geistig Zurückgebliebener anpöbelt und "am Kragen packt". Der Gesetzgeber erwartet, daß man gewaltlose, geeignete Möglichkeiten wählt, um ihn loszuwerden bzw. einem Angriff entgeht. Ein Notwehr liegt ausschließlich dann vor, wenn ein Angriff unmittelbar bevorsteht bzw. schon begonnen hat. Die Rechtssprechung ist hier ziemlich restriktiv, jede Art von "Rambo-Selbstjustiz" wird von den Gerichten recht hart angegangen.
Sogar im (im Vergleich zu Deutschland sehr liberalen) norwegischen Waffenrecht ist die Selbstverteidigung mit einer Waffe äußerst begrenzt. Ein Beispiel: es kam nicht weit von uns entfernt einmal vor, daß nachts in einer Jagdhütte eingebrochen wurde. Während der Dieb gerade einen Schrank mit Wertgegenständen knackte, wachte der Besitzer auf, packte ein Jagdgewehr und schoß dem Einbrecher ins Bein, als als er ihn angreifen wollte. Ergebnis: der Dieb bekam eine Geldstrafe wegen versuchten Einbruchs, der Inhaber der Hütte würde zu mehreren Jahren Haft wegen Körperverletzung verurteilt und verlor die Jagdlizenz, denn der Einbrecher hatte keine scharfe Waffe dabei, sodaß Notwehr nicht anerkannt wurde.
Es ist also äußerst wichtig, daß sich jeder, der beschließt, Selbstverteidigungs-Waffen zu besitzen, ausführlich mit Notwehr- und Notstands-Recht befaßt !

Nun zu den Waffen selbst:

a) Gas- und Pfeffersprays
Hochwirksame Chemikalien, obwohl meist nur für Abwehr von Tieren zugelassen. Nach neuem Waffengesetz bereits ab 14 erhältlich und mit sich führbar. Diese Sprayflaschen reichen bis zu 2m und befördern ein Reizgas in Augen und Atemwege eines Angreifers, das ihn eine Zeitlang außer Gefecht setzt.

b) Legale Messer
Bitte genau erkundigen nach Legalität (kommt auch auf die Klingenlänge an, wenn es sich um Klappmesser handelt). Messer sind zur Verteidigung nur sinnvoll, wenn jemand wirklich gelernt hat, damit umzugehen. Ich persönlich halte es für wesentlich sinnvoller, regelmäßig Kampfsport zu trainieren, wobei ich persönlich Teak Won Do als effektivste Verteidigungsmöglichkeit empfinde. Dessen Übungen kann man auch täglich selbst trainieren.

c) "Getarnte" Gegenstände
Durchwegs verboten. Wer z.B. in einem Regenschirm nach "James-Bond-Art" ein Florett versteckt und damit erwischt wird, macht sich sofort strafbar.

d) Reizstoff- und Signalpistolen
Die zur Zeit effektivste, frei verfügbare Selbstverteidigungsmöglichkeit. Die Pistolen sind ab 18 Jahren frei verkäuflich, dürfen nach neuem Waffenrecht aber nur zuhause (Wohn- und Geschäftsräume und "befriedete Grundstücke") verwendet werden. Wer sie in der Öffentlichkeit führen will, braucht einen behördlichen "kleinen Waffenschein". Dieser ist beim Ordnungsamt ab 1.4. unter Angabe des Grundes und nach erfolgter kompletter Überprüfung der Person erhältlich. Nochmals: selbst der Waffenschein berechtigt NICHT, so eine Pistole an öffentlichen Veranstaltungen zu führen (wo viele Menschen zu erwarten sind).
Bis 1.4. langt zum Führen in der Öffentlichkeit der Personalausweis.
Achtung: Obwohl eine Gaspistole keine Schußwaffe ist, die ein Projektil verschießt, kann ihre Verwendung im schlimmsten Falle auch tötlich sein, z.B. wenn die Mündung der Waffe auf die Schläfe oder Halsschlagader aufgesetzt wird. Diese Waffen sind also alles andere als ein "Spielzeug".

e) Scharfe Schußwaffen.
Wer bereits Jäger oder Sportschütze ist, kennt sowieso die entsprechenden Gesetze.
Der Besitz und die sogenannte "tatsächliche Ausübung der Gewalt über die Waffe" ist nur in den eigenen 4 Wänden oder auf eigenem Grundstück erlaubt. Nötig zum Kauf und zum Besitz ist eine sogenannte WBK, Waffenbesitzkarte, die vom Ordnungsamt unter folgenden Bedingungen ausgestellt wird: a) Bedürfnisnachweis (= erfolgte Jägerprüfung oder langzeitige Mitgliedschaft in einem Schützenverein) b) Überprüfung der Zuverlässigkeit der Person (ggfs. auch mit psychiatrischer Untersuchung, wenn man noch nicht 25 Jahre alt ist) c) Sachkundigkeit (man muß eine Prüfung in Waffen-Sachkunde ablegen).
Lt. neuem Waffenrecht wird auch das Bedürfnis regelmäßig nach-geprüft. Mitgliedschaft im Schützenverein langt also nicht, man muß auch regelmäßig zum Training kommen.
Eine scharfe Schußwaffe darf in der Öffentlichkeit nur mit Waffenschein geführt werden, was nach deutscher Rechtssprechung aber fast unmöglich als Privatperson zu erhalten ist, es sei denn, man wird behördlich als "Person mit besonderer Gefährdung" eingestuft, Minister, Kripo-Beamte, Leibwächter etc.
Ausdrücklich muß vor einer Denkweise gewarnt werden, daß es ja sowieso keiner merken würde, wenn man eine legal erworbene Pistole im Handtäschchen dabei hat. Denn wenn man doch in eine zufällige polizeiliche Kontrolle kommt, sind mehrjährige Haftstrafen garantiert.
Eine scharfe Schußwaffe sollte als Verteidigungs-Möglichkeit also ausgeschlossen werden, es sei denn wirklich im eigenen Haus ... und dann auch nur unter der Voraussetzung, daß der Angreifer ebenso bewaffnet ist. Doch selbst dann ist's ein großes Risiko. Stellt Euch vor, Ihr liegt nachts im Bett, die Pistole liegt schön brav im Waffenschrank, Stufe B, wo sie auch hingehört. Es kracht und splittert ... und eine Bande Mafiosi steht in Wohnzimmer, alle mit Maschinenpistolen etc. bewaffnet. Selbst wenn jemand eine Schützen-Ausbildung á la GSG9 hätte, käme er niemals rechtzeitig zum Waffenschrank, um seine Kanone rechtzeitig zur Selbstverteidigung herauszuholen.

f) andere "freie" Schußwaffen
Darunter zählen frei verkäufliche Soft-Air-Pistolen, Luftpistolen und Vorderlader.
Verwendbar sind auch sie nur in den eigenen 4 Wänden, ab 1.4.03 zählen sogar die (bisher als Spielzeug geltenden) 5,5mm Softair-Pistölchen als "Waffe" im Sinne des Waffenrechts und dürften in der Öffentlichkeit nur mit Waffenschein geführt werden. Eine Luftpistole zur Selbstverteidigung einzusetzen, ist sowieso wenig sinnvoll, da sind Reizstoff-Waffen sicher wirkungsvoller.
Vorderlader sind zwar freie Waffen ... und die schönen alten Bleikugeln sind auch frei (oder selbst herstellbar), doch das nötige Schwarzpulver fällt unter das Sprengstoffrecht. Es ist illegal, sich selbst sein Pülverchen aus Kohle, Salpeter und Schwefel zu mixen, zumindest, wenn die Mixtur für eine Waffe verwendet werden soll. Wer Vorderlader-Schießen betreiben will, braucht also zuerst die entsprechende Sprengstoff-Erlaubnis vom Ordnungsamt, und diese wiederum ist nur nach erfolgter Sprengstoff-Prüfung und Mitgliedschaft im Vorderlader-Schützenverein erhältlich.

Das Wichtigste für jemanden, der sich eine legale Selbstverteidigungs-Waffe zulegen möchte, welcher Art auch immer, sollte der zuvor klärende Anruf oder Besuch beim Ordnungsamt oder der Polizei sein. Ich habe mit beiden Behörden in dieser Hinsicht die allerbesten Erfahrungen machen können. Man wird wirklich ehrlich und fundiert beraten, wenn man seine Absicht kundtut, sich eine Selbstverteidigungswaffe zuzulegen. Denn die Behörden wissen auch, daß jemand, der Illegales mit einer Waffe vorhat, niemals wegen einer Erlaubnis zur Behörde gehen würde. Und da im deutschen Grundgesetz die "Unversehrtheit von Leib und Leben" ebenso klar verankert ist, wie der Grundsatz "Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen", wird man nicht gleich als potentieller Terrorist abgestempelt, wenn man sich nach legalen Waffen erkundigt, sondern wohlwollend und zuvorkommend behandelt.
Mißtrauen bringt dem legalen Waffenbesitzer in Deutschland nur die "Öffentlichkeit" entgegen, zumal das Attentat in Erfurt mit einer legal besessenen Waffe begangen wurde.
Und dies sollte man bedenken und respektieren und nicht überall herumerzählen, daß man plötzlich seinen Gasrevolver in der Hosentasche trägt.
Mit Waffen ist's letztlich wie mit dem Kampfsport, wo die Regel gilt: Kämpfen zu lernen, um (aufgrund der hohen Selbstsicherheit) nicht kämpfen zu müssen. Ich selbst übe regelmäßig - und fühle mich dadurch wesentlich sicherer, als durch die Tatsache, daß ich eine Jagdlizenz habe. Der bewußte Umgang mit dem Leben und mit seiner eigenen Stärke wird den Einzelnen stets besser durch brenzlige Situationen kommen lassen, als das Mitsichführen einer Waffe, die man im Zweifelsfall wohl eher zu früh zückt, als im wirklichen Notfall.
Und wer zu den "Privilegierten" zählt, und die behördliche Erlaubnis für den Besitz einer scharfen Waffe zu Jagd- oder Sportzwecken bekommt, der handelt sich zuallererst einmal eine immense Verantwortung und Verpflichtung ein (allein der Transport und die Aufbewahrung sind streng geregelt), statt die große Freiheit.

Abschließend ist zu sagen, daß die primär ideale Selbstverteidigung für den Fall einer zivilen Not-Situation in Deutschland wohl der intensive Kampfsport ist (ganz davon abgesehen, daß dieses Training auch die geistige Flexibilität weitet !), erst in zweiter Linie eine Reizstoff-Pistole.

Ich wünsche Euch viel Spaß beim entsprechenden Training !

Herzlichst
wikking



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