Bitte die Zeit bedenken
Geschrieben von franke43 am 05. Februar 2004 08:44:18:
Als Antwort auf: Re: "Raub zur Arbeit wird und Mord zur Gier" geschrieben von DaveRave am 04. Februar 2004 23:39:53:
Hallo
>>was Du mir da zu lesen gegeben hast, tut mir in der Seele weh. Goethe und >>Schiller unpolitisch?
>>Im Hinblick auf Goethe kann man das mit sehr viel Wohlwollen durchgehen >>lassen, obwohl auch das Einverstanden-Sein mit der feudalen Ordnung sicher >>nicht als unpolitisch zu bezeichnen wäre, sondern als konservativ, vielleicht >>reaktionär. Und selbst da wäre, unter dem Aspekt der US-amerikanischen >>Hegemoniepolitik zu fragen, ob die verwendeten Zuschreibung nicht überdacht >>werden sollten?
>>Aber bei Schiller, wie kommst Du darauf? Seine Räuber unpolitisch, der Don >>Carlo und erst recht der Wilhelm Tell.
>Hallo Marc,
>nochmal: Der Text stammt nicht aus meiner Feder.Aber Du hast ihn zitiert, und das ist eine bewusste Wahl. Und
an den Autor des Textes direkt reichen wir mit unserer Kritik
leider nicht heran. Er hätte es verdient, ins rechte Licht
gerückt zu werden.>Ich persönlich würde Schiller auch nicht als absolut unpolitisch beschreiben, >dennoch erachte ich ihn mehr als einen historischen Themen und >Persönlichkeiten zugedachten Dramatiker, als einen Umstürzler, der den status >quo in seinem Land bekämpft und überwinden will.
Umstürzler sein wurde damals (und auch später noch) mit dem
Tod bestraft. In Schillers Fall war "sein" Land das
Herzogtum (später Königreich) Württemberg. Der aufmüpfige
Dichter Schubarth war "nur" im Staatsgefängnis Hohenasperg
gelandet. Das hatte Schiller vor Augen, als er im jugend-
lichen Sturm und Drang seine Dramen gegen Tyrannei und
Fürstenwillkür schrieb.Dass sich ein Historiker der Geschichte zuwendet, wo er kritische
Vergleiche ziehen kann und die Situation seiner Zeit besser
beurteilen kann - wer wollte ihm das übelnehmen.Und dass Schiller 1789 mit 30 aus der ersten Strassenkämpferzeit
raus war - damals machte man schneller Karriere als heute, man
konnte mit 17 oder 18 an der Uni anfangen und mit 30 eine
Professur innehaben. Die Menschen lebten kürzer, und auch die
Karrierewege waren kürzer als heute.>Den Sturm und Drang des 1777 unter dem Eindruck der Aufklärung geschriebenen >Dramas"Die Räuber" legt Schiller meines Erachtens mit Jahren immer mehr ab, er >scheint sich mit seiner Umgebung weitgehend etabliert zu haben. Spätestens ab >1789, seit Schiller seine Professur für Geschichte in Jena unterhält, wird >diese Tendenz m.E. immer deutlicher.
S.o. Bei der damaligen Lebenserwartung eine normale Entwicklung.
Wenige wurden so steinalt wie Goethe.>Bis auf ein herzogliches Schreibverbot, das ihm als Regimentsmedikus in >Stuttgart kurzzeitig traf, und das er dann durch Übersiedlung nach Mannheim, >später Frankfurt und Oggersheim umging, sind mir keinerlei Reppressalien >aufgrund aufrührerischer politscher Schriften bekannt.
Man hatte es wohl geschafft, mit Schubarth zu drohen, der extra
zwecks Inhaftierung auf württembergisches Territorium zurückgelockt
worden war.>Natürlich wurde das Leben des "Moral-Trompeters von Säckingen", wie Nietzsche >ihn nannte, später gerne als Grundlage für allerlei Legendenbildung in >punkto "Freiheitskämpfer"verwendet, der Wahrheit entsprach es m.E. nicht. >Nicht daß wir uns falsch verstehen, seine literarischen Leistungen erachte ich >dennoch als herausragend.
Man darf von einem biederen Schwaben nicht einen Robespierre
erwarten. Der Verlaugf der französischen Revolution, die in
der neuen Tyrannei eines Napolen I endete, war auch immer
weniger ermutigend.>Viele Grüße!
>DRAuch
Franke