Re: Norden vs. Süden: Probier's doch mal mit Geschichte...
Geschrieben von Johannes am 27. Januar 2004 00:36:53:
Als Antwort auf: Re: Norden vs. Süden: Probier's doch mal mit Geschichte... geschrieben von Nerwen am 26. Januar 2004 21:44:15:
> In dieser ganzen Diskussion gehts ja wohl weniger um den wenig fruchtbaren
> Schuld-Begriff, als vielmehr um einen unaufgeregten Blick auf Ursache und
> Wirkung.
Hallo Nerwen,
ich finde das ein interessantes Thema. Nichts direkt Prophs, aber eine gute Grundsatzdiskussion. Und vieles sehe ich ähnlich wie Guerrero.
> Und damit sind alle gemeint: Franzosen, Briten, Belgier, Deutsche. So ziem-
> lich alle, die dem Wahn unterlegen waren, jedes Land dass sie "entdecken" als
> ihr eigenes zu annektieren und auszubeuten sowie jede dort heimische Bevöl-
> kerung zu unterwerfen und mit europäischer Zivilisation, Kleidung, Technologie
> (Waffen) und Religion zwangszubeglücken.Hm, Du zählst jetzt nur westliche Staaten auf. Liegt das nun aber in der Natur dieser westlichen Staaten, daß sie so handeln, wie Du es hier erwähnst, oder nicht ganz einfach an ihrer weiter entwickelten Technik?
Meine These: Fast jedes der kolonialisierten Länder hätte genauso gehandelt, wenn es die Möglichkeiten gehabt hätte. Hatten sie nicht, so haben sie es im kleinen gemacht. Sklaven aus den Nachstämmen gehalten, Dörfer niedergebrannt, etc. Und die, die friedlicher waren, waren überwiegend die mit viel Raum, die vom Krieg also auch kaum profitiert hätten. Daß der Westen diese diese herausragende Stellung einnimmt, liegt nicht im Westen selbst begründet, sondern in den besseren technischen Möglichkeiten und eben dem Nutzen, den er dadurch hatte. Hätten die anderen umgekehrt genauso gemacht.
> Und DARAN leidet Afrika bzw. der Süden heute noch. Selbst nach Ende der
> Kolonialzeit hat sich daran nicht viel geändert.Ja, so ist das bei jedem besiegten Land. Der Sieger schreibt die Geschichte und die anderen haben sich gefälligst zu beugen. Ist aber ebenfalls nicht spezifisch westlich.
> Aus Gründen des angeblichen Kampfes gegen den Kommunismus/Kapitalismus
> (heute heisst das Prinzip halt "Kampf gegen den Terror", die Mittel bleiben
> dieselben) wurden korrupte und hörige Regierungen eingesetzt und an der Macht
> gehalten, egal ob sie Schlächter waren oder nicht.Und von östlicher Seite hieß es "Kampf gegen den Imperialismus" oder es ging um "die Unterstützung des heldenhaften Befreiungskampfes", womit diverse westlich orientierte Staaten destabilisiert werden sollten. Jeder findet seine Begründung. Der Westen ist in der Ausführung da eher der harmloseste, würde ich sagen. Aber auch hier sehe ich andere keinesfalls als besser an, sondern jeder unterstützt oder destabilisiert andere Regierungen/Staaten nach seinen Kräften und Möglichkeiten.
In der Art könnte ich jetzt weitermachen. Aber auf was ich hinaus will:
Guerero:
>> Man sehe sich nur die Einschaltquoten im Fernsehen an.
>> Sendungen mit tiefen, primitiven, primidoofen Niveau
>> haben die höchsten Einschaltquoten.
>> Gerne suhlen sich Menschen im geistigen Unrat und Schlamm,
>> der ihnen vorgesetzt wird.Nerwen:
> Schon klar, neben jeder Fernbedienung steht der freundliche Herr von RTL
> mit der Pump-Action und kontrolliert, dass du ja nicht weiterzappst. Man
> stelle sich mal vor, es gibt sogar sowas erstaunliches wie einen On/Off-
> Knopf... kaum zu glauben...Also entweder habe ich jetzt die Pointe verpaßt oder muß Dir widersprechen... ;-)
Das ist doch genau das, was Guerrero sagt! Jeder hat seinen Ausschaltknopf! Nicht die sind also allein verantwortlich, die den Schund senden, sondern die, die sich den Schund ansehen ("Ich bin ein Star" hatte Einschaltquoten von teils über 30%!)
Und was auch hier im Forum immer wieder passiert, das ist, "denen da oben" die Schuld zu geben. Aber es ist nicht nur der RTL-Chef schuld, sondern genauso diejenigen, die durch das Sehen der Sendung die Einschaltquoten erhöhen und so solche Sendungen durch die Werbeeinnahmen erst attraktiv machen.
Natürlich hast Du recht, daß westliche Firmen vom Nord-Süd-Gefälle profitieren. Aber ebenso profitieren östliche Schwarzarbeiter vom West-Ost-Gefälle. Jeder nutzt seine Möglichkeiten.
Ich sehe das zuerst einmal neutral. Richtig problematisch wird es erst, wenn die Sache durch die Ausmaße zum Selbstläufer wird. Es ist also etwa so wie beim Zins: Ein bißchen Leihen und dafür Zins zahlen ist normal und kann für beide Seiten sinnvoll sein. Nicht der Zins an sich ist verwerflich, auch nicht das Leihen. Wer sich aber immer mehr verschuldet, der kommt schnell in die Zinses-Zins-Falle. Und ein ähnliches Problem haben wir durch die zunehmende Globalisierung. Was früher durch die Grenzen der Nationalstaaten gestoppt wurde, hat nun auch Auswirkungen auf bisher unbeteiligte Staaten.
Nur - daran hat nicht der Westen schuld (im Sinne der Regierungen), sondern als Lösungsansatz müssen wir erst einmal erkennen, daß wir (oder zumindest die meisten) doch im Endeffekt genauso sind. Nur eben mit weniger Möglichkeiten.
Aber genau das wird verhindert. Im Forum teils durch die Thesen, wenn "die da oben" nur anders wären, dann ginge es uns und der Welt besser. Der Schwarze Peter ist gefunden, und wir können uns entspannt im Bewußtsein zurücklehnen, das falsche Spiel "der anderen" durchschaut zu haben.
Parallel dazu wird mehr und mehr alles Konservative angelehnt, alles was einen gewissen Halt und eine Ordnung bietet. Ich meine jetzt nicht etwas im Sinne von "Law and Order"-Denken, sondern ich meine die mehr oder weniger bewußte Abschaffung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft. Das Wissen, daß es Gott oder zumindest ein höheres Wesen gibt, dem wir verantwortlich sind, wird verdrängt. Jede Gleichmacherei darf gelehrt werden, aber wehe, jemand sagt, daß Gott in der Bibel klare Gebote gesetzt hat, die für den Halt eines Volkes wichtig sind.
Sicher, den letzten Absatz habe ich bewußt ein wegen übertrieben dargestellt und ich weiß, daß nicht alles abgelehnt wird. Aber es ist (seit "68") eine klare Richtung zu erkennen, in die es geht. Und genau hier müßte angesetzt werden, was aber durch die "die da oben sind schuld"-Diskussionen verhindert wird.
Denn was haben wir denn, im Sinne der nüchternen Bestandsaufnahme, für eine Situation? Wir haben heute eine Machtkonzentration der Firmen, wie sie früher durch die Nationalstaaten unmöglich waren bzw. es natürliche (Landes)Grenzen gab. Zusammen mit der Verschuldung der Staaten und der daraus folgenden Abhängigkeit wird der Einfluß der Großkonzerne noch stärker.
Aber wie wird jetzt darauf regaiert? Mit einer Rückbesinnung auf natürliche Werte und auf die "Keimzelle des Staates"? Nein, aber das wäre sinnvoll. Es wäre auch sinnvoll, nationale Politik zu betreiben. Du kannst das auch als "lokales Wirtschaften" bezeichnen, wenn Dir das besser gefällt. Es geht mir nicht um Nationalismus, sondern es geht mir um unabhängige Nationalstaaten, die quasi die Keimzellen der Völkergemeinschaft bilden, wie es die Familien für den Staat sind. Fehlen die klaren Familien, so gibt es entwurzelte Kinder, die leichter beeinflußbar sind. Fehlen Nationalstaaten (oder eben weitgehend autonome, unabhängige Gebiete), so können sich schädliche Entwicklungen überall aufschaukeln. Wie eben der Zinses-Zins.
Was wird aber nun gemacht? Gerade diejenigen, die die Probleme der unbeschränkten Globalisierung sehen, die bekämpfen gern diejenigen, die für klare Einheiten sind (Nationalstaaten). Und so lähmen sie sich gegenseitig, statt sich zu unterstützen.
Okay, das war jetzt viel politischer als eigentlich gewollt. Aber um es nochmal zusammenzufassen: Wenn wir sagen, "die da oben" sind schuld, oder immer wieder betonen, wie schlimm doch der Westen sei - dann haben wir zwar teilweise recht, aber genau das verhindert eine grundsätzliche Lösung. Und die grundsätzliche Lösung fängt im Kleinen an, beim Einzelnen. Bei der Familie, in der Nachbarschaft, ggf. im lokalen Wirtschaften, etc. Nicht im Kampf gegen "die da oben" oder die "bösen Amis". Und das ist der Grund, weshalb ich Guerreros Kritik teile.
Guerrero:
>> Die Amerikanische Politik ist die Ursache allen Übels.
>> Amerika wollte die ersten Weltkriege und will und braucht nun den 3.
>> Weltkrieg.
>> Würde die USA ausgelöscht, entstünde als Folge das Paradies auf Erden.
>> Etc.Nerwen:
> Völliger Blödsinn, schon klar. Habe hier und auch sonstwo auch noch nie
> eine entsprechende Argumentation gefunden.Es war überspitzt formuliert, aber so ähnliche Aussagen hört man schon öfters, auch hier. "Die Illus wollen den Weltkrieg", "Die Börse braucht den Krieg, also werden Gründe gefunden", oder so ähnlich.
> Schon klar, neben jeder Fernbedienung steht der freundliche Herr von RTL
> mit der Pump-Action und kontrolliert, dass du ja nicht weiterzappst. Man
> stelle sich mal vor, es gibt sogar sowas erstaunliches wie einen On/Off-
> Knopf... kaum zu glauben...Wie gesagt: Wem mein Gerede zuviel war, das ist der Kernsatz, den ich unterstütze. Nur müssen wir das auch verwirklichen. Also: Ich bin verantwortlich, nicht die Politiker oder die Großfirmen etc. Das wird aber sehr gern vergessen. Macht es ja auch einfacher, wenn man die Schuld delegieren kann.
Uff, erleichert ;-)
Gruß
Johannes
- Re: Der Mensch als Vieh... Nerwen 27.1.2004 11:46 (0)