"Hubbert's Peak" / Einige Überlegungen zur (britischen) Seemacht

Geschrieben von Swissman am 25. Januar 2004 21:34:15:

Als Antwort auf: China und der Nahe Osten geschrieben von King Henry am 25. Januar 2004 04:08:54:

Hallo Henry,

China hat jedenfalls keine Wahl. Das Öl aus Brunei, Malaysia und Indonesien ist viel zu wenig, um auch nur die gewaltige chinesische Volksverknechtungsarmee in Bewegung zu halten. Sie werden also versuchen müssen, über Land wenigstens einen Teil zu transportieren, da der Seeweg wohl sehr riskant sein wird.

Diese Einschätzung teile ich. Hinzukommt, dass das Erdöl-Fördermaximum, wenn nicht in naher Zukunft neue Vorkommen in erheblichem Umfang gefunden und erschlossen werden können, laut seriösen Berechnungen irgendwann zwischen 2005 und 2012 erreicht sein wird (= "Hubbert's Peak"). Die dann erreichte Fördermenge wird man wohl einige Jahre lang halten können, danach sinkt die Produktion unaufhaltsam, sich langsam aber sicher beschleunigend.

Stagnierende, bzw. sinkende Erdölförderung bei gleichzeitig steigendem Bedarf wird die Lage, unabhängig von sonstigen Entwicklungen, deutlich verschärfen - früher oder später werden diejenigen Staaten, die die Mittel dazu haben, versuchen (müssen), die eigene Versorgung - auf Kosten der militärischen Habenichtse - auch mit Waffengewalt aufrechtzuerhalten. Dass sich die Grossmächte dabei früher oder später ins Gehege kommen ist unausweichlich.

Ich gehe davon aus, dass diese Berechnungen der US-Regierung bekannt sind (Bush hat schliesslich genügend Leute aus der Ölindustrie in seiner Mannschaft), und dass diese bei der Invasion im Irak eine wesentliche Rolle spielten - mutmasslich war der abzusehende "Hubbert's Peak" dabei wesentlich wichtiger, als die Frage der Massenvernichtungswaffen. - Natürlich kann man das der Öffentlichkeit nicht so direkt sagen, ohne dadurch die "Friedensbewegung" mit ihrem naiv-dümmlichen "Kein Blut für Öl" auf die Strasse zu bringen. Dabei sollte es doch eigentlich jedem klar sein, dass die Industriestaaten, bis zur Einführung brauchbarer Alternativen, auf Gedeih und Verderb vom Erdöl abhängig sind.

Die Rotchinesen investieren übrigens schon seit einigen Jahren erhebliche Summen in den Bau von Hydrierwerken zur Gewinnung synthetischer Treibstoffe auf Stein- und Braunkohlenbasis - Rotchina verfügt zwar nur über geringe Erdöl-, aber über umso gewaltigere Kohlelagerstätten. - Deutschland wäre gut beraten, denselben Weg zu gehen. Tatsächlich wären synthetische Treibstoffe bereits heute konkurrenzfähig, wenn man sie zumindest teilweise von der Treibstoffsteuer befreien würde. Neben der erhöhten Versorgungssicherheit liessen sich auf diese Weise auch tausende, wenn nicht zehntausende Arbeitsplätze im Bergbau schaffen.

Auf die USA setze ich allerdings keinen Pfifferling. Die ganze islamische Welt, dazu 1,4 Milliarden Chinesen und vielleicht Indien mit 1 Milliarde Menschen (die pokern offfenbar noch um die Gunst der USA oder Rußlands ...) - da nutzen ihnen die ganzen tollen Schiffe und Flugzeuge nichts mehr gegen diese kontinentalen Riesenarmeen.

Gerade darum ist es von grösster Wichtigkeit, taktische, "saubere" Atomwaffen in erheblicher Zahl bereitzustellen, die man auch tatsächlich auf dem Gefechtsfeld einsetzen kann - die Rede ist von Neutronenbomben und "Mini-Nukes" sowie den neuen Isomer-Waffen.

Und damit kann ich auch Feldmarshal Montgomery widerlegen, der behauptet hat, das alle wichtigen Kriege die jeweils stärkere Seemacht gewonnen hat. Das mag für die Vergangenheit gelten, aber versuche mal, mit Schiffen auf Land zu kämpfen *g*.

Als überzeugter Brite dachte Montgomery, wenn von Seemacht die Rede war, naturgemäss in erster Line an Grossbritannien. England würde ich aber aufgrund seiner Insellage als Spezialfall bezeichnen: Um England zu erobern waren zwangsläufig stets der Besitz einer grossen Flotte und die Erringung der Seeherrschaft notwendige Vorbedingungen. Solange nicht beides gegeben war, konnte England, ohne Gefahr zu laufen, auf eigenem Boden kämpfen zu müssen, die weitere Entwicklung abwarten und weiterkämpfen.

Ich würde das diplomatische Geschick im Schmieden von Allianzen als ebenso wichtig einstufen, wie die Leistungen der britischen Flotte: Wie Du ja bereits gesagt hast, kann man mit Schiffen an Land nicht kämpfen. Die britische Flotte hatte im wesentlichen zwei Aufgaben: Den Schutz des Mutterlandes und die Sicherung der Verbindungslinien zu den Kolonien.

Um auf dem europäischen Festland erfolgreich zu intervenieren war das britische Heer meist zu klein. Hier kam die Diplomatie ins Spiel: Den Briten gelang es meist, die jeweils zweitstärkste Kontinentalmacht als "Festlandsdegen" gegen die stärkste Macht zu instrumentalisieren. Und selbst dies gelang nicht immer: Im siebenjährigen Krieg besiegte Friedrich der Grosse eine Allianz sämtlicher anderer Mächte, einschliesslich England (wenn auch nur mit allerletzter Kraft und sehr viel Glück). Offensichtlich hatte die britische Seemacht in diesem Fall nicht ausgereicht, um einen Sieg zu garantieren.

DAS Gegenbeispiel überhaupt ist aber der Feldzug Alexanders von Mazedonien gegen das Perserreich: Die Perser waren damals die grösste Seemacht überhaupt, während die Aufgabe (und Fähigkeit) der mazedonisch-griechischen Flotte sich im wesentlichen darauf beschränkte, Alexanders Heer entlang der Küste zu folgen und einen Teil des Trosses zu befördern.

Trotzdem gelang es Alexander, die persische Flotte auszuschalten, ohne eine einzige Seeschlacht schlagen zu müssen: Dazu musste er nicht weiter tun, als sämtliche persischen Flottenstützpunkte zu erobern (dies war der Grund, weshalb er nach dem Sieg bei Isso nicht direkt ins persische Herzland vorstiess, sondern zuerst die Levante und Ägypten eroberte) - deren Flotte war infolgedessen zur Kapitulation gezwungen.

Mit dem Aufkommen der Luftwaffe und weitreichender Raketen hat die Rolle der Seemacht tendentiell weiter abgenommen. - Eine zeitgemässe Abwandlung von Alexanders Strategie würde darin bestehen, die Flottenstützpunkte mit Atomwaffen auszuschalten.

Auch wenn ich in diesem Punkt anderer Meinung Montgomery bin, hat er davon abgesehen doch nicht nur als Feldherr, sondern auch als Militärhistoriker bahnbrechendes geleistet: Seine "Kriegsgschichte" muss man auch heute noch als eines der massgebenden Werke auf diesem Gebiet ansehen.

Ich bin übrigens der Meinung, dass es, auch mit den damals verfügbaren Mitteln, möglich gewesen wäre, England unmittelbar im Anschluss an den Frankreich-Feldzug niederzuwerfen: Zum einen hätte ich natürlich den Sack in Dünkirchen zugemacht und das britische Expeditionskorps restlos zerschlagen. Zum anderen hätte ich anstatt "Seelöwe" eine unkonventionellere Strategie gewählt.

Die erste Phase der Luftschlacht um England hätte ich zwar mit exakt derselben Taktik geführt (rollende Einsätze gegen die britischen Fliegerhorste, Radarstationen und Flugzeugindustrie), anstatt dann aber sinnloserweise London anzugreifen, hätte ich dann den Sprung über den Kanal gewagt: Die britische Flotte hätte ich einstweilen ignoriert, um anstattdessen die Isle of Wight in einer massiven Luftlandeaktion einzunehmen.

Die Tatsache, dass die deutschen Fallschirmjäger, unter deutlich schlechteren Bedingungen, später Kreta erobern konnten, werte ich als Beweis für die prinzipielle Durchführbarkeit meines Plans. - Dies umso mehr, als die britische Armee im Sommer 1940, infolge der gewaltigen Materialverluste in Dünkirchen, gezwungen war, mittelalterliche Feldstücke aus den Museen zu holen, diese wieder herzurichten und an die Home Defense auszugeben...

Anschliessend hätte ich die Isle of Wight als Flugzeugträger eingesetzt, um die britische Industrie und Hafenanlagen nachhaltig anzugreifen und niederzuhalten. Die britische Flotte wäre nun im Zugzwang gewesen, die Isle of Wight zurückzuerobern - mit Einlaufen in den Kanal wäre die Falle schliesslich zugeschnappte, die Home Fleet zusammengebombt worden. Schachmatt!

mfG,

Swissman


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