Re: @ Swissman: Russische Atom-U-Boote

Geschrieben von Swissman am 18. Januar 2004 21:08:36:

Als Antwort auf: @ Swissman: Russische Atom-U-Boote geschrieben von Chris am 18. Januar 2004 15:27:29:

Hallo Chris,

Danke für die Infos, das wusste ich nicht. Ich meinte allerdings nicht das Kühlmittel, sondern den Moderator. Ist das bei U-Booten aufgrund der Platzverhältnisse identisch? Normalerweise sind ja Kühlmittel und Moderator in getrennten Systemen.

Kernreaktoren zur Stromerzeugung verwenden heute meist Wasser als Kühlmittel, ältere Modelle arbeiten häufig noch mit schwerem Wasser (schweres Wasser ist sehr teuer in der Herstellung, andererseits kann man sich die Urananreicherung schenken, und den Reaktor mit gewöhnlichem Natur-Uran beschicken). Das Wasser dient neben der Kühlung auch als Moderator.

Sowjetische Reaktormodelle verwenden statt Wasser häufig Graphit - dies hat den Vorteil, dass mehr (militärisch nutzbares) Plutonium anfällt, der Nachteil ist der, dass Graphit relativ leicht brennt.

Der Zweck des Moderators besteht darin, die bei der Kernspaltung freiwerdenden schnellen Neutronen auf eine Geschwindigkeit abzubremsen, die es ihnen erlaubt, weitere Atomkerne zu spalten. Davon zu unterscheiden sind die Steuer- oder Regelstäbe, die den Neutronenfluss steuern, indem sie einen Teil der Neutronen absorbieren, wodurch die Kettenreaktion im Gleichgewicht bleibt. Die Steuerstäbe können beispielsweise aus Bor, Kadmium oder einer Silber-Indium-Kadmium-Legierung bestehen. In Leichtwasserreaktoren wird dem Wasser zudem üblicherweise ein gewisser Prozentsatz Borsäure zugesetzt.

Wie dies in Atom-U-Booten genau gelöst wurde weiss ich nicht, es ist überdies anzunehmen, dass die genauen technischen Details unter die höchste militärische Geheimhaltungsstufe fallen. Wenn ich spekulieren müsste, würde ich darauf tippen, dass der Neutronenfluss durch eine Metallegierung geregelt wird, deren Schmelzpunkt deutlich höher liegt als derjenige von Blei.

Wenn allerdings ein aktiver Reaktorkern aufgrund Korrosion undicht wird und nach außen mit „schnellen“ Neutronen strahlt, dann könnte doch das umgebende (und eindringende) Wasser die Moderatorenfunktion übernehmen und der Kern über das Abbremsen der Neutronen überkritisch werden. Das zusätzliche Eindringen von gelöstem Sauerstoff könnte dann zu einer Explosion führen.

Deine Überlegung ist im Grundsatz sicher richtig, allerdings ist der Reaktorkern im konkreten Fall ja von einem massiven Bleiblock umgeben - damit das Wasser in die Nähe des Kerns gelangen kann, müsste die Korrosion wohl zumindest einige Jahrhunderte ungestört fortschreiten können.

Gefährlicher als der Sauerstoff dürfte in diesem Fall allerdings das Wasser selbst sein, dass bei genügender Erwärmung verdampfen und ohne funktionierendes Kühlsystem eine Dampfexplosion auslösen würde.

Ja, das seh’ ich ähnlich. Habe aber gehört, dass verarmte Bootsbesatzungen mitsamt ihren Familien teilweise noch auf den Schiffen leben – weil sie sonst nichts mehr haben. Dazu würde dann aber auch gehören, dass sie den Reaktor in Betrieb halten, um Stromversorgung u.ä. zu gewährleisten.

Diese Geschichten werden von den Medien zwar immer wieder gerne berichtet, ich gehe aber davon aus, dass es sich hierbei um bewusste Desinformation seitens des russischen Oberkommandos selbst handelt: Die russischen U-Bootstützpunkte sind strategisch derart wichtig, dass sie von der Aussenwelt hermetisch abgeschottet wurden und werden. Wenn westlichen Journalisten ausnahmsweise doch Zutritt gestattet wird, dann kann dies nur mit Kenntnis und Billigung des Oberkommandos geschehen. - Es liegt auf der Hand, dass man den Journalisten in diesem Fall nur das zeigt, was sie sehen sollen.

Und hier kommt der Rat des antiken chinesischen Generals und Gelehrten Sun Tsu ins Spiel: "Täusche Schwäche vor, wenn du stark bist, wenn du aber schwach bist, täusche Stärke vor."

mfG,

Swissman


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