Re: Machs nicht!

Geschrieben von Hubert am 17. Januar 2004 07:02:27:

Als Antwort auf: Machs nicht! geschrieben von JeFra am 16. Januar 2004 23:42:53:

Hallo JeFra,

was das unheilvolle Wirken der 68er betrifft, gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht. Dennoch ist auch diese Gruppierung nur Teil eines größeren Ganzen, dessen Ursache der Logik der Geschichte selbst entspringt. Dieser Teil der Geschichte – wir nennen ihn das Industriezeitalter – endete irgendwann in den 80er oder 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Seither erleben wir den Übergang ins Wissenszeitalter. Und dieser Übergang revolutioniert nun unsere ganze politische Landschaft. Den wenigsten ist dies bewußt.

Erlauben Sie mir kurz, auf Marx zurückzugreifen. Dieser nette Kollege hat nämlich ziemlich treffend den Schlagabtausch der beiden großen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital beschrieben. Dieses Ringen zwischen Arbeitenden und Besitzenden bewirkte weltweit die Aufteilung der politischen Parteienlandschaft in einen linken und in einen rechten Block. Egal, ob sich in einem Staat zwei, fünf oder fünfzehn Parteien formieren – letzten Endes gab es nur zwei Blöcke: Links und Rechts. Links stand auf Seiten des Produktionsfaktors Arbeit, Rechts auf Seiten des Produktionsfaktors Kapital. Und wie wir alle wissen, ging aus diesem Ringen das Kapital als Sieger hervor.

Dies war die Wirklichkeit des Industriezeitalters, welches – wie gesagt – seit geraumer Zeit beerdigt wird. Marx hatte mit diesem Teil seiner Analyse also absolut recht.

Seit vielleicht zehn, fünfzehn Jahren erleben wir hingegen ein völlig neues Phänomen, für dessen Beschreibung wir vergeblich bei Marx nachblättern: Den Anbruch des Wissenszeitalters. Von Jahr zu Jahr wird deutlicher, daß sich das Ringen nunmehr zwischen den Produktionsfaktoren Kapital und Wissen vollzieht. War im Industriezeitalter das Kapital die siegreiche Macht, so scheint es im Wissenszeitalter das Wissen zu werden. Denn nur so lassen sich die astronomisch hohen Geldbezüge der Wissenden erklären. Wissen ist Macht. Und das Kapital, die share- and stockholder, müssen dies zähneknirschend akzeptieren. Kein Aufsichtsrat bewilligt einem Vorstand freiwillig ein Jahressalär von zwanzig, vierzig oder achtzig Millionen Dollar p. a., wenn ihn die Realität nicht dazu zwingt. Natürlich ist es dem kleinen Mann nicht zu erklären, daß er an seinem eigenen Tagelöhner-Salär weitere Abstriche akzeptieren muß, während sich die Vorstandsbezüge gleichzeitig in Richtung Andromedanebel entwickeln. Aber so ist es nun mal. Wenn der Aufsichtsrat von DaimlerChrysler bei Schrempps Forderungen aufmuckt, haut er in den Sack und fängt morgen bei General Motors an. Zwanzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung brauchst du wirklich, für die übrigen achtzig Prozent wurde das tittytainment erfunden.

Und in dieser neuen Machtrealität, wo das Kapital diesmal zur unterlegenen Kraft mutiert, beobachten wir einen eklatanten Wandel im alten Links/Rechts-Schema. Wir sehen nämlich, daß sich die linken Parteien in Europa durchgängig auf die Seite des Kapitals schlagen. Ganz deutlich wird dies z. B. bei der britischen Labour und bei der deutschen SPD. Und ebenso deutlich kann ich bei den gegenwärtigen Strategiediskussionen im rechten Lager erkennen, daß dieses zukünftig die Wissenden unterstützen werden...

Ich würde das Szenario, das hieraus folgert, gerne mal mit Ihnen via Email vertiefen.

Herzlichst,
Hubert



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