Wirtschaftsexkurs: Killerzins
Geschrieben von Scorp am 01. Dezember 2003 01:14:00:
Als Antwort auf: Nachrichten (o.T.) geschrieben von Andreas am 01. Dezember 2003 00:07:48:
dieser text ist für alle jene unter uns die sich fragen, warum wir eigentlich immer dieses ominöse, von wirtschaft und politik gleichermassen beschworene "Wachstum" brauchen.
Worum geht es hier?
Es geht um einen Fehler in unserem Wirtschaftssystem und dessen Auswirkungen: Der Zins.
Diese Seite heißt Killerzins.de, weil der Zins wie wir ihn kennen, verschiedenen Auswirkungen hat, die extrem zerstörerisch sind. Zinsen zu erhalten wird als etwas Positives angesehen. Doch meistens übersieht man: Was der eine an Zinsen erhält, muß der andere an Zinsen zahlen. Wenn die Deutschen also 3,6 Billionen Euro Geldvermögen haben, die sie verzinst haben möchten, so müssen auf der anderen Seite Schulden in der gleichen Höhe existieren, deren Schuldner Zinsen zahlen müssen.
Zinsen führen über den Zinseszins-Effekt zu exponentiellem Wachstum von Vermögen: Bei 4% Zinsen verdoppelt sich jedes Vermögen nach 17,5 Jahren. Aus 1000 Euro werden nach 17,5 Jahren also 2000, nach 35 sind es 4000, nach 52,5 sind es 8000, nach 70 Jahren sind es 16.000. Meistens hört man hier auf zu rechnen, weil: Wer lebt schon so lange, daß ihn das Problem interessiert? Aber: Was ist mit unseren Kindern und Enkeln? Sind uns deren Probleme egal? (Ehrlich aufgeschlossene Menschen können diese Berechnung gern weiterverfolgen und sich fragen, wie ein Wirtschaftssystem leben soll, wenn es in gar nicht so langer Zeit plötzlich bei zig-Trillionen Euro Geldvermögen angelangt ist und immer schneller weiter wächst). 3,6 Billionen Euro verdoppeln sich also dank Zinseszins in einem Zeitraum, den wir erleben werden. Das bedeutet, daß auch die Schulden sich verdoppeln werden, die unsere Wirtschaft ertragen muß - denn wenn die Geldvermögen nicht als Schulden in die Wirtschaft gedrückt werden, wer zahlt dann die Zinsen für die Vermögen?
Fazit: Zinseszins führt zu immer schnellerer Verschuldung.
Weiteres Fazit: Immer größer werdende Vermögen auf der einen Seite machen Reiche noch reicher. Immer größere Schulden auf der anderen Seite machen Arme noch ärmer.
Die Reichen kriegen immer mehr, die Armen müssen immer mehr zahlen - dieses Problem läßt sich natürlich auch auf die Unternehmen übertragen. Es kommt deshalb zu einer immer stärkeren Auslese von Unternehmen, bei denen die Kleinen verlieren und die Großen gewinnen. Langfristig bewegen wir uns also auf eine Monopolisierung unserer Wirtschaft zu, da die Großen die Kleinen schlucken. Wundern wir uns also noch über die Pleitewelle in Deutschland?Zinsen belasten die Volkswirtschaft. Ein Unternehmen, welches sich Geld leiht, legt die Kosten für diesen Kredit auf die Preise um. Das heißt, jeder Käufer zahlt über den Preis Zinsen mit. Der Zinsanteil in den Preisen beträgt inzwischen ca. 30%, Tendenz steigend. In den Steuern beträgt der Zinsanteil derzeit bereits über 20%, weil der Staat über 20% seiner Steuereinnahmen als Zinsen wieder ausgibt. DEINE STEUERN! Für die Reichen! Natürlich wachsen diese Zinskosten ebenfalls immer mehr, je mehr Schulden der Staat macht. Wundert es uns also noch, daß der Sozialstaat demontiert wird?
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Im islamischen Raum gilt es noch heute und im christlichen existierte es sehr lange: Das Zinsverbot. Gläubigen war es verboten, Zins zu nehmen - man könnte meinen, die Kirchen wußten um die Gefahren, die vom Zins ausgehen. Doch den Zins einfach zu verbieten funktioniert nicht, denn dann würde niemand mehr Geld verborgen. Firmen, die kurzzeitig Zahlungsschwierigkeiten haben, würden Pleite gehen, obwohl ein kleiner Kredit ihnen über die kurze Krise hinweghelfen würde. Großprojekte, wie Kraftwerke oder Hochhäuser würden nicht finanziert werden können, weil dafür immer das Geld vieler Leute nötig ist. Ein Zinsverbot funktioniert also nicht.
Doch bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich ein Mann namens Silvio Gesell Gedanken zu dem Thema gemacht und eine relativ einfache Lösung gefunden. Sie ist schon fast so einfach, daß die meisten Menschen sagen "wenn es so einfach wäre, wäre sicher schonmal jemand drauf gekommen". Klar, Silvio Gesell ist drauf gekommen. Leider werden seine Theorien derzeit weder an Unis gelehrt oder auch nur diskutiert noch finden sie in der Politik oder in der Wirtschaft groß Beachtung - und das, obwohl einer der "großen Ökonomen", John Maynard Keynes, meinte, die Welt könne von "Silvio Gesell tausend mal mehr lernen als von Karl Marx".
Silvio Gesell schlug vor, Geldbesitzer müssen "Lagerkosten" auf ihr Geld bezahlen, wenn sie es nicht ausgeben. Realisiert werden soll das, indem man z.B. einmal monatlich eine Marke kaufen muß und diese als "Entwertungsnachweis" auf den Geldschein kleben muß. Die Marke kostet z.B. 0,5% des Geldschein-Wertes, also bei einem 10-Euro-Schein kostet sie 5 Cent. Bei einem 100-Euro-Schein 50 Cent. Erst wenn diese Marke draufklebt, hat der Schein seinen vollen Wert.
Was würde passieren? Jeder, der Geld hat, wäre bemüht, es vor dem Monatsende auszugeben. Da wir alle den Großteil unseres Geldes für Miete und essen und Kino usw. ausgeben, sind wir den Großteil unseres Geldes sowieso los. Den Rest sparen wir meist - gegen Zins auf der Bank. Doch wenn es plötzlich Geld kosten würde, wenn wir unser Geld zuhause horten, so würden wir es zur Bank bringen mit den Worten: "Ich will nichtmal Zins, ich will nur genau dieselbe Summe zurück, die ich einzahle". Jeder würde also, um der Gebühr zu entgehen, Kredite für 0% vergeben. Der Zins wäre also nicht "weg", er wäre auf 0% gesunken.
"Da kann ich ja nichts mehr sparen" ist der ablehnende Ausruf derjenigen, die meinen, gute Ideen mit einer Sekunde Nachdenken über den Haufen werfen zu können. Wenn du 1000 Euro zur Bank bringst, und du kriegst in 10 Jahren 1000 Euro wieder, kannst du wohl etwas sparen. "Aber dann komme ich ja schlechter weg, weil ich keine Zinsen mehr kriege": Nein, du kriegst auf deine paar Kröten keine Zinsen mehr, aber du mußt auch auf die ganzen Sachen, die du kaufst, keine Zinsen mehr bezahlen! Dein Vermieter steht plötzlich vor der Wahl, 150.000 Euro zu einem Null-Zins auf die Bank zu bringen oder sie zu einem Null-Zins plus ein bißchen in deine Wohnung zu stecken. Wieviel Zinsen würdest du also allein in deiner Miete sparen? Wenn man Helmut Creutz' Berechnungen nimmt, hätte der Großteil der Menschen plötzlich 30% mehr Geld in der Tasche - Geld, welches nicht mehr automatisch zu den Reichen fließt, sondern bei den Menschen verbleibt, die es brauchen können und die es erarbeitet haben.
Es gibt sicherlich für den einen oder anderen Denker hier noch einige Problempunkte, die auftauchen ("das muß dann aber weltweit passieren" oder "wie läuft das denn mit Bankkonten, auf die kann ich schlecht Marken kleben") - doch die einfachsten dieser Probleme sind längst von vielen Menschen durchdacht worden - und für lösbar befunden worden. Denn Fakt ist: Der Zins sorgt für eine riesige Umverteilungsmaschine vom Arm zu Reich und man sollte sich nicht von auftauchenden Problemen abhalten lassen. Denn für die meisten Probleme gibt es entweder eine Antwort bzw. Erklärung oder eine Lösung.
Allein die Aussicht sollte Optimismus verbreiten: Jeder arbeitende Mensch hat 30% mehr in der Tasche... lohnt es dafür nicht, sich ein bißchen mit dieser Idee zu befassen?Freiwirtschaft.de
Geldreform.net
Systemfehler.de
Geldreform.de
INWOEin erklärender Zusatz mit offenen Worten: Man sollte verstehen, was die obigen Informationen bedeuten. Sie bedeuten, daß 90% der Bevölkerung 30-40% ihre Lebensarbeitszeit damit verbringen, die übrigen 10% der Bevölkerung (die Reichen!) noch reicher zu machen. Sie bedeuten, daß wir Teil eines riesigen Umverteilunssystems sind, ja man kann von Sklaverei sprechen, denn wir können uns nicht aussuchen, ob wir an diesem Spiel teilnehmen wollen oder nicht. Wir sind Teil der Wirtschaft, also zahlen wir Zinsen. Und da wir (also die 90% der Bevölkerung) dafür arbeiten müssen, leben wir eine sehr lange Zeit für den Reichtum von Menschen, denen wir nie begegnen werden, weil sie genug Geld haben, sich mit Sicherheitsfirmen von uns abschotten zu lassen.
Es bedeutet weiterhin, daß sämtliche Diskussionen in der Politik, wer wo wieviel einzusparen hat, sei es bei Bildung, Arbeitslosigkeit, Sozialausgaben, Krankenversicherung usw. nur der vergebliche Versuch ist, dem exponentiellen Wachstum der Geldvermögen gegenzusteuern. Aber das geht nicht, denn je größer die Vermögen werden, umso mehr Kraft haben sie, weiteres Vermögen anzuziehen. Man fragt sich manchmal, ob die Politik nicht nur die Show ist, die uns davon ablenken soll, selbst nachzudenken oder ob die Politiker wirklich so blind sind.
Es bedeutet aber auch, daß eines Tages - wenn nichts Bedeutsames dazwischenkommt, was wir aber stark hoffen sollten - einer Person ALLES gehört.
PS: Und die bis hierher genannten Überlegungen sind nur die Spitze des Eisbergs! Der "kleine, süße Zins" ist nur der rote Faden, der in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus führt, vorbei an Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit, Inflation, Umweltzerstörung und Krieg. Unglaublich, aber leider wahr...http://www.killerzins.de/
auf der seite sind weitere gute und informative texte zu finden.
grüsse scorp
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- Ständegesellschaft, Leibeigenschaft, Zunftzwang franke43 03.12.2003 15:55 (0)