Re: Überf die oft mißverstandene 'Unfehlbarkeit'
Geschrieben von Tawa am 29. November 2003 07:29:46:
Als Antwort auf: Re: Überf die oft mißverstandene 'Unfehlbarkeit' geschrieben von Phil Dick am 29. November 2003 03:41:27:
>>> Hat Andreas den Simon Petrus tatsächlich aus der Gemeinschaft der Gläubigen
>>> ausgestoßen?
>>
Hallo Phil Dick,die entscheidende Frage ist immer die, ob es diesen "Chef" gibt oder nicht...
Als Mitarbeiter sind wir angehalten, beständig zu prüfen, ob der Chef seine Sache gut macht oder nicht. Macht er Fehler, können wir ihn darauf aufmerksam machen. Im schlimmsten Falle sind wir in der Lage, den Job und den Chef zu wechseln. Dies bleibt uns überlassen.
Ein wenig anders sieht es aus, wenn wir ein kleines Rädchen im Getriebe sind, für welches der Chef für direkte Nachfragen unerreichbar scheint. Da sind wir eigentlich geneigt zu glauben, daß die "Hohen Herren" dort oben schon wissen werden, was sie tun, auch wenn wir dies so jetzt nicht verstehen können. Im Zweifelsfalle fragen wir halt unseren Abteilungsleiter, welcher ja den Kontakt zur Chefetage hält.
Als kleines Rädchen im Getriebe bekamen wir von ganz oben grundlegende Arbeitsvoraussetzungen (z.B. den Anstellungsvertrag) mit auf den Weg - detaillierte Arbeitsanweisungen holen wir uns allerdings vom Abteilungsleiter. Diesem sind wir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, daß er seine ihm angewiesenenen Aufträge auch richtig versteht und an uns delegiert, diese richtig umsetzt. Ob dies der Fall war, sehen wir erst, wenn z.B. Reklamationen kommen - ganz am Ende der Wertschöpfung. Und auch da ist es fraglich, ob wir dies überhaupt mitbekommen - und auch die Frage, an welcher Stelle der Fehler auftrat.
Letztendlich verlassen wir uns aber auf die Aussagen des Abteilungsleiters, denn wir möchten unseren Lohn schließlich auch künftig erhalten, und es liegt zunächst in seiner Macht, uns diesen auch zu geben. Selbstverständlich können wir im Zweifel noch ein Briefchen an den Betriebsrat oder den Chef persönlich einwerfen. Stellt sich halt die Frage, ob wir darauf eine direkte Antwort erhalten.
Der Abteilungsleiter gibt uns unsere Arbeitsanweisungen innerhalb seines ihm gesteckten Verantwortungsgebietes. Ob seine Anweisungen richtig oder falsch sind, wissen wir nicht. Wir können diese nur ausführen - z.B., indem wir das Stück Blech laut Anweisung innerhalb einer Toleranz von +/- 0,5 mm fertigen.
Jetzt kommt eine Reklamation und es stellt sich heraus, daß der Abteilungsleiter diese Fertigungstoleranz fehlerhaft an uns weitergegeben hat. Da wird der Abteilungsleiter die Verantwortung für zu tragen haben, und wir Rädchen im Getriebe sind aus dem Schneider. Evtl. werden wir darauf hingewiesen, daß uns das evtl. hätte auffallen müssen - weitere Konsequenzen hat es für uns aber nicht.
Anders sieht es aus, wenn wir selber auf die Idee kommen, aus welchen Gründen auch immer, unser Werkstück künftig nicht mehr mit einer Toleranz von 0,5 Millimetern, sondern mit einer Toleranz von 5 Zentimetern zu fertigen. Sei es aus Böswilligkeit, oder aber auch nur, weil wir meinen, dies sei so richtig, und der Abteilungsleiter habe eh keine Ahnung. Das Ergebnis wird für uns auf alle Fälle dramatische Folgen haben. Unserer Entlassung können wir, sobald wir die Entscheidung zu einem anderen Maß getroffen haben, baldmöglichst entgegensehen.
Phil, Du schreibst, daß es diesen "Chef" durchaus geben könnte. Dann ist es meiner bescheidenen Meinung nach unsere Pflicht, solange wir weder das Eine noch das Andere beweisen können, den bis dato bekannten Anweisungen des Chefs zu folgen. Gibt es den Chef, haben wir ihm unsere Loyalität durch unseren Glauben an ihn bewiesen. Gibt es ihn nicht, so haben wir schlimmstenfalls auf unseren Lohn zu verzichten und hatten ggf. ein paar Unannehmlichkeiten in unterschiedlichem Umfange. Im Prinzip ist es eine einfache Kosten-Nutzen-Abwägung, welche uns im Zweifelsfalle ein Handeln für oder wider den Chef entscheiden lassen sollte.
Entscheiden wir uns dafür, den Chef als existent anzuerkennen, sollten wir alles in unserem Rahmen mögliche tun, die Arbeitsaufträge in seinem Sinne zu erledigen. Kleine Firma, kleiner Rahmen - versuchen wir, uns mit dem Chef direkt abzustimmen. Ist dieser gerade nicht da, können wir entweder die Arbeit vorübergehend einstellen, oder aber uns selbst auf die Suche nach einer Lösung begeben.
Selbst die Lösung für ein Problem zu finden, ist gar nicht so einfach. Dabei gibt es Dinge und Umstände zu berücksichtigen, welche wir vielleicht gar nicht verstehen können. Verzetteln wir uns dabei, ist es höchst wahrscheinlich, das wir das Ziel (den Arbeitsauftrag, das ursächliche Problem) übersehen oder aus den Augen verlieren. Vielleicht bauen wir am Ende statt einem Radio ein Auto. Toll - aber leider nicht der Arbeitsauftrag.
Selbstverständlich könnten wir uns, wenn wir uns selbst auf die Suche nach einer Lösung begeben, den Betriebsrat (sofern vorhanden) noch um Hinweise und Anleitung bitten. Allgemein ist der Betriebsrat (der Mittler zwischen uns und dem Chef - Jesus) immer in der Lage, uns einen Rat zu erteilen, nach welchem wir uns richten können. Die Gefahr, uns zu verzetteln, ist nicht mehr ganz so groß. Und, kommt der Chef "aus dem Urlaub" zurück, wird er es uns hoch anrechnen, daß wir versucht haben, gemeinsam mit dem Betriebsrat nach einer Lösung zu suchen. Haben sich dennoch Fehler eingeschlichen, wiegen diese nicht mehr gar so schlimm in unserer Beurteilung. Eine Kündigung dürfte ausgeschlossen sein, denn wir haben ja alles Menschenmögliche versucht.
Jetzt ist der Chef, der Herr Ingenieur oder wer auch immer, wirklich einmal für lange Zeit für uns nicht erreichbar. Wir haben keine andere Wahl, als uns auf seinen Stellvertreter, oder jenen, welcher sich dafür ausgibt, zu verlassen. Treibt der Stellvertreter (die Kirche) in allen Bereichen Schindluder, trifft diese auch die volle Verantwortung, wenn wir Konkurs anmelden müssen. Im Allgemeinen dürfte der Stellvertreter allerdings durchaus gewillt sein, einen Mischmasch aus eigenen Interessen und den Firmenzielen zu verfolgen - schließlich möchte er den Ast, auf welchem er sitzt, nicht komplett absägen. Somit können wir davon ausgehen, daß wir in grundsätzlichen Dingen uns durchaus auf den Stellvertreter verlassen können. Er gibt uns Halt und Anweisung, wie wir zu verfahren haben in der Fertigung. Auf alle Fälle bekommen wir genaue Details geliefert. Hat nun der Stellvertreter an Stelle des Chefs beschlossen, anstatt eines Radios ein Auto zu bauen, so liegt die letztendliche Verantwortung wieder beim Stellvertreter.
Vielleicht könnten wir, wenn wir einen vermeintlichen Fehler bemerken, beim Stellvertreter vorstellig werden und reklamieren. Heißt es, der Bau des Autos statt eines Radios sei im Interesse des Chefs, oder dieser habe die Anweisung per "Telefon" erteilt, so sind wir geneigt, dies zu glauben - glauben zu müssen. In jedem Falle behalten wir unser Anrecht auf einen Lohn. War die Anweisung nicht vom Chef, so könnte dieser ein wenig geschmälert werden, aber doch nicht so, daß unsere Existenz in Gefahr gerät. Dies dürfte dann dem Stellvertreter zuteil werden. Wir haben unsere Loyalität und unseren Glauben daran, daß wir dem Urteilsvermögen und den Wünschen des Chefs vertrauten, unbedingt bewiesen. Und diese Loyalität wird der Chef, sofern er nicht selbst ein Betrüger ist, auch unbedingt berücksichtigen.
Phil Dick, natürlich hinkt mein Vergleich in bestimmten Bereichen auch gewaltig. Z.B., wenn es darum geht, daß der Stellvertreter nun beschließt, wir sollen die Mitarbeiter des Konkurrenzunternehmens still und heimlich beseitigen - morden oder anderweitig Schaden zufügen. Unternehmensziele (die irdische Version) schwanken von Zeit zu Zeit. Gelegentlich mag es durchaus richtig sein, diese nicht mehr mitzutragen, wenn gewisse Grundregeln (10 Gebote) verletzt werden, und auf eigene Faust versuchen, die Wahrheit zu finden.
Aber gerade in der heutigen Zeit ist es nicht nur angebracht, sondern schon fast zwingend, sein Glück in einer möglichst großen Firma zu suchen. Auch wenn wir nicht mit allen Umtrieben in einem großen Konzern einverstanden sind, so gibt dieser uns doch ein höchstmögliches Maß an Sicherheit. Für die Kirche bedeutet dies, daß wir in ihr, sofern wir mit unserem Herzen dabei sind, darinnen durchaus einer "Großfamilie" (Vergleich ist absichtlich gewählt - Parallelen gibt es vielfältiger Art) gleich in Grundsatzfragen und grober Richtung Führung und Unterstützung erhalten.
Eine letztendliche Entscheidung bleibt aber immer uns selbst vorbehalten. Wir können Verantwortung sowohl nach oben als auch nach unten delegieren. Wir sind aber nach wie vor dafür verantwortlich. Ein klein wenig "michelhaftes" Wesen steht uns aber durchaus gut zu Gesicht. Denn wir können nicht Hans-Dampf-in-allen-Gassen sein.
Der Chef hätte sicherlich die Möglichkeit, dem kleinen Rädchen im Getriebe direkt eine Entscheidung, einen Hinweis auf mögliche Fehler etc., zu geben. Auf irdische Verhältnisse bezogen wäre dies allerdings ein phantastisches Unternehmen, sich mit 7 Milliarden Befehlsempfängern in Verbindung zu setzen. Gott wäre dies sicherlich ohne Probleme möglich, doch wissen wir, daß wir, auf "himmlische Verhältnisse" bezogen, nicht nur Befehle empfangen, sondern uns frei nach eigenem Wissen und Gewissen entscheiden sollen. Wir sollen glauben - und unsere Entscheidung nicht ausschließlich auf Beweise (direkter Kontakt zu Gott, Wunder, etc.), welche eine andere Entscheidung als nach "Kosten-Nutzen-Rechnungs-Manier" ausschließt, treffen.Somit macht ein oder mehrere "Übersetzer" durchaus Sinn. Bleibt letztendlich nur die Frage übrig, ob die Kirche wirklich einer dieser Übersetzer ist. Ich vermute mal ganz stark, daß Du diese Übersetzungsfunktion kleinen Teilen der Kirche durchaus bereit bist, zuzugestehen. Dein Problem dabei stellt die Kirche als Ganzes und als weltliche Institution dar. Es wurden - und es werden immer noch gewaltige Fehler innerhalb (als auch außerhalb) der Kirche gemacht. Der Stellvertreter versucht halt, in gewissem Rahmen (mal mehr, mal weniger) in die eigene Tasche zu wirtschaften. Wenn wir diese Tatsache berücksichtigen und entsprechend monieren, kann uns die Kirche (bzw. Teilbereiche daraus) dennoch Halt und Führung bieten, damit wir uns bei der eigenen Suche nicht verzetteln. Eine schwere Entscheidung für jeden von uns.
Gruß
Tawa
>>Hallo Phil,
>>klare Frage, klare Antwort: NEIN.
>Hallo Johannes,
>bist Du mir sehr böse, wenn ich dieses NEIN so noch nicht akzeptiere? Es hinterfrage?
>Denn es ist letztendlich entscheidend, ob es diesen "Chef", von dem Du sprichst, letztendlich überhaupt gibt. Geben darf.
>Es könnte sein, daß es einen lebendigen Gott gibt. Jemanden, der die Geschicke der Menschen lenkt und bestimmt. Mag sein. Wenn es ihn aber gibt, hat er doch sicherlich die Macht und die Fähigkeit, seinen Willen ohne Relais an die Menschen zu übermitteln?! Braucht dann doch sicher keine Übersetzerinstitution?
>Gehen wir mal davon aus, daß es diesen Gott oder diese Gottheiten gibt. Sie wären doch bescheuert, wenn sie Chefsachen an einen, wie auch immer gewählten oder erkorenen Menschen delegieren würden.
>Dein Beispiel mit dem Karnickelzüchterverband zieht nicht. Deren Chef wäre spätestens beim zweiten Fehler abgewählt, rausgeschmissen.
>Die katholische Kirche als Institution hat soviele gravierende Fehler gemacht, soviele Verbrechen begangen, soviel Unsinn zugelassen. Sie hat alle Andersdenkenden mit Flüchen belegt. Trotzdem existieren Nicht-Katholiken noch.
>Der größte aller Fehler der katholischen Kirche ist ihr Widerstand gegen jede Form der Geburtenkontrolle. Damit reitet sie die Menschheit in den Abgrund. Wenn nicht irgendwo dort oben die Götter sitzen und sich auf das Ausschwärmen der überzähligen Menschen vom Planeten Erde freuen, dann ergibt das keinen Sinn.
>Ich weiß ja nicht, Phil Dick.