re: zustimmung

Geschrieben von Andreas am 16. November 2003 22:31:14:

Als Antwort auf: Freihandel geschrieben von Swissman am 16. November 2003 21:47:05:

>Hallo Andreas,
>Ich habe mir Deinen Text kopiert und werde ihn an einige Gleichgesinnte weiterleiten.

:-)

>>Man hätte auch schon vor dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg so argumentieren können, ja in der Tat gab es vor dem Ersten Weltkrieg einige, die glaubten, der "Freihandel" werde der Welt den Frieden bringen.
>Laut einer Stratfor-Studie war der Welthandel 1914, inflationsbereinigt, sogar deutlich grösser und vernetzter, als dies heute der Fall ist.

Ganz genau, darauf machen zahlreiche Leute mit Recht aufmerksam. Es kommt immer darauf an, wie man den Vernetzungsgrad der Welt definiert. All jenen, die behaupten, die Globalisierung vermindere den Hass unter den Völkern, entgegne ich folgendes:

Auch der Sozialwissenschaftler Karl Deutsch hat auf den Einfluss der zunehmenden globalen Vernetzung etwa bei der Herausbildung der nordatlantischen "Sicherheitsgemeinschaft" hingewiesen. Der soziale Austausch jenseits der hohen Politik bringe die Menschen einander näher, etwa so kann man diese These zusammenfassen. Anhänger der realistischen Schule der internationalen Beziehungen wie Samuel Huntington aber auch Widdowson selbst würden dem wohl widersprechen. Im Falle der nordatlantischen Sphäre würden sie argumentieren, dass das bessere "Völkerverständnis" ein Resultat der Integrationskraft der USA sei.

Damit liegen sie m. E. nicht ganz falsch. Warum kommt das Buch von Roger Moore wohl gerade in Deutschland so gut an? Wie lässt sich erklären, dass der rot-grüne Wahlkampf mit der leicht anti-amerikanischen Note derart erfolgreich war? Warum häufen sich in letzter Zeit Berichte über Bücher, die den alliierten Bombenkrieg mit den deutschen Kriegsverbrechen (m. E. zu Recht) gleichsetzen, Gedenkveranstaltungen zu den Bombenangriffen und antiisraelische oder skeptische Äusserungen bezüglich der Rolle der Juden in der Weltgeschichte? Schaut mal ins Elliot-Wellen-Forum und beobachte, wie oft die Amerikaner von vergleichsweise gebildeten Leuten als Dummköpfe, Barbaren und Idioten abgestempelt werden.
M. E. lässt sich diese Entwicklung mit dem Rückgang des "integrativen Einflusses" der USA in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges und dem parallel dazu wieder aufflackernden Groll über die Kriegsniederlage im zur Zeit wirtschaftlich angeschlagenen Deutschland erklären. Ähnliche Tendenzen sind mehr als fünfzig Jahren auch in Japan zu beobachten. Es bleibt abzuwarten, wie lange dieses hochentwickelte Land noch auf amerikanischen Schutz angewiesen sein will oder ob es bald schon eine eigene Atomwaffe zur Abschreckung Nordkoreas entwickelt.

Huntington und Widdowson gehen nicht nur soweit zu sagen, dass die Völkerverständigung im Zuge fortschreitender Vernetzung der Welt nicht nur nicht zunimmt, sondern sie behaupten sogar, dass der gegenseitige Hass teilweise gar anwachsen wird, nach dem Motto "familiarity breeds contempt". Ich denke nicht, dass die Massen an türkischen Immigranten auf der einen und die Türkeibesuche europäischer Touristen auf der anderen Seite den Wunsch nach der Integration der Türkei in die EU unter den europäischen Völkern erhöht hat. Vielmehr dürfte das Gegenteil der Fall sein. Ähnlich wird das "Verständnis" der Amerikaner für Mexiko nicht grösser, weil immer mehr Mexikaner in die USA einwandern.
Ebenso ist zweifelhaft, ob die chinesischen "Kolonien" in den USA und die Präsenz amerikanischer Unternehmen in China zu einem Abbau der strategischen Rivalität der beiden Länder beitragen werden. Wenn man bedenkt, dass im Ersten Weltkrieg sich mit dem englischen und dem deutschen Königshaus zwei Dynastien mit den gleichen Wurzeln und insgesamt zwei sehr ähnliche und kulturell und historisch eng miteinander verwandte Völker bekämpften, so kann ich mir für das 21. Jahrhundert problemlos einen Konflikt zwischen den USA und China vorstellen.

Allenfalls lässt sich darüber spekulieren, dass angesichts der internationalen Verflechtung der Rüstungsindustrien bzw. der geringeren (militärtechnischen) Autarkie der Länder ein neuerlicher Grosskonflikt - in Verbindung mit der gewachsenen Spezialisierung - vielleicht weniger lang dauern würde als zu früheren Zeiten. Was würdest Du als Militärexperte dazu sagen?

freundliche Grüsse
Andreas


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