Einige kritische Anmerkungen
Geschrieben von Swissman am 08. November 2003 02:30:16:
Als Antwort auf: Da hier einigen anscheinend eine Portion Geschichte.... geschrieben von DaveRave am 06. November 2003 11:53:14:
Hallo DaveRave,
Bekanntlich ist mein Grossvater Überlebender des KZ Mauthausen.
Ich fühle mich durch Martin Hohmann's Rede nicht im Mindesten beleidigt, im Gegenteil: Wenn man sich die Mühe macht, seine Rede im vollen Wortlaut zu lesen, und sich auch nur halbwegs in der Geschichte auskennt, muss man feststellen, dass der Mann nichts gesaget hat, was nicht der Wahrheit entsprechen würde!
Wer etwas anderes behauptet, hat die Rede nicht gelesen, ist ein geschichtlicher Ignorant, oder beides!
Was mich hingegen sehr wohl beleidigt, ist die Frechheit und pseudomoralische Arroganz, mit der man einem Unschuldigen zuerst eine Aussage andichtet, die er gar nicht gemacht hat, und ihm daraus einen Strick dreht! Mich widert so etwas zutiefst an! Mit grösster Verachtung blicke ich herab auf die Urheber dieser ebenso verlogenen wie ehrlosen Kampagne!
Und am allermeisten widert es mich an, dass sich Hohmann für etwas, das er gar nicht getan hat, auch noch öffentlich entschuldigen soll... (der nächste Schritt im klassischen Hexenprozess bestand einstmals darin, den Angeklagten dazu zu zwingen, weitere Personen zu beschuldigen, die ebenso denken wie er - wobei selbstverständlich auch das den Angeklagten nicht vor dem dem Scheiterhaufen rettet...)
>Und beide Seiten wissen, dass dies nicht mit platten Parolen
>funktioniert, sondern nur, wenn man historische Fakten in die gewünschte
>Richtung biegt.Ein Vorwurf, den sich insbesondere linke Nach-68er-Historiker gefallen lassen müssen.
>Seine Quelle ist hauptsächlich ein unausgegorenes Machwerk des Bielefelder >Bibliothekars Johannes Rogalla von Bieberstein.
Da ich das Buch erst bestellt, aber noch nicht erhalten habe, kann und werde ich mich (noch) nicht zu dessen Inhalt äussern. Über den Verfasser sagt die Amazon.de-Rezension folgendes: "Von Bieberstein gehört der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Freimaurerei sowie dem Beirat der Zeitschrift für Internationale Freimauererforschung an."
Demnach dürfte er selbst Freimaurer sein, oder der Maurerei zumindest nahestehen. Mit von Biebersteins angeblichem Antisemitismus kann es daher nicht allzuweit hersein, betont doch das offizielle "Internationale Freimaurerlexikon", dass die Freimauerei den Antisemitismus stets abgelehnt und in ihren Reihen nicht geduldet habe.
>Unter den 23 600 Bolschewiki der Russischen Revolution von 1917, so hat der >Historiker Arno Lustiger errechnet, waren genau 964 Juden. Wenig später kamen >2182 hinzu.
Gesetzt den Fall, dass Lustigers Zahlen stimmen sollten, machen sich die Verfasser Spiegel-Artikels, wie ich gleich zeigen werde, nach eigenen Masstäben übelsten Antisemitismus' schuldig:
Wenn sich 1917 unter 23'600 Bolschewiken 964 Juden befanden, beträgt deren Anteil exakt 4,08%. "Wenig später" (wie viel später?) sollen sich unter nunmehr 25'782 Bolschewiken (zumindest werden im Spiegel-Artikel keine nichtjüdischen Neueintritte erwähnt - die es aber zweifellos ebenfalls gab) 3146 Juden befunden haben, was einem Anteil von 12,2% entsprechen würde.
Wie hoch der jüdische Anteil an der damaligen russischen Gesamtbevölkerung war, weiss ich nicht, die Annahme, dass er sich irgendwo zwischen einem und zwei Prozent bewegt haben dürfte, erscheint mir aber recht plausibel. Demnach wird also im von Dir zitierten Artikel die Behauptung aufgestellt, dass Personen jüdischer Abstammung unter den Bolschewiken deutlich überproportional repräsentiert gewesen sein sollen!
Dieser Eindruck wird zusätzlich erhärtet durch Sätze wie diese:
>Für viele Juden war der russische Arbeiter-und-Bauern-Staat zunächst ein
>attraktiver Ort.>Juden, so der Experte Lustiger, hatten "allen Grund, sich an revolutionären
>Bewegungen zu beteiligen". Lenins neues Reich bot ihnen Aufstiegschancen und
>vor allem erstmals Schutz vor rechten Horden.>Unter den Spitzengenossen fanden sich denn auch zahlreiche Kommunisten
>jüdischer Herkunft. Einige tausend gingen zur Terrorpolizei NKWD.Und da Du Dich nicht von dieser These distanziert hast, machst Du Dich daran auch noch mitschuldig...
Nun aber wieder ernsthaft:
>Doch dieThese vom Juden als Tätervolk ist, so der Historiker Dieter Pohl vom
>Institut für Zeitgeschichte in München, "antisemitischer Unsinn".Das ist, wenn man ihn denn gelesen hat, ja gerade Hohmans Konklusion! - Wetten, das der befragte Historiker die Rede nicht, oder nur in den medial verbreiteten, aus dem Zusammenhang gerissenen Auszügen, gelesen hat...?
>Und wenig später ließ das wahre "Tätervolk" sogar sechs Millionen Juden umbringen.
Das nenne ich nun antideutscher Unsinn: Nicht "die Deutschen", sondern die Nationalsozialisten liessen sechs Millionen Juden (sowie einige Millionen andere Menschen) umbringen.
mfG,
Swissman