Re: Zucht und Ordnung @ BBouvier

Geschrieben von JeFra am 26. Oktober 2003 16:23:13:

Als Antwort auf: Re: Zucht und Ordnung @ BBouvier geschrieben von katzenhai2 am 26. Oktober 2003 01:53:56:


Das, was Hitler wollte ist das, was des Menschen damalige Natur war. Das, was der Kommunismus wollte ist das, wonach die Evolution den Menschen treibt.

Woher weißt Du denn, wohin die Evolution den Menschen treibt? Den Evolutionstheorien auf naturwissenschaftlicher Grundlage sollte diese Vorstellung eigentlich fremd sein. Das gängige Bild von der Naturgeschichte ist ateleologisch, und wenn man den Menschen als Teil der Natur betrachtet, sollte auch die Menschheitsgeschichte ateleologisch sein. So wie es Spengler (den ich jetzt aus dem Gedächtnis zitiere) einmal unübertrefflich formuliert hat: Die Menschheit hat kein Ziel, keinen Plan, keine Idee, sowenig wie die Gattung der Orchideen oder der Schmetterlinge ein Ziel hat.


Ich finde auch, daß die Vorstellung von der Sinnlosigkeit der Geschichte auf die meisten Menschen eher abschreckend wirkt als die Theorie von irgendeinem sinnvollen Endziel der Geschichte (etwa Kommunismus). Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich im Alter von 12 oder 13 Jahren die 21. Reise aus den Sterntagebüchern von S. Lem gelesen habe. Lem schildert die Geschichte einer globalen Zivilisation mit der Fähigkeit zur Autoevolution des Menschen in enger (wahrscheinlich bewußter, wie ich auf Grund der Wortwahl an wenigstens einer Stelle glaube) Anlehnung an Spengler. Ich kann mich erinnern, daß mich dieses Bild der Geschichte damals zutiefst schockiert hat.


Zu Hitler als Person sehe ich nicht, wie man sich ein einigermaßen sicheres Bild davon machen will, was dieser wollte. Dazu wäre die Möglichkeit erforderlich, die Werke Hitlers und der führenden NS-Ideologen unzensiert und ohne Einschränkungen zu lesen. Speziell über Hitler ist doch schon soviel Schwachsinn und offensichtlich Unwahres geschrieben worden, daß es sehr schwer fällt, in dieser Hinsicht die Spreu vom Weizen zu trennen. Was den NS als politische Bewegung betrifft, so sehe ich den NS eher als einen Versuch, die Machtergreifung der Juden in der westlichen Gesellschaft (speziell in Deutschland) zu verhindern. Es handelt sich um eine Antwort auf die Kriegserklärung, die Du z. B. in Feuchtwangers `Jud Süß' formuliert findest, wenn Du Dir die Mühe machst, das Buch zu lesen. Von dieser Frage abgesehen, war der NS ideologisch vollkommen heterogen. Dafür spricht, daß über den NS sonst praktisch alle möglichen Thesen (modern oder antimodern, Monokratie oder Polykratie, revolutionär oder gegenrevolutionär, Kontinuität oder Diskontinuität in der deutschen Geschichte) vertreten worden sind und daß in der Regel die Verfechter derartiger Thesen in der Lage waren, ihre Behauptungen durch Zitate aus der NS-Literatur zu begründen. Das ist sehr schön in dem Buch von E. Nolte, `Streitfragen', ausgearbeitet. Es geht ihm darin um einen Gesamtüberblick über die Literatur zum Thema, die relativ faire Behandlung des Holokaust-Revisionismus, mit der er sich endgültig zur persona non grata gemacht hat, nimmt nur 16 von fast 500 Seiten ein.


Was Du über den NS glaubst, hat Nolte in seinem Erstlingswerk zu dieser Frage formuliert, `Der Faschismus in seiner Epoche' und als einheiltliches Merkmal aller Faschismen hingestellt. Allerdings hat er das Wort Evolution nicht gebraucht, sondern von Widerstand gegen die Transzendenz gesprochen. Ich glaube, daß diese These durch die Geschichte seit den 60iger Jahren (als Nolte dieses Buch geschrieben hat) und speziell durch die Entwicklung seit 1989 widerlegt ist.


Gruß
JeFra


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