Selbst eine Demokratie muss intolerant sein...
Geschrieben von Funktionsdelta am 19. Oktober 2003 21:19:35:
Als Antwort auf: Schuleschwänzen - Start in kriminelle Karriere geschrieben von Andreas am 19. Oktober 2003 16:10:48:
> ... - etwa gegen jene, die selbst die Intoleranz predigen.
Mehr noch: Sie kann, darf, ja: muss sogar intolerant sein gegenüber jeder Entwicklung, die die Entwicklung ihrer Gesellschaft negativ zu beeinflussen droht. Tolerant zu sein bedeutet, im Sinne des Wortes, etwas - einen Menschen, ein Verhalten, eine sprachliche oder geistige Abweichung - zu ertragen, zu DULDEN.
Intolerant gegenüber einer Sache zu sein, bedeutet zunächst also erst einmal nur, diese nicht zu dulden, sie nicht ertragen zu können oder zu wollen. Daran ist an sich noch nichts Schlimmes. Gemeinschaften neigen nun einaml dazu, Fremdes, Unbekanntes aber auch Unnormales auszugrenzen, nicht zu dulden. Mehr noch: Eine Gemeinschaft wird ja durch ihre Grenzen definiert, und sie kann nur solange eine Gemeinschaft bleiben, wie diese Grenzen aufrecht erhalten werden.
Sie darf also auf Dauer kein Verhalten zulassen, dass in ihren Statuten nicht vorgesehen ist.
Ein Statut der Gemeinschaft der Deutschen lautet beispielsweise: "Die Amtssprache ist deutsch". Somit erwarten wir von jedem, der sich in Deutschland aufhalten will, solide Deutschkenntnisse. Sch*** auf die Grammatik, Hauptsache: es werden vollständige Sätze aus deutschen Worten. Nun wäre es vermessen, nein Schlimmer noch: überheblich und arrogant, von einem Asylsuchenden zu verlagen, er solle gefälligst in der Lage sein, sich gegenüber Behörden, Amtspersonen und somit auch im Alltagsleben auf deutsch zu verständigen. Derjenige will in der Regel für einige Jahre einer politischen Verfolgung entkommen und anschließend zurück in seine Heimat (keine Widerworte jetzt. Ich spreche hier nur vom Ideal-Asylsuchenden). Hier setzt dann die Toleranz ein. Wir (die Gesellschaft) dulden es, wenn jemand aus einer Notlage heraus Unterschlupf bei uns sucht, dass er keine Deutschkenntnisse besitzt. Wir ertragen es, wenn er sich gegenüber uns nicht so verständigen kann, wie es "ein Deutscher" kann. Genau so dulden wir es ja auch, dass er sich in unserem Land aufhält, weil er in seiner Heimat aus, der Meinung unserer Gesellschaft nach, ungerechtfertigten Gründen mit dem Tod oder Misshandlungen bedroht wird.
Auf Intoleranz zu stoßen, bedeutet für jeden eine negative Erfahrung. Hier bin ich, der ich mich perfekt fühle. Und dort sind andere, meistens eine Mehrheit, die irgendetwas an mir nicht hinnehmen wollen, nicht dulden. Es ist wirklich hart, eine solche Erfahrung zu machen, das schädigt das Selbstwertgefühl ungemein.
Kritik aber passt in unsere leistungsfreie Vollkaskogesellschaft, in die Gedankengänge von Alt-68ern, Waldorfanhängern, Anti-Konservativen und rückgratlosen Schafen nicht hinein. Also muss Intoleranz an sich schlecht sein: Sei es, weil man dereinst selbst nicht toleriert wurde, weil der Staat, gegen den man vor 35 Jahren opponierte, in wirklich vielen Belangen intolerant war, weil es Aufwand erfordert, die Schnauze aufzureißen, weil man eventuell selber kritisiert werden könnte,...
Also nehmen wir alles hin, was uns aufgetischt wird und löffeln brav die Suppe auf.
Es ist eben intolerant (BÖSE!) einen Menschen zu kritisieren, der hier in Deutschland Starftaten begeht, wenn er doch in seiner Heimat verfolgt wird.
Ee ist intolerant (BÖSE!) einen Menschen zu kritisieren, der sich dauerhaft in unserem Land aufhalten möchte, und keinen Brocken deutsch kann.
Es ist intolerant (BÖSE!) einen Menshcne zu kritisieren, der noch nicht einam seinen Kindern deutsch beibringt, so dass diese später ein wenig still im Schulunterricht sitzen.
Es ist auch intolerant (Vielleicht nicht böse aber doch unangenehm) sich in die Erziehung anderer einzumischen oder in das handfeste Familienleben des Nachbarn.
Und natürlich ist es total intolerant (BÖSE! VERSTÄNDNISLOS!), unsere Kinder zwingen zu wollen, zur Schule zu gehen, obwohl sie doch wieder bei einem verständnislosen, intoleranten Lehrer Unterricht haben.
(womit ich mein Bogen wieder geschlossen habe)
So, wie es genau so intolerant ist, Schüler, die einen Unterricht stören oder behindern, von diesem auszuschließen (DAS IST SOGAR ANTISEMITISCH! Eigentlich überhaupt nicht, hat aber den Geschmack.)
Ach ja: Es ist auch total intolerant, ein paar tausend Kumpels im Pott nicht mehr mit einigen hundert Millionen Euro pro Jahr subventionieren zu wollen, von Studenten regelmäßigere Leistungsnachweise zu verlangen, den ersten Krankheitstag auf den Urlaub anrechnen zu wollen, von arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern ein Minimum an Gegenleistung erwarten zu wollen,...Die Frage ist natürlich, was tun wir uns, unserer Gesellschaft, den Grenzen, die unsere Gesellschaft errichtet hat, mit unserem Verhalten an.
Was geschieht mit einem komplex abgegrenzten Gebilde, dessen Grenzen kontinuierlich aufgeweicht werden?PAX