Auf dem Weg ins Dunkle Zeitalter
Geschrieben von Andreas am 29. September 2003 00:14:01:
Der Herbst steht wieder einmal vor der Tür. Hinter uns liegt ein überdurchschnittlich warmer Sommer. In einigen Ländern starben infolge der Hitze mehrere Tausend Menschen, was nicht unbedingt gutes Zeugnis für die Gesundheits- und Katastrophenbewältigungssysteme dieser Länder ist. Ebenfalls wenig beruhigend wenn auch nicht unmittelbar dramatisch ist der Zustand der Infrastruktur in vielen westlichen Ländern. Während die Supermacht USA und Schweden vor einigen Wochen von einem gewaltigen Stromausfall und Italien soeben von einem totalen Blackout heimgesucht wurden, beschweren sich die britischen Staatsbürger über die anhaltend schlechten Zustände ihrer Strassen, derweil in Berlin die Schliessung zoologischer Anlagen und Schwimmbäder aufgrund der prekären Finanzlage ins Auge gefasst oder durchgeführt wurde. Schlechte Strassen und geschlossene Schwimmbäder gab es auch schon im alten Rom. Diese Zeichen verhiessen damals, wie wir heute wissen, nichts Gutes.
Es steht auch uns keine erfreuliche Entwicklung bevor in diesem Jahrhundert. Über langfristige Zeiträume betrachtet geht mit einer wachsenden Bevölkerung auch wachsender Wohlstand einher, ein Effekt des so genannten "growth of scales". Heute sieht es bei uns diesbezüglich düster aus: Die demographische Entwicklung wird in Verbindung mit sinkenden Staatseinnahmen zu finanziellen Engpässen führen, das wirtschaftliche Potenzialwachstum wird immer kleiner. Das Gerede vom stets im nächsten Jahr bevorstehenden "Aufschwung" ist also letztlich Augenwischerei. Wohl mag es noch einige Auf und Abs geben, doch der langfristige Trend zeigt klar nach unten.
Wenngleich in unserer modernen Welt technologischer Vorsprung zahlenmässige Unterlegenheit mehr als wettmachen kann - als Sinnbild hierfür fällt mir stets das fürchterliche Gemetzel auf der Strasse von Kuwait City nach Basra im Jahre 1991 ein - so dürfen wir nicht die Augen davor verschliessen, dass es infolge der grundlegenden demographischen und ökonomischen Veränderungen über kurz oder lang zu einer Konfrontation zwischen nichtwestlichen Nationen und unseren Industrieländern kommen muss. Die friedensfördernde Wirkung des Freihandels wurde schon oft beschworen, unter anderem auch kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Auch die zunehmende Verbreitung von verheerenden Massenvernichtungswaffen in nichtwestliche Staaten ist nicht wirklich geeignet zur Beruhigung des Gemüts, zumal dadurch das unberechenbare Moment in der internationalen Sicherheitsarchitektur erhöht wird.Der Weltfriede wird nicht als Resultat irgendwelcher farbiger Protestbewegungen oder Sonntagsreden einkehren, sondern erst dann, wenn sich - wie es einst im Innern der Staaten der Fall war - ein Hegemon mit dem legitimen Monopol der Gewalt durchgesetzt hat. Im Moment bewegt sich die Welt nicht in diese Richtung. Der momentane Garant für die Sicherheit und Stabilität in der westlichen Hemisphäre scheint zwar militärisch über lange Zeit hinaus nach wie vor unangefochten. Dennoch ist bereits zum jetztigen Zeitpunkt der Niedergang der dominanten Position der USA unverkennbar. Ihr Anteil an der weltweiten Güterproduktion geht laufend zurück. Zwar nimmt Amerika in der Herstellung von innovativen Technologien, insbesondere im Bereicht der Computertechnologie, einen führenden Platz ein. Doch es hat es versäumt, seinen in den 60er Jahren errungenen Vorsprung in der Kolonialisierung des Weltraumes signifikant auszubauen, geschweige denn eine Monopolstellung einzunehmen. Ganz im Gegenteil bedeutet der Verlust der "Columbia" vor einigen Monaten einen herben Rückschlag für die amerikanische Weltraumfahrt.
Es bleibt zudem abzuwarten, ob das Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine alternative Energiequelle zu den fossilen Brennstoffen entwickeln wird. Sollte es dagegen ein chinesisches Ingenieurteam sein, dem in diesem Feld die bahnbrechende Entdeckung gelingt, so würden die USA zwar ebenso in den Genuss derselben kommen, doch wäre dies ein Zeichen, dass sie gegenüber dem Reich der Mitte in einem Sektor ins Hintertreffen geraten sind - wie anfangs des 20. Jahrhunderts Grossbritannien in der petrochemischen und elektrotechnischen Industrie gegenüber dem Deutschen Reich. Solange die fossilen Energieträger unentbehrlich für das Funktionieren unserer Gesellschaften sind, solange wird Amerika eine minimale militärische Aufmerksamkeit im Nahen Osten signalisieren müssen und sei es nur eine "over-the-horizon"-Präsenz zur Beruhigung der vielerorts verhassten Regime und Abschreckung allfälliger regionaler Ruhestörer.Die "costs of hegemony" werden hoch bleiben während die Kluft zwischen armen und sozial Benachteiligten und extrem Reichen in den USA wie in allenthalben weiter anwachsen wird. In immer stärkerem Masse bedrängt von Konkurrenzprodukten (aus Asien), wird die amerikanischen Industrie Arbeitsplätze abbauen oder billige Arbeitskräfte importieren müssen. In Europa wird die schleichende Veränderung der ethnischen und religiösen Zusammensetzung angesichts der geopolitischen Lage wohl voranschreiten. Italien und Ostmitteleuropa stellen offene Einfallstore dar. Korrupte Behörden und langwierige Abschiebeverfahren bieten einen idealen Nährboden für das Schleuserwesen und die organisierte Kriminalität. Es ist nicht zu erwarten, dass die EU-Erweiterung, etwa gar unter Einbeziehung der Türkei, diese und andere Probleme lösen wird, genauso wenig wie es Rom letzten Endes genutzt hat, allen Untertanen die römische Staatsbürgerschaft zu verleihen. Viel eher wird Europa unter dem Diktat der Verordnungen und Bestimmungen der Brüsseler Bürokratie zu einer behäbigen Ansammlung aus politisch, wirtschaftlich und kulturell überaus unterschiedlichen Nationen werden. Eine radikale Transferierung der Souveränität der einzelnen Staaten nach Brüssel bei gleichzeitiger Aufhebung des Demokratiedefizits der EU erscheint in naher Zukunft unwahrscheinlich. Doch nur wenn deren rasche Entscheidungsfähigkeit als Block gewährleistet ist, wird sie ihre Grösse auch in aussenpolitisches Gewicht ummüntzen können.
Noch leuchten die Lichter in Europa und Amerika. Noch ist die Vorherrschaft des Westens Realität udn befinden wir uns in einer privilegierten Situation. Doch dies wird definitiv nicht so bleiben und vielleicht werden auch einige wenige von uns werden dereinst noch den Anbruch des Dunklen Zeitalters erleben.
Andreas
- Re: Auf dem Weg ins Dunkle Zeitalter Systemfeind 29.9.2003 06:54 (5)
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