Expertenchat mit Friedhelm Hengsbach - Sozial-Ethiker

Geschrieben von KyroxX am 28. September 2003 23:39:30:

Hier der Chatlog:

FriedhelmHengsbach: Wenn auf der einen Seite die Parteien nicht reine Kanzlerwahlvereine sind und den Entscheidungen der Abgeordneten Respekt entgegengebracht wird.

canda1: Herr Hengsbach, wie soll die Glaubwürdigkeit hergestellt werden, wenn beispielsweise 30 Mrd. im Jahr ungestraft verschlampt werden. (Bericht der Rechnungshöfe)

FriedhelmHengsbach: Die Kontrollen des Rechnungshofes sind ein Instrument, dagegen vorzugehen.

mobility1: Herr Hengsbach, meinen Sie nicht auch, dass die Probleme grundsätzlicher sind als die von Ihnen in der Sendung genannten Punkte?
FriedhelmHengsbach: Die Ursachen der ARbeitslosigkeit liegen auf zwei Ebenen: Auf den

vorgelagerten Ebenen der mangelnden Güternachfrage und der fehlgesteuerten Finanzmärkten. Und auf der nachrangigen Ebene der Belastung der ARbeitsverhältnisse mit den
Sozialleistungen.

Margrit1: Margrit: es muss möglich sein, die Lobbygruppen endlich raus zu halten. Ein H. Hundt, Rogoweski usw. haben nicht ständig mitzuregieren. Wie kann man das bewerkstelligen?

FriedhelmHengsbach: INdem die politischen Entscheidungsträger sich von den ARabeitgebern und Unternehmern unabhängig machen.

FriedhelmHengsbach: Vorrang der Politik gegenüber den Kapitalinteressen.

ruhebo201: Halten Sie die sogenannte Gesundheitsreform für einen "gesunden Mix", wie ihn die

Frau Gesundheitsministerin bezeichnet hat? Wenn nein, warum nicht.
Meldung an den Moderator (wird geprüft und eventuell freigeschaltet): Herr Hengsbach, was meinen Sie wie lange die Mittelständler in Deutschland den schon seit Jahren andauernden Diskussionen ohne nennenswerte Erfolge, ruhig zusehen werden?

FriedhelmHengsbach: Der Mix könnte darin bestehen, daß an allen Schaltstellen des Gesundheitssysstems Veränderungen vorgenommen werden - vor allen an der kollektiven Steuerung: Kassenärtzliche Vereinigungen, Krankenhäuser und Pharmaindustrie als Anbietern

FriedhelmHengsbach: und Krankenkassen als Nachfrager.

FriedhelmHengsbach: Die aktuellen Maßnahmen treffen zunächst die Versicherten und Patienten.

FriedhelmHengsbach: Sie haben keine STeurungswirkungen.

Harald11: Herr Hengsbach, Sie halten den 'Rasenmäher' für den falschen Weg beim Abbau von Subventionen. Wie kann man denn dann gegen die 'Festungskommandanten' eine Reduktion erreichen?

FriedhelmHengsbach: Es müssen die Perspektiven der staatlichen und privaten
Wirtschaftsaktivität definiert werden - zum Beispiel Stärkung der erneuerbaren Energien, Belastung der umweltgefährdeten Produktionsprozesse.

FriedhelmHengsbach: Die Besteuerung des Flugbenzins ist anders zu beurteilen als die steuerliche Entlastung der Pendler.

FriedhelmHengsbach: Die Beseitigung der PEndlerpauschale müßte kombiniert werden mit der BEreitstellung von Wohnraum in den Ballungszentren.

Rainer1: Warum versuchen unsere Politiker die Schuld an der miesere immer den
Arbeitern,Rentnern, Kranken und Kindern in die Schuhe zu schieben anstatt ihre eigene Schuld

einzugestehen und endlich Reformen für alle in die Wege zuleiten ?
FriedhelmHengsbach: Weil diejenigen, die die Entscheidungen treffen in der Regel das Risiko der Arbeitslosigkeit, Altersarmut und nichtbezahlbarer Gesundheitskosten nicht kennen.

societasjesu1: Können die KIrchen einen Beitrag heraus aus der Krise des Sozialstaates leisten? Und wenn ja: Welchen?
FriedhelmHengsbach: Im "Sozialwort" von 1997 haben die Kirchen Perspektiven einer ökosozialen Marktwirtschaft eines neuen Arbeitsverständnisses und einer erweiterten Solidarität erleutert.

Derzeit schwenken die Kirchenleitungen auf den Hauptstrom der politischen und ökonomischen Klasse ein.

Margrit1: Margrit: Herr Hengsbach, wie könnte man es erreichen, dass Arbeitgeber bzw. die Manager sich mal mit dem ganz normalen Bürger an den Tisch setzen und über die Lage diskutieren?

FriedhelmHengsbach: Es gibt Versuche des "Seitenwechsels": Manager arbeiten eine Wochen in einem Altenheim - rührend aber unzureichend.

FriedhelmHengsbach: Es geht darum, Gegenmacht zu bilden und eine Gegenöffentlichkeit über die Lage der Abhängigbeschäftigten und unteren Einkommensgruppen zu schaffen.

Peter1: Meinen Sie nicht, dass die Schröder Partei ideenlos, orientierungslos und als unzumutbar für den normal vedienenden Bürger geworden ist?

FriedhelmHengsbach: Die rot-grüne Koalition läuft derzeit der neoliberalen Propaganda nach. Was Kohl nicht durchsetzen wollte, dazu scheint Schröder bereit zu sein.

FriedhelmHengsbach: Er unterstellt, daß durch die sozialen Einschnitte der Agenda die Unternehmer zu Investitionen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bereit sein werden.

FriedhelmHengsbach: Anders ist diese Politik nicht zu erklären.

FriedhelmHengsbach: Sie belastet einseitig die Opfer der Krise und verspricht öffentliche und private Belebung der Wirtschaftstätigkeit.

ursula531: Die ganze diskussion dreht sich um finanzen.Sehen Sie als Sozialethiker die ethischen und moralischen Anliegen der menschen genügend berücksichtigt.Persönliche Situationen z.b. beim Arbeitsamt werden nicht gerne gesehen .

FriedhelmHengsbach: Ja, die heutige Debatte hat sich ausschließlich um STeuern und Subventionen gedreht.

FriedhelmHengsbach: Meiner Meinung nach werden partikuläre Themen nach einander in die Öffentlichkeit getrieben.

FriedhelmHengsbach: Die ARbeitsunwilligen und arbeitsunfähigen Arbeitslosen, die Sozialhilfeempfänger die zumutbare Arbeit verweigern, das ARbeitsamt, die Gewerkschaften, die Menschen die Angst vor Reformen haben

FriedhelmHengsbach: die Lohnkosten, die Sozialabgaben, die Steuern, die Subventionen

FriedhelmHengsbach: Es fehlt die Diskussion über das Warum dieser Maßnahmen. Vermutlich sind die Unterstellungen, daß Leute nicht arbeiten wollen, und daß sie selbst für ihren ARbeitsplatz verantwortlich seien, falsch.

FriedhelmHengsbach: Es geht um gleiche Lebenschancen für Frauen und Männer, Ostdeutsche und Westdeutsche, Haushalte mit und ohne Kinder, untere und mittlere Einkommensschichten.

LinksLiberaler1: Denken sie nicht auch, dass die CDU/CSU absolut KEINE Alternative zur Regierung sind? Wenn ja, warum?

FriedhelmHengsbach: Die Parteien versuchen, sich gegenseitig mit "Sparen, Streichen, Kürzen" zu übertreffen.

FriedhelmHengsbach: Und den STaat zu verschlanken und private Einkommen zu erhöhen.

FriedhelmHengsbach: Das Ergebnis ist vermutlich nicht mehr Wachstum und nicht mehr Beschäftigung, wie in den letzten 25 Jahren zu beobachten war.

Hans5: Haben die Parteien überhaupt noch einen Einfluß auf die die Konzerne und Banken, oder sind sie nicht mehr nur noch die Diener de s Kapitals
FriedhelmHengsbach: Es gibt einen Komplex, der öffentlichen Theoriedebatte und politischen STrategiedebatte, der sich aus dem Hauptstrom der neoklassischen Wirtschaftstheorie, den ARbeitgebern und Unternehmerverbänden und der Wirtschaftspresse zusammensetzt.

Nervous1: PERSPEKTIVENLOSIGKEIT! Wie sehen Sie es? Welche Ideen sind wirklich neu und wieviel platz lässt die Wirtschaft der Politik im Angesicht der hohen Verschuldung für wirklich neue Ideen?

FriedhelmHengsbach: Die hohe Staatsverschuldung ist eine Nebenarena, denn der Verschuldung des STaates steht eine private Vermögensbildung gegenüber.

FriedhelmHengsbach: Dem STaat als SChuldner stehen private Gläubiger gegenüber.

FriedhelmHengsbach: Da private Haushalte und Unternehmen sich nicht verschulden wollen, muß es der Staat tun.

FriedhelmHengsbach: Außerdem ist die Ursache der hohen Staatsverschuldung in Deutschland durch die hohe ARbeitslosigkeit und die Vereinigung bedingt.

FriedhelmHengsbach: Die Wirtschaft erwartet Wachstum und Gewinne.

FriedhelmHengsbach: Deshalb müssen von den Politikern neue Märkte erschlossen werden:

Ökosoziale Umsteuerung, z. B. umweltverträgliche Verkehrs- und Energiesysteme, biologische Landwirtschaft.

FriedhelmHengsbach: Außerdem personenbezogene Dienstleistungen im Bereich Gesundheit, Bildung, Kultur.

FriedhelmHengsbach: Ganz herzlichen Dank für die interessanten Fragen. Ihnen einen schönen Abend und eine gute Nacht!

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Jo das wars
Gr33z
KyroxX


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