Russland: Oligarch warnt vor Infiltration durch Geheimdienste

Geschrieben von Subman am 29. Juli 2003 14:18:37:

Als Antwort auf: NACHRICHTEN ( OWT ) (o.T.) geschrieben von Napoleon am 29. Juli 2003 07:15:18:

[Von Johannes in den Nachrichten-Thread kopiert]



Geschrieben von Subman am 29. Juli 2003 14:06:10:


Der reichste Mann Russlands prangert "Männer mit Schulterklappen" an - Offener Brief verschärft den Machtkampf in Russland


Moskau - Der Konzernchef Michail Chodorkowski ist ein politisch unbequemer Oligarch, der den Fehler gemacht hat, Präsident Putin und dessen Entourage herauszufordern. Der Kreml reagierte mit Strafaktionen. In Russland tobt ein erbitterter Kampf um die Macht

Der Oligarch Michail Chodorkowski (40) hat vor einer Übernahme der russischen Wirtschaft durch Mitarbeiter des Geheimdienstes und der Sicherheitsorgane gewarnt. "Wollen wir wirklich, dass die Unternehmen in die Hände von Menschen geraten, die früher Schulterklappen trugen?", fragte der reichste Mann Russlands in einem offenen Brief an die Zeitung "Novaja Gazeta".

Das Schreiben des Chefs von Russlands größtem Erdölkonzern Yukos dürfte weniger an die Leser der Oppositionszeitung als vielmehr an Wladimir Putin gerichtet sein. Der ehemalige Geheimdienstoberst Putin, auch ein "Mann mit Schulterklappen", regiert den Konzern Russland und weigert sich seit Wochen, Chodorkowski zu empfangen. Der Kreml-Chef schweigt. Auch wenn bei Yukos die Staatsanwälte ein- und ausgehen, Chodorkowskis engster Mitarbeiter Platon Lebedew auf Grund eines in einem Rechtsstaat undenkbaren Haftbefehls in Untersuchungshaft sitzt und die ganze Angelegenheit nicht den Anschein eines Verfahrens fern aller politischen Obsessionen erweckt, sieht Putin keinen Handlungsbedarf.

Im Machtkampf Putin-Chodorkowski geht es um die Frage, wie denn künftig das Verhältnis von Staat und Wirtschaft aussehen soll. Chodorkowski pokerte hoch, brachte sich als möglicher Nachfolger Putins ins Gespräch, finanzierte Oppositionsparteien in der Staatsduma, um ein Gegengewicht zu den Kreml-Parteien zu schaffen - und machte damit den Fehler, Putins Kreise zu stören.

Im Zuge der Privatisierung des Volksvermögens Anfang und Mitte der neunziger Jahre hatte sich eine Kaste von Unternehmern herausgebildet. Ihre Mitglieder werden gemeinhin Oligarchen genannt. Dank der Verzahnung mit der Politik bildeten sich gigantische Vermögen heraus. So gehören den "G 8", den acht reichsten Unternehmern Russlands, heute 54 der 64 größten Konzerne des Landes.

In einem Land mit "17 Milliardären und 40 Millionen Armen", wie der demokratische Politiker Boris Nemzow die Sozialstruktur Russlands charakterisiert, sind Kapitalisten wie Chodorkowski verhasst. Kein Wunder, dass nun, da im Dezember das Parlament gewählt wird und im kommenden März der Präsident, der Kampf gegen die Oligarchen zu einem Wahlkampfhit wird.

Eine Umverteilung der Vermögen hätte jedoch unabsehbare Folgen. Eine Enteignung würde das Investitionsklima im Lande auf Jahre vergiften, jegliche Stabilität wäre dahin. Eine staatliche Verwaltung der nationalisierten Industrieunternehmen und Rohstoffgiganten wäre, das lehrt die Erfahrung aus 70 Jahren Planwirtschaft, zudem schlicht ineffizient.

Die treibende Kraft für den Kampf gegen die Oligarchen sind die Männer aus den Sicherheitsstrukturen. Wiktor Iwanow, Generalleutnant des KGB und heute Vizeverwaltungschef im Kreml, gilt als Drahtzieher. Nikolai Patruschew, Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB, Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow und Igor Setschin, ein enger Vertrauter Putins im Kreml, der ebenso seine Sporen beim KGB verdiente, sind die Entscheidungsträger.

Diese Männer mit Schulterklappen operieren nicht unabhängig vom Wirtschaftsgeschehen, sondern sie sind Teil des Netzwerks. So ist es kein Wunder, dass gerade die boomende russische Ölbranche attackiert wird. Chodorkowskis Konzern Yukos würde durch die kürzlich eingefädelte Übernahme des Konkurrenten Sibneft zum Global Player. Der Einfluss des Kreml auf das Öl wäre dahin.

Die russische Soziologin Olga Kryschtanowskaja erforscht seit einem Jahrzehnt Eliten in Russland. Ihr Fazit: "Die Zahl der Personen mit militärischer oder geheimdienstlicher Vergangenheit in der Politik hat sich seit der Machtübernahme Putins mehr als verdoppelt." Jeder vierte Elitenvertreter stamme aus diesem sozialen Umfeld. "Die meisten", so Kryschtanowskaja, "behalten ihren Status als Reserveoffiziere des FSB. Sie sind also nicht nur ihrem Minister, sondern auch dem Geheimdienst gegenüber rechenschaftspflichtig."




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