Re: Verantwortung, Ursache und Wirkung

Geschrieben von Mabo am 08. Juli 2003 23:36:54:

Als Antwort auf: 1. Antwort an Mabo geschrieben von Badland Warrior am 07. Juli 2003 21:55:37:

Hallo Badland!

Erstmal freue ich mich über deine ausführliche Antwort. ( Auch einen lieben Gruß an meinen Flankenschutz ;-) von Epidophekles und MaYa. )

Ich will nun nicht zitierend auf jeden deiner Sätze eingehen, weil ich gar nicht den Eindruck erwecken will, dass ich alles besser wüsste als du, oder dass ich an allem, was du gesagt hast, was auszusetzen hätte. Es gab eine Zeit in der ich dir unumwunden beigepflichtet hätte.

In diesem Beitrag möchte ich mal den Schwerpunkt auf das Ding mit der Verantwortung legen. Das ist absolut kein Kleinscheiß. Und natürlich: Ursache und Wirkung. Dieses Gesetz erkenne ich an, auf allen Ebenen, im Physischen wie im Geistigen.

Du zählst einen Haufen Dinge auf, die ich genauso wie du beobachte. Gerade die Verdammnis zum exponetiellen Wachstums ist ja eines meiner "Lieblingsthemen", bei der Suche nach ursächlichen Auslösern. Du sagst, "das Zinssystem ist für den Arsch" und meinst auch, dass es "KEIN unendlichens Wirtschaftswachstum geben KANN". Ich bin genau deiner Meinung, wenn ich offen gegen den Kapitalismus bin. Deswegen bin ich aber noch kein Kommunist und schon gar kein Anhänger von dem, was Stalin meinte darunter zu verstehen. Auch bei dieser Debatte wird man immer in Polaritäten gezwängt.

Ich meine in diesem Zinskapitalismus, der auf Gedeih und Verderb zu endlosem Wachstum verdammt ist, was tatsächlich in der Realität nie so lange funktionieren kann, wie es auf dem Papier stur hinausgezögert wird, eine wichtige - sicher nicht die einzige - Ursache für eine ganze Reihe von Problemen identifiziert zu haben. Aufgrund seiner nimmersattwerdenden (Un)Natur hat er mit unserer horrenden Staatsverschuldung, mit dem Abbau von Arbeitsplätzen und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit, mit der kurzsichtigen Verschmutzung unseres Lebensraums, mit der ungeheuren Armut in den weitesten Teilen der Erde und - ja - mit vielen, wenn nicht allen Kriegen auf dieser Erde zu tun. Ich halte nochmal fest: Wir haben hier eine Ursache identifiziert.

Wenn ich nun deinen Szenarien lausche, die für mich nicht etwa unvorstellbarer Unfug sind, sondern die sich durchaus so, so ähnlich oder noch schlimmer ereignen könnten (was mich mit an deine Welt koppelt, bin ich aber selber Schuld ;), dann entsteht der Eindruck, als sei die Ursache unserer Probleme der "böse Russe". Und jetzt werden wirklich Ursache und Wirkung vertauscht, wie ich meine. Denn zur Rechtfertigung für das Töten dieser "Angreifer", müssen diese als ursächliches Problem begriffen werden. Oder aber, man bekämpfte ja nur wieder ein Symptom, diesmal "den Russen" nämlich, und nicht das eigentliche Problem.

Der Russe an sich ist doch auch nur ein armes Würstchen wie wir, dem man irgendwas von Ursache und Wirkung erzählt hat. Und ihm haben sie genau den gleichen Mist erzählt wie uns. Du sagst: "wir sind verarscht worden, unsere Eltern sind verarscht worden, unsere Großeltern usw. bis was weiß ich, wann." Und er ist auch verarscht worden! BW: "...die Westdeutschen ebenso, wie auch die Franzosen, Italiener, bla, alle verarscht worden" - Eben! Aber auch die Russen, die Irakis, die Afgahnis - alle! Und wir haben uns alle verarschen lassen. Wenn wir aber weiter die Schuld bei "dem Russen" suchen, dann geht die Verarsche nur weiter. Und wenn die Russen uns tatsächlich einmal angreifen, dann hat der Russe sich auch bloß verarschen lassen.

Nehemen wir das Freund-Feind Wechselspiel in der Beziehung zwischen Amerika und dem Irak. Mal waren sie das Bollwerk gegen den Iran, dann geächtet, dann wieder gut genug gegen die Kommunisten und schließlich doch wieder die Bösewichte. Wie es der Komplettverarsche gerade in den Sinn passt. Wo liegen dafür die Ursachen? Auch hier geht es um blanke Machtinteressen, um Resourcenkontrolle, um Kapital. Die Ursache liegt wieder mal in dem Wirtschaftssystem in dem wir selber bisher profitieren konnten. Dass in New York ein so schreckliches Attentat geschah, ist ein Symptom und keine Ursache. Die Amerikaner machten daraus aber dann eine Ursache die es zu bekriegen gilt.

Auch wenn der Russe eines Tages hier so rummarodiert wie von dir beschrieben, dann, weil das die Wirkung ist auf die Ursachen, die wir mit unserem Festhalten an einem als falsch erkannten System setzen. Wir verleugnen die kausalen Zusammenhänge zwischen unserem wohlständigen Lebensstil und der massiven Armut der überwiegenden Erdbevölkerung. Auch die Bevölkerungsexplosion in der sog. Dritten Welt erkenen wir nicht als Symptom und machen daraus eine Ursache, die man irgendwie eindämmen müsste. Nun wird an den Genen unseres Essens herumgespielt, mit unabsehbaren Folgen. Jetzt erstmal mit Auszeichnungspflicht, in ein paar Jahren wird damit wieder ganz modern "aufgeräumt" und wir fressen es doch "unwissend" in uns hinein, schwächen womöglich tatsächlich unser Imunsystem und werden "plötzlich" von irgendeinem "bösen Virus" ausgerottet. Aufgrund des Kapitaldrucks handeln wir heute auf fast allen Ebenen vollkommen unvernünftig und basteln damit täglich "Ursachen" von morgen, die wir dann ausschalten müssen.

Erst jetzt, wo die Probleme uns selbst zunehmend betreffen, geht ein Raunen durch die Lande. Wir fangen an die Wirkungen der Ursachen die wir setzen selbst zu spüren. Plötzlich kann man mit Arbeitskollegen und sogar kapitalistisch eingeschworenen Wirtschaftswunderkindern über die fatalen Auswirkungen sprechen. Alle sind sich einig, dass es so nicht weiter gehen kann. Endlich ist das Thema in den Köpfen, endlich beginnt das Eis der bisherigen Verleugnung aufzubrechen. Aber schon geht die Suche nach Schuldigen los. Die Regierung Bush, die Aktionäre, die Kleinanleger, der islamistische Terror, Klimakatastrophen, das alte Europa und man zeigt mit dem Finger auf die "Korruptlinge, Abzocker, Ausbeuter, Politschmarotzer, Bänker" usw. Und ja, der Fingerzeig ist sicher nicht ganz falsch, aber wir haben doch alle mitgespielt. Als ich 18 war, schloss ich damals auch einen Bausparvertrag und eine Lebensversicherung ab. Man rechnete mir vor, dass ich nur so und so lange die und die Summe anzahlen müsse und dann laufe das quasi von ganz alleine. Durch die Zinsen eben. Tolle Sache das! Ach so, da wurde ich wohl verarscht. Aber ich habe mich doch auch verarschen lassen! Oder ich habe es sogar auch ein Stück weit in Kauf genommen. So sei es nunmal. Machen ja schließlich alle so. Darf man sich selber also ausnehmen, bei der Liste der Abzocker und Korruptlinge? Heute meine ich nein, wir müssen jeder einzelne Verantwortung dafür übernehmen! Selbst dann, wenn wir uns einfach nur haben verarschen lassen. Dann eben dafür!

Wenn wir doch unser eigenes Wirtschafts- und Finanzsystem als Ursache für programmierte Ungerechtigkeit in der Welt entlarvt haben, dann haben wir doch was, wo wir unsere Energie sinnvoll reinstecken könnten. Wenn wir stattdessen den Russen fürchten, die Islamisten oder auch die Amerikaner oder die berüchtigten Sonstirgendwonesen, dann verarschen wir uns schon wieder selbst. Denn die alle sind aufgrund der gleichen Ursachen in diesem Monopoly-Spiel verstrickt. Es bedarf Veränderungen im Regelwerk. Wenn man sich an einen Tisch setzt und Monopoly oder Risiko spielt, dann hat man schlechte Aussichten auf ein friedliches Miteinander. Nur wenn man die Regeln verändern würde, die ansonsten ja programmgetreu immer zu Auseinandersetzungen führen müssen, darum geht es ja dabei, dann erst könnte man vielleicht friedlich die Straßen oder die Länder untereinander aufteilen.

Anstatt sich also zu bewaffnen und darauf zu warten, dass die Ungerechtigkeiten ihre voraussagbaren Wirkungen zeitigen, sollte man die Ursachen angehen. Die Profiteure werden zahlenmäßig immer weniger und eigentlich nur auf dem Papier mächtiger. "Eigentlich" deswegen, weil das ganze Machtgefüge auf der Erde und in jedem Land "nur" aufgrund einer Art getroffenen Vereinbarung besteht. Nicht vergleichbar mit einem Killerkometen, der uns unausweichlich und für uns heutzutage unabänderlich vernichten könnte. Das Zinssystem ist kein Naturgesetz, was der Mensch nicht ändern könnte. Es ist nicht einmal ein Tanker auf voller Fahrt, der eine Auslaufzeit zwingend erfordert. (Zumindest abgesehen von den klimatischen Folgen unseres Tuns.) Natürlich ist es unrealistisch und unmöglich innerhalb der bestehenden Parameter das System zu reparieren und schon gar nicht mit so läppschen Reförmchen wie sie derzeit zum erbrechen diskutiert werden. Badland, das sehe ich wie du. Aber die Parameter müssen nicht bestehen bleiben. Das ist alles nur in unseren Köpfen.

Jetzt wird es uns erstmal allen schlechter gehen, weil immer noch versucht wird, etwas zu bedienen, was nicht mehr bedienbar ist. Du sagst, dass die Profiteure nun nur noch versuchten "noch einzusacken, was einzusacken geht und das Volk stillzuhalten". Und deswegen läuft die Verarsche auf vollen Touren. Damit es das nicht checkt, das gemeine Volk. (Wobei derzeit der Durchblick auch der Profiteure immer noch eher reine Selbstverarsche und Verleugnung ist.) Aber zu erkennen, dass da gewisse Interessenkreise eine Verarsche abziehen und den Untergang billigend in Kauf nehmen, ist doch eine ganz andere Erkenntnis, als einfach auf "den Russen" zu verweisen, der laut Proph sowieso bald kommen werde. Wollte man die Ursachen bekämpfen, müsste man zuallererst mal hier vor dieser eigenen Türe kehren. "Der Russe" ist doch ein Stellvertreter-Feind, ein Stellvertreter-Problem, was nur deswegen dem eigentlichen Problem vorgezogen wird, weil es viel schwieriger ist, sein eigenes Verhalten (sein eigenes System) zu ändern, als irgendjemand anderem notfalls mir Gewalt anderes Verhalten aufzuzwingen. Unser eigenes Wertesystem braucht um sich zu rechtfertigen immer ein Feinbild. Ohne Feindbild muss man sich zwangsläufig auf sich selbst konzentrieren.

Ich hatte auch von selektiver Wahrnehmung gesprochen. So, wie die News, die das Schreckensbild hier unterstreichen, gezielt herausgegriffen werden, so wird gezeilt bei den Prophezeiungen nur das gesehen, was ins Bild passt. Und trifft eine Prophezeiung mal doch nicht ein, obwohl der Prophet ansonsten eher als treffsicher gehandelt wird, dann hat er sich in diesem einen Punkt eben mal geirrt. Kann ja mal passieren. Er muss sich geirrt haben, so wird dann selektiv geschlussfolgert, denn die Zukunft soll gefälligst unabänderlich sein, also exakt so wie in den Visionen gezeigt. Sonst wäre die Zukunft womöglich doch änderbar!? Doch nur eine Warnung? Oder es furzt irgendwer einem in den Kopf und gibt sich als Gott oder Satan aus, verteilt Aufträge und klar, wenn der sagt er sei Gott, dann wird das sicher stimmen. Und wenn sich die Stimme als Alien ausgibt, dann ist das natürlich Schmarrn. Aber nicht wenn Gott drauf steht. Ein wahlloses, beliebiges Chaos. Jeder klammert sich an das, was zu ihm passt. Hier spielen dann die eigenen Erwartungen oder Vorstellbarkeiten eine Rolle, also die eigenen Gedanken, die in Resonanz hiermit oder mit was anderem treten. Eine Nancy glaubt an Aliens und steht somit mit ihnen in Kontakt. Ein Irlmeier fürchtet sich vor Russen, in seiner Zeit nur zu gut nachvollziehbar, und er sieht natürlich den Russen einmarschieren... Schon bei dem Propheten setzt eine Unschärfe ein, vermischen sich Eingaben mit eigenen Ängsten und eigener Phantasie. Schon da, in Rohfassung, sind sie ein subjektives Produkt. Und es liegt in der Natur der Sache, dass immer eine gewisse Trefferquote, zumindest tendenziell, zu finden sein wird. Der ganze Unfug, der todsicher niemals mehr eintreffen kann, wurde ja schon stikum wegrationalisiert. Die Frage aber, WOZU die Prophs bis zu uns gelangten, tritt immer mehr in den Hintergrund. Die Schlacht zur Änderung des Unabänderlichen wird bereits vor Antritt aufgegeben, und lieber auf ein anderes Schalchtfeld vertagt, was dann natürlich konform mit den Warnungen davor wird und somit unter dem Phänomen der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen verbucht werden müsste.

Das Thema Waffen führte zu dieser Diskussion, aber dabei geht es ja dann nur um die Steigerung der Gewalt. Die Gewalt wird ja wirtschaftlich bereits jetzt gegenüber denen ausgeübt, die dereinst diese Waffen zu kosten bekommen sollen. Deswegen habe ich etwas von dem Thema Abstand genommen, auch weil dazu fast alles gesagt ist. Zumal seit Wikking sich zu Wort gemeldet hat. ( Sehr schöner Beitrag, herzlichen Dank! ) Auch Du Badland, lobst Wikking. Sofern wir wirklich diametrale Standpunkte hätten, wäre das wohl ein Widerspruch. Aber auch hier haben wir wohl nur entsprechend unserer Natur selektiv jeder das herausgelesen, was uns daran gefallen hat. Wie du über den Waffeneinsatz geschrieben hast, hat absolut nichts mit dem zu tun, was Wikking gesagt hat: "KÄMPFEN LERNEN, um möglichst nie kämpfen zu müssen..." Auch spricht er von bewusstem Umgang und Übung, von Selbstbewusstsein mit dem man durchs Leben gehen soll. Und nicht von Waffen als Ausgleich für mangelndes Selbstbewusstsein.

Aber dennoch, auch bin gewiss nicht per se gewaltfrei, obwohl ich grundsätzlich pazifistisch eingestellt bin. Da ich keine Löcher in den Händen habe, wird die Schwelle zur Kampfbereitschaft nicht endlos hoch liegen. Wenn ich an das Tier in mir denke, dann auch mit dem Schrecken, wie unerwartet tief sie gelegen hat bzw. wie tief ich zugelassen hatte, dass sie gelegt wurde, durch die massive Gehiernwäsche und Bangemache. Wenn ich mich eines Tages tatsächlich in einem Kriegsszenario wiederfinde, dann will ich heute nicht ausschließen, dass ich zu irgendwelchen Waffen greife. Wer könnte das heute schon zu 100% sagen? Aber es ist immer noch was anderes, wenn ich mir heute schon die Feuerwaffen und Schwerter zurechtlege, mit denen ich dann "den Russen" bekämpfen werde, der selbst noch gar nichts davon weiß, dass er mich angreifen werden wird.

Ich spreche keinem das Recht auf Selbstverteidigung ab, und genauso auch keinem Staat. Nur man sollte dabei, sowohl im persönlichen Einzellfall als auch auf Staatsebene, eben nicht die Frage ausgeklammert lassen, wer was dazu beigetragen hat, dass es zum Kampf kam. Worum geht es in dem Kampf dann eigentlich? Stehe ich nur da und verteidige zu Recht mein gutes Vaterland, oder stehe ich auf dem Boden des Landes, dass mit dafür verantwortlich ist, dass das andere Land sich dermaßen an die Wand gedrängt fühlte, dass es dachte, es gäbe keine andere Wahl als die Flucht nach vorne? Aus deren Sicht handelt es sich dann wohl auch um Selbstverteidigung.

Viele Grüße
Mabo


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