US-Strategie - Konflikte schüren
Geschrieben von Scorp am 27. Juni 2003 11:18:46:
Als Antwort auf: Nachrichten (o. T.) (o.T.) geschrieben von Swissman am 27. Juni 2003 00:04:41:
US-Strategie - Konflikte schüren
thk./rt. Dort, wo die USA in den letzten fünf Jahren militärisch unter dem Euphemismus «friedensstiftende Massnahme» interveniert haben, sind die Zustände auch nach Jahren katastrophal. Weder die Intervention in Kosovo noch in Afghanistan, noch in Mazedonien, geschweige denn im Irak haben entscheidend zur Stabilisierung des zivilen Lebens in diesen Staaten beigetragen. Im Gegenteil, es herrscht absolutes Chaos, und man kann sich nur schwerlich des Eindrucks erwehren, dass dies gewollt ist.
In Kosovo ging es offiziell darum, die Vertreibungspolitik der Serben gegenüber den Kosovo-Albanern zu verhindern und den Diktator Milosevic zu einer Veränderung seiner Nationalitätenpolitik zu bewegen. Ein Teil der kosovarischen Bevölkerung wollte demgegenüber ihre Autonomie zurück und gleichberechtigt neben der serbischen Bevölkerung leben und wieder öffentliche Ämter bekleiden können; andere drängten auf völlige Unabhängigkeit von Serbien. Inzwischen sieht es so aus, dass ein grosser Teil der Kosovo-Serben vertrieben wurde oder freiwillig verschwunden ist, während die Mehrheit der Kosovo-Albaner sich endgültig von Belgrad verabschieden will. Das wiederum will die EU nicht zulassen. Eine Lösung dieses Problems ist nicht in Sicht, und die geschürten ethnischen Spannungen sind in keiner Weise gelöst. Doch ein Ziel haben die USA erreicht: Sie konnten den grössten europäischen Militärstützpunkt namens «Camp Bondsteel» errichten. Damit ist klar, dass die USA bleiben wollen. Doch mit welcher Berechtigung?
Mazedonien, dass von der Kosovo-Krise in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist heute ebenfalls ein Nato-Protektorat. Künstliche, unter Mithilfe des US-Geheimdienstes provozierte und hochgespielte ethnische Konflikte sollten dazu führen, dass die mazedonische Regierung die Nato um Hilfe rufen würde. Dieser Plan ging zunächst nicht auf. Die mazedonische Regierung wollte den Konflikt selbst lösen, sah sich jedoch einem erhöhten Druck sowohl der Nato als auch der EU ausgesetzt, die die Regierung förmlich dazu zwang, einem Einsatz der Nato zuzustimmen. Der Plan war, dass die Nato für 30 Tage in Mazedonien bleiben sollte, um nach einem Waffenstillstand zwischen den mazedonischen Regierungstruppen und der UÇK die Waffen einzusammeln. Heute sind zwei Jahre vergangen, Nato-Truppen sind immer noch dort, und ein Rückzug aus dem Gebiet scheint in nächster Zeit nicht geplant.
Noch prekärer ist die Lage in Afghanistan. Das Land, das nach dem 11. September die geballte militärische Macht der USA zu spüren bekam, ist in einem fürchterlichen Zustand. Man hat zwar schnellstens eine pseudo-afghanische Regierung eingesetzt, doch deren Einflussbereich beschränkt sich auf einen fünf Kilometer weiten Radius um Kabul und ist vor allem ein Appendix US-amerikanischer Machtpolitik. In den Provinzen Afghanistans herrschen wie seit eh und je die einzelnen Warlords, deren Machtbasis sich vor allem im zermürbenden Krieg gegen die sowjetische Besatzung Anfang der 80er Jahre gebildet hatte - nicht zuletzt durch die grosszügige finanzielle und materielle Unterstützung der USA im Kampf gegen das damals so verhasste Sowjetregime. Dass gerade diese Herrscher heute die stärksten Widersacher der imperialen amerikanischen Politik sind, ist eine Folge immer wieder zu beobachtender amerikanischer Strategie, die vornehmlich auf Machtgewinn aus ist und nicht die Freiheit, die Selbstbestimmung und den Frieden der jeweils gebeutelten Völker zum Ziel hat.
Die Erfahrungen aus den drei Ländern lassen erahnen, wie die Entwicklung im Irak weitergehen könnte. Die USA und ihre Alliierten haben mit ihrer Militärmaschinerie - mit Abstand die grösste der Welt - das von zehn Jahren Sanktionen geplagte und ausgezehrte Land erobert, unter einem Vorwand, der sich heute als Lüge erwiesen hat, nämlich das Massenvernichtungswaffen-Arsenal Saddam Husseins zu liquidieren und damit die Welt vor einem Vernichtungsschlag mit ABC-Waffen zu bewahren. Aber auch ein «Kreuzzug für Freiheit und Demokratie» sollte es sein, bei dem die irakische Bevölkerung den fremden Truppen im Land als «Befreier» zujubeln würde.
Es macht den Anschein, dass die amerikanische Militärstrategie zum grössten Teil aufgegangen ist; auch kein Kunststück bei der teuersten und technisch höchststehenden Armee der Welt gegen ein Drittwelt Land - Peter Scholl-Latour sprach von Indianer-Krieg -, doch die Vorstellung, als Befreier des Iraks gefeiert zu werden, erfüllte sich mitnichten. Im Gegenteil, die irakische Bevölkerung wünscht sich nichts sehnlicher, als dass die Besatzer so schnell wie möglich das Land verlassen, damit sie ihre Zukunft selbst an die Hand nehmen können. Doch dem ist nicht so, die USA richten sich auf mehrere Jahre ein und versuchen wie in den anderen Protektoraten auch, das Chaos zu zementieren und keine wirkliche Hilfe beim Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens zu leisten. Das Verhalten der US-amerikanischen Invasionstruppen zeugt von imperialer Arroganz und Menschenverachtung. Vor ein paar Tagen schossen US-Soldaten willkürlich in die Menge Demonstrierender, die lautstark vor dem US-Hauptquartier in Bagdad gegen die Anwesenheit der US-Armee in ihrem Land protestierten. Man fühlt sich immer mehr an Zustände in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten erinnert, wo die Besatzungsmacht immer das Recht auf ihrer Seite hat und die Willkür grenzenlos ist.
Die letzte Woche begonnene Entwaffnung der irakischen Zivilbevölkerung unter Androhung drastischer Strafen gehört zur Strategie, die mit dem Einmarsch der Verbündeten im Irak begonnen hatte. Bis heute machten die Besatzer keine Anstalten, die Ordnung im zivilen Leben der Iraker herzustellen und die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten. Marodierenden Banden schauten die Besatzungstruppen tatenlos zu, wie sie Spitäler, Museen, Behörden, Geschäfte, Banken usw. plünderten, und sicherten nur die irakische Nationalbank und das Ölministerium. Alles übrige überliessen die US-Soldaten der Plünderung mit dem lapidaren Kommentar: «It's not my job». Dass die Bevölkerung sich bei solchen Zuständen zu einer Art Selbsthilfe veranlasst sieht und infolgedessen auch an eine bewaffnete Selbstverteidigung denkt, liegt auf der Hand. Wenn die USA heute die Zivilbevölkerung entwaffnen, liefern sie diese bewusst gewalttätigen Banden aus, die seit dem ersten Tag der Kapitulation unter Duldung der Besatzungsmächte USA und Grossbritannien durch die Lande ziehen.
Vordringlichste Aufgabe und völkerrechtliche Pflicht der US-Besatzungsmacht wäre es gewesen, die zivile Ordnung wiederherzustellen, die verbleibenden Truppenteile zu entwaffnen und sich für den Schutz der Bevölkerung einzusetzen. Der nächste Schritt hätte darin liegen müssen, der irakischen Bevölkerung so schnell wie möglich politische Kompetenzen zu übergeben: Einen Prozess einzuleiten, an dessen Ende eine vom Volk oder von gewählten Vertretern ausgearbeitete irakische Verfassung steht, die in einer freien Wahl angenommen oder abgelehnt werden können muss. Weiterhin müsste der Aufbau von zivilen Einrichtungen gefördert und gestützt werden sowie die gesamte Aktivität auf den Aufbau einer vom irakischen Volk gewünschten Staatsform gerichtet sein, die allen Geistesströmungen und Ethnien, die im Irak vertreten sind, Rechnung trägt. Es ist bezeichnend, dass die US-Regierung einen amerikanischen, nicht-muslimischen Islamwissenschafter damit beauftragt hat, eine Verfassung für den irakischen Staat auszuarbeiten. Man kann sich heute schon vorstellen, wie die irakische Bevölkerung, die am Ende mit dieser Verfassung leben muss, darauf reagieren wird. Aber ihre Stimme zählt nicht.
http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_106b/T09.HTM
grüsse scorp
- Re: US-Strategie - Konflikte schüren BBouvier 27.6.2003 11:43 (4)
- Re: US-Strategie - Konflikte schüren Brunnenbauer 27.6.2003 16:36 (2)
- Die USA sind kein Imperium Swissman 28.6.2003 02:56 (1)
- Re: Die USA sind kein Imperium BBouvier 28.6.2003 12:15 (0)
- Dumme Unterstellungen. Guerrero 27.6.2003 14:31 (0)