Leider ein zu simpler Dualismus
Geschrieben von Elias am 24. November 2000 14:06:49:
Als Antwort auf: Alternative geschrieben von franke43 am 24. November 2000 10:08:52:
Wenn man das Prinzip der "vorweggenommenen Notwehr" billigt, so muß man dieses auch den Gegnern der multikulturellen Gesellschaft zugestehen, wenn sie dieses für sich beanspruchen. Die Konsequenzen dürften dann klar sein: eine Eskalation der Gewalt!
Es wäre alles so schön, wenn es nur die Bösen und die Guten gäbe. Der Mist ist nur, daß die bösen immer behaupten, sie seien die Guten. Vermutlich glauben sie es sogar. Ich bin sogar der festen Überzeugung, daß die schlimmsten Verbrechen von Menschen geschahen, die glaubten, sie würden das Gute tun. Wenn ich Stefans radikale Thesen lese, kann ich ihn voll in diese Kategorie einsortieren, weil auch bei ihm der Zweck die Mittel heiligt, weil er bereit ist andern Leid zuzufügen für ein subjektiv "gutes" Ziel.
Wie "gut" das Ziel eines multikulturellen Staates wirklich ist, das können wir uns anhand der etlichen etnischen, religiösen und separatistische Konfliken in allerlei Regionen dieser Welt erleben: Rassenunruhen in USA, religiöse Unruhen in Nordirland, Etnische Unruhen in Palästina, Separatisten im Baskenland, ... Wir müssen uns einfach von der Idee trennen, daß die Gegner der multikulturellen Gesellschaft einfach nur böse sind oder hirnlos. Auch sie wollen das Gute und sind dabei ebenfalls zu radikalen Lösungen bereit und auch hier heiligt der Zweck die Mittel.
Ebenfalls für sehr problematisch empfinde ich den gedanklichen Ansatz, eine Ideologie zu tabuisieren, weil es radikale und gewaltbereite Anhänger dieser Ideologie gibt. Es gibt beispielsweise radikale Abtreibungsgegner, Vegetarier, Sekten, Parteien, Antifaschisten, Opus-Dei-Anhänger, Kirchengegner, etc. Muß jede Ideologie verboten werden, die für Spinner attraktiv ist?
Ein Eid auf die Verfassung bringt leider recht wenig, denn unser Verfassung wird durchaus von verschiedenen Seiten sehr verschieden interpretiert. Am Beispiel der Homo-Ehe sehen wir, daß sowohl Befürworter als auch Gegner dieses über die Verfassung rechtfertigen. Hier stößt das Prinzip, daß keiner benachteiligt werden darf auf den besonderen Schutz der Familie. Überhaupt wird in unserer (immer noch vorläufigen ;-) Verfassung keine klare Abwägung zwischen Grundwerten, Grundrechten und Verwaltungsvorschriften vorgenommen. Was wiegt nun schwerer: Das Grundrecht, nicht benachteiligt zu werden oder der Grundwert einer konventionellen Familie?
Ein gemeinsamer Eid auf diese Verfassung würde also nichts bringen mit gemeinsamen Abzeichen.
Übrigens gibt es ein vergleichbares Zeichen der Anständigen seit Jahrhunterten: Der symboliche Henkerstrick um den Hals ;-) Aber irgendwie weiß daß fast keiner mehr.
Ich sehe eher die Notwendigkeit zur Schaffung einer verständlichen, begründbaren und verbindlichen neuen Ethik. Hier fehlt es!!! Aber das ist verdammt kompliziert und bislang hat es noch keiner geschafft.
Momentan scheitern alle ethischen Konztepte an der Weigerung von Gruppen, die ethischen Konzepte anderer Gruppen anzuerkennen. Die Industrie sieht also keinen Grund zum Umweltschutz, die Mächtigen keinen Grund zu mehr Demokratie, die Mehrheit keinen Grund für die Ziele der Minderheit, totalitäre Systeme keinen Grund für das Recht auf Individualität, der Starke keinen Grund dem Schwachen ein Recht einzuräumen, der unterdrückte einen Grund sich an die Regeln zu halten, die ihn unterdrücken, die Einrichtungen mit kirchlicher Trägerschaft keinen Grund die Privatsphäre ihrer Mitarbeiter zu achten (Wiederverheiratung Geschiedener). Jeder hat eben seine Ethik und keinen Grund die Ethik eines anderen anzuerkennen, denn keine Ethik ist verbindlich, weil sie eben nicht begründbar ist.
Das ist auch klar. Unser Ethik geht nach dem Nützlickeitsprinzip. Gut ist was nützt. Nur was mir nützt, das kann einem anderen schaden. Was ich also als gut empfinde, das mag aus einer anderen Perspektive als böse erscheinen. Letztendlich unterscheiden sich nur die Grenzen, die wir ziehen. Der eine sagt "Gut ist, was uns Deutschen nutzt" und der andere "Gut ist, was uns Christen nutzt" oder "Gut ist, was der Industrie nutzt". Und über diese Grenze definiert sich auch immer die Gruppe zu deren lasten das "Gute" geht.
Eine Ethik ohne diesen Geburtsfehler darf daher nicht vom Nützlickeitsprinzip ausgehen, sondern vom der Verantwortung für alles, vom Prinzip, daß auch die anderen Rechte haben, auch die Tiere, auch die, die erst in 1000 Jahren geboren werden und einst diesen Planeten erben wollen.
- Die einfachste aller Ethiken - die Goldene Regel franke43 24.11.2000 14:49 (1)
- Es bleibt schwierig Elias 24.11.2000 15:48 (0)