Re: Zu spät.

Geschrieben von Weltfremder am 23. April 2003 10:26:56:

Als Antwort auf: Re: Zu spät. geschrieben von katzenhai2 am 23. April 2003 01:50:52:


>>> Warum sind die Menschen unterschiedlich ? Warum sind manche Menschen jähzorniger als andere ? Warum
>>> gieren manche Menschen mehr nach Material, andere nach Rum und Ehre, andere nach Ruhe ? Warum sind die
>>> Menschen denn dann nicht alle gleich, wenn die Natur des Menschen statisch ist, wie du meinst ?

>Weil jeder Mensch andere Grundbedingungen besitzt. Der eine wurde geliebt in seiner Kindheit, der andere weniger. Und doch gehört es zum sozialen Verhalten dazu, andere zu necken. Das hat etwas mit dem Gehirn zu tun, dem Ego, weil es so dazulernt und seine Grenzen versucht auszuloten. Schau Dir z.B. mal Primaten an:
>Die klettern auf einen Baum und necken kleine, neu ausgeschlüpfte Vögelchen. Wieso denkst Du wohl machen die das? Meinst Du, die wurden in ihrer Kindheit von ihren Eltern nicht oft genug lieb gehabt?

Dass der Mensch durch das Ausloten seiner Grenzen und das ständiges Widerholen lernt, was für ihn von Vorteil und was von Nachteil ist, streite ich bestimmt nicht ab. Aber wie entsätzlich dürftig ist doch dieses Lernen ! Wie lange braucht der Mensch um dadurch nur zu einiger Lebensweisheit zu gelangen und wie oft und wie lange betrügt er sich durch falsche und kurzsichtige Schlussfolgerungen selbst !
Du allerdings bist der Meinung, dass dies der einzige Weg ist, um zu lernen. Ich denke, es gibt auch noch mindestens einen anderen. Wäre es der einzige Weg, so müßte konsequenter Weise wohl auch jeder Mensch die Schrift wieder neu erfinden und nicht zwei Menschen würden dasselbe Wort mit derselben Bedeutung sprechen, da keiner in der Lage ist vom anderen zu lernen.

Das sich gegenseitig Necken und Gefallen daran zu finden, dem anderen zu schaden, liegt mit Sicherheit in der Natur der Wesen. Aber zum einen ist die Frage, wann dies in Erscheinung tritt und die andere und hier zu diskutierende Frage bleibt wohl, um dieses Verhalten abgelegt werden kann ?
Zum ersten beobachtet man wohl solches Verhalten desto mehr, desto entwickelter man das Lebewesen nennt. Ich bin der Meinung, dass diese Entwicklung mit einem größeren Grad an Lebenfreiheit einhergeht. Der Affe ist in seinen Handlungen schon bedeutend weniger an seinen tierischen Instinkt gefesselt, als etwa ein Pantoffeltierchen. Ob er allerdings die Fähigkeit besitzt, nicht nur zu tun, was ihm behagt, sondern dieses Tun auch noch zu reflektieren, ist eine ganz andere Frage. Er läßt wohl die Finger von der heissen Herdplatte, wenn er sich einmal verbrand hat, aber ist das Reflektion ? Diese Fähigkeit besitzt imo der Mensch im vollendeteren Maße und ist dabei noch fähig sie immer weiter auszubauen, oder besser: sie zu wecken. Man nennt das: "Selbterkenntnis". Diese Erkenntnis an sich nützt nun natürlich noch gar nichts, wenn ihr nicht die Tat folgt, die die Änderung des eigenen Wesens diesen Erkenntnissen gemäß zur Folge hat. Ein Tier aber habe ich noch nicht über seine Taten nachdenken sehen. Verlange dies nur einmal von einem Hund oder einem Schwein und es fragt sich, wer da der Dümmere ist. Aber von einem geistig halbwegs gesunden Menschen meine ich dies im Vollmaß verlangen zu können.


>Selbst wenn Du die liebsten und gütigsten Menschen alle untereinandersteckt, wird sich schon bald Streit ergeben. Aber bitte keine alten, Erfahrenen Menschen, sondern junge Menschen, meinetwegen Kinder, die erst noch selber dazulernen müssen.

Eben darum geht es ja: du willst die Szene mit unerzogenen Kindern, also Kindern ohne irgendeine charakterliche Vorbildung nachstellen um deinen Beweis anzutreten. Sicher, der Beweiß wird Dir gelingen.
Ich aber meine, dass es wohl möglich sein wird, den Kindern jene charakterliche Vorbildung zu geben, die sie in die Lage und in die Erkenntnisfähigkeit versetzt, einzusehen, was ihre Taten für Folgen haben und die aufgrund dieses Bewußtseins und dieser Fähigkeiten keinesfalls in einen Streit geraten müssen.


>Sieh Dir Urvölker an: So friedlich wie es in der Esoszene oft behauptet wird war da niemand. Es gibt überall Mörder, Intriganten, Vergewaltiger, auch dort!
>So etwas kannst Du nicht einfach "herauszüchten", weil es ein unbedingter und notwendiger Bestandteil unseres natürlichen sozialen Verhaltens ist!

Die Notwendigkeit kannst Du mir gerne mal genauer erklären !

Ich bestreite in keinster Weise, dass in unserer Gesellschaft Mörder, Intriganten, Vergewaltiger etc. existieren. Aber es scheint mir ebenso offensichtlich, dass diese Art Menschen je nach Gesellschaftsform in stärkerer oder minderer Häufigkeit zum Vorschein kommt. Es muss also doch Faktoren geben, die dies begünstigen, oder einschränken.

Desweiteren ging es ja nicht um die Frage, ob der Ist-Zustand geändert werden kann, sondern ob der zukünftige Zustand gerändern werden könnte, wenn man die Faktoren ändert. Und dieser Meinung bin ich sehr wohl.
Ich spreche nicht von einem Paradies auf Erden, aber von einer funktionierenden Ordnung, die derjenigen, die wir außerhalb von uns vorfinden, angepasst ist.


>

>>> Wenn der Mensch tatsächlich statisch ist, dann ist es natürlich eine größte Torheit von einem Menschen
>>> auch nur die kleinste Veränderung in seinen Verhaltensmustern zu verlangen.

>Wer redet denn hier von statisch? Ich jedenfalls nicht.
>Aber es gibt einen Grundcharakter "des Menschen".
>War Jesus etwa nicht mit Zorn und Wut geplagt, als er die Tische der Geldwechsler umstieß? Soetwas nenne ich Grundcharakter.

Da kommen wir wieder zum nächsten Punkt: was der Mensch in seinem Rohzustand als gut und weise erkennt ist oft etwas ganz anderes als das was man wirklich so nennen müsste. Die Erkenntnisse des Menschen sind oft viel zu kurzsichtig (wie Du mir ja auch vorwirfst) um die volle Reichweite einer Handlung oder eines Faktors kennen zu können. Wie oft höre ich Menschen reden, dass dies oder jenes gut sei und doch erkennen sie nur nicht, wie es wirkt und dass die Wirkung derselben Handlung schon etwas weiter durchaus nichts Gutes mehr zustande bringt.
Jesus wirfst du nun vor, die Tische der Geldwechsler aus Jähzorn umgeworfen zu haben. Genausogut kann man mir Jähzorn vorwerfen, wenn ich Beispielsweise beim Bau eines Zauns den Zaunpfahl mit all meiner phyisischen Kraft in die Erde haue. Wer aber kann mit Sicherheit sagen, ob ich dabei tatsächlich Zorn in mir empfinde ? Es kann durchaus notwendig werden zur Durchsetzung gewisser Ziele rohe Gewalt anzuwenden. Aber die Gewalt kennzeichnet nicht den Zorn. Ein schlauer Mensch kann sehr wohl voll von Haß und Zorn sein und dabei nach Außen ganz ruhig wirken, damit ihm das Gegenüber auch ja nicht ansieht, was er in seinem Inneren vorhat.
Zorn, wie wir ihn definieren, ist eine wild gerichtete, zerstörende Gewalt. Das Heraustreiben der Wechsler aus dem Tempel aber hat mit Zerstörung wirklich nichts zu tun, sondern war von höchster Produktivität, wenn Du man die Bedeutung des "Tempels" erkennt. Der Tempel stellt nämlich an und für sich den Menschen als solchen dar. Und die Templer und Krämer sind seine Unarten, Triebe und Begierden. Etwas weitergefasst ist das Reinigen des Tempels der Akt der Reinigung der Religion von allen selbst- und herschsüchtigen Interessen, damit sie zur wirklichen, realen Lebensschule für den Menschen wird. Damit ist nicht gesagt, dass dieses Reinigung nicht real zu Jesu Zeiten stattgefunden hat. Vielmehr war sie vielleicht nötig um zu zeigen, wer der ist, der da gekommen war und wozu er gekommen war.



>>> Ich meine, was du beschreibst sind keine Menschen, sondern Tiere. Tiere haben Instinkt und beinahe ihre
>>> gesamte Erziehung bekommen sie schon aus dem Mutterleib mit. Der Mensch aber steht bei seiner Geburt weit
>>> unter den Tieren und muss sich alles erst selbst aneigenen, sogar das Laufen und das Fressen.

>Das ist eben falsch!
>Das wird oft genommen, um dem Menschen absonderlich darzustellen, anders als ein Tier, aber schau Dir Primaten an und Du wirst dasselbe finden, diese sind auch nicht allein fähig auf den Beinen zu stehen.

Meinst Du jetzt, dass Primaten von Natur aus nicht Fähig sind auf den Beinen zu stehen ? Also auch nicht im ausgewachsenen Stadium ? Bringt denn eine Primatenmamma dem Kind in aller Geduld bei, zu laufen wie sie es tut, bis es dies kann ?
Und selbst wenn es so sein sollte, so ist das doch noch in keiner Weise ein Beweiss, dass Mensch auch nur ein Tier ohne weitere Veranlagung ist. Es ist lediglich ein Beweiss dafür, dass sie das Leben in Richtung Mensch entwickelt.
Dass es wirklich einen Unterschied zwischen Mensch und Tier gibt, ist doch wohl so offensichtlich wie nur sonst irgendwas. Schau Dir die von Tieren errichtete Welt an und dann die von Menschen. Wo hat der Mensch es hergenommen ?
Das der Rohmensch nicht mehr ist als ein Tier-Mensch, das habe ich bereits gesagt. Aber er hat die Fähigkeit ein Mensch-Mensch zu werden !


>Und Menschenbabys können von allein fressen, nur erstmal saugen sie an der Milch wie jedes andere Baby auch.
>


>Bequem ist es allerdings zu behaupten, es wäre dem Menschen schon von Natur aus nicht möglich anders zu sein, denn dafür, dass es zu allen Zeiten Menschen gegeben hat, die diesem Ideal des Mensch-Menschen durch ihr Bestreben sehr nahe gekommen sind gibt es Beispiele zur Genüge !


>Tja, da gehst Du eben einen Schritt zu weit:
>Du redest hier von Ausnahmen, von einzelnen Menschen, aber nicht von einer Gesellschaft die es geschafft hat, diese Werte des einzelnen auf alle zu übertragen. Dies war bisher nicht möglich wenn Du mal weiterdenkst als nur bis zu Deiner Nasespitze dann wirst Du feststellen, daß Religionen im Grunde diese Gesellschaften darstellen, die Perfektion des einen auf alle zu übertragen. Und, hat das bisher irgendeine Religion fertiggebracht? ;-)

Dies kann und wird wohl auch nie Fähigkeit der Religion sein, die Gesellschaft in einen solchen Zustand zu versetzen. Denn der Zustand beruht ja eben auf der Vervollkommnung des Individuums und ergibt sich aus solcher sekundär. Jesus hat gesagt: "Glaubt nicht, dass ich gekommen bin den Frieden zu bringen..." - was hat er wohl damit gemeint ?
Es ist jeder Einzelne aufgerufen, an sich zu arbeiten, denn auch der Endzweck besteht im Individuum und nicht in einer vollkommenen Gesellschaft. Diese ergibt sich allerdings von selbst bei vollendeten Individuen. Wenn ich diese habe, dann werde ich weder eine bestimmte Gesellschaftsform noch eine bestimmte Religion benötigen, um Eintracht und Frieden zu haben. Aber bis dahin, bis der Mensch sich dazu entschließt - und so geht es bei jedem Einzelnen - ist tatsächlich der lange Erfahrungsweg nötig. Sowohl für den Einzelnen als auch parallel dazu in der gesamten Menschheit. Das aber heißt keineswegs, das der Einzelne nicht ausbrechen könnte und die direkte Abkürzung nehmen, indem er sein wirkliches, inneres Leben selbst in die Hand bzw. Arbeit nimmt.


>

>>> Dass der verweichlichte Durchschnittsmensch von heute so entartet ist, dass er unter damaligen Verhältnissen
>>> wohl kaum mehr lange Überleben könnte

>Auch da irrst Du:
>Der heutige Mensch würde sich zwingen, anzupassen. Aber das darfst Du nicht mit einigen enteigneten Urvölkern vergeichen, die heute in Wellblechhütten wohnen:
>Diese sind abhängig von der Gesellschaft, weil sie sich nicht lösen können. Sie werden am leben erhalten, zwangsweise. Würden sie vollends verstoßen werden, könnten sie sich problemlos auch allein ernähren, wieder hinausgehen in die freie Natur. Da sehe ich keinerlei Probleme. Außer es ginge um extreme widrige Umstände wie extrem kaltes Wetter (-20°) oder extreme flirrende Hitze (+50°), aber das sind ja Extrembedinungen und darum ging es hier ja nicht.
>Ich denke Du traust dem heutigen Menschen ziemlich wenig zu. Aber in Extemsituationen, wenn sie wirklich auf sich gestellt sind, dann sind Menschen eben auch nur Teil der Natur und werden zwangsläufig überleben. Denn der Mensch wird von 90% von seinen Instinkten geleitet (wozu ich auch Emotionen und auch seine alltäglichen Gedankengänge zähle) und zu 10% von seinem Verstand (wozu ich Weisheit und Philosophie zähle; das Verständnis von sich und seinen Mitmenschen über die soziale Verhaltensweise hinaus).

Ich glaube Dir ja gern, dass der Mensch unter Extrembedingungen überleben kann oder zumindest ein großer Teil von ihnen. Aber wovon ich sprach ist etwas anderes: es geht darum, ob der Mensch noch allein von der Erde erhalten werden kann, ohne selbst die größten Anstrengungen für sein Überleben unternehmen zu müssen. Was ich meine ist ein Leben, das äußerlich tatsächlich dem des Tieres gleicht, denn das Tier braucht nicht mehr, als was es in der Natur vorfindet.
Aber damit dieses Leben möglich ist, muss das Wesen sich innerhalb der Lebensordnung befinden. Und eben die Fähigkeit aus dieser herauszutreten ist der Unterschied, der den Menschen vom Tier unterscheidet. Und diese Fähigkeit ist es imo ebenfalls, die die materielle biologisch-chemische Wissenschaft in ihrer realitätsfernen Einseitigkeit bloßstellt.
Mit dem Einhalten dieser Lebensordnung haben wir noch keinesfalls vollendete Menschen, aber eben die von Dir angeführten Eigenschaften wie Haß, Wut, Zorn, lassen den Menschen ja aus dieser heraustreten. Der Mensch ist zuallermeist von seinen schlechten Eigenschaften getrieben tätig zu werden und sich allerlei Erfindungen auszudenken. Habsucht, Rachedurst, Ehrgeiz etc. sind es, die den Menschen "beflügeln". Dass der Mensch wirklich aus Liebe zum Guten tätig wird ist sehr selten und wenn mans genauer beleuchtet noch seltener. Dennoch ist auch dieses Motiv möglich und wird sicher besser Früchte tragen als der schlechte Same der Selbstsucht.


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