N - Polen : Kommunalwahlen - "Rechtsruck"

Geschrieben von Freiwild am 05. April 2003 16:21:23:

Als Antwort auf: NACHRICHTEN! oT (o.T.) geschrieben von Guerrero am 05. April 2003 03:46:49:

älterer Artikel (20.2.03) - trotzdem wichtig für Hintergrundwissen
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Doppelstern der Rechten in Polen

Lech Kaczynski, der „polnische Schill“, hat mit einem erdrutschartigen 70-Prozent-Sieg das Warschauer Rathaus erobert. Anfang dieser Woche wurde er zum Stadtpräsidenten (Oberbürgermeister) gekürt. Das müsste niemand im Ausland weiter beunruhigen; diejenigen, die bei Polen vor allem an Autodiebstahl denken, müsste es sogar freuen. Doch mit diesem Wahlgang hat die polnische Europadebatte in den letzten Wochen der EU-Beitrittsverhandlungen eine überraschende Wendung genommen.
Die Kommunal- und Regionalwahlen haben Nationalisten und Populisten landesweit mehr als 30 Prozent der Stimmen gebracht. In jeden der 16 Sejmiks, der Bezirksparlamente, sind zwei euroskeptische Parteien eingezogen. Plötzlich sendet auch der aufgehende Doppelstern der demokratischen Rechten, das Zwillingspaar Lech und Jaroslaw Kaczynski, euroskeptische Signale aus.

Pikant: Die postkommunistischen Sozialdemokraten halten um jeden Preis Kurs auf die EU, während die Erben der Freiheitsbewegung Solidarnosc ein trotziges „So nicht!“ nach Brüssel schleudern. Jaroslaw warnte, die derzeit angebotenen Beitrittsbedingungen (25 Prozent Agrarbeihilfen bei voller Höhe des an Brüssel zu zahlenden Mitgliedsbeitrags) würden in Polen zwangsläufig die radikalen Kräfte stärken. Ein solcher EU- Beitritt bringe ökonomisch nichts und sei politisch riskant, besser sei es daher, ihn zu verschieben.

Die nur 1,64 Meter großen eineiigen Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski haben, seit sie 1949 in Warschau geboren wurden, immer gut im Doppel gespielt. Erste Berühmtheit erlangten sie als Kinder mit den Hauptrollen im beliebten Film „Von den beiden, die den Mond gestohlen haben“. Beide schlossen 1971 ihr Jurastudium in Warschau ab und wurden wissenschaftliche Mitarbeiter; beide schlossen sich 1976/77 der entstehenden Bürgerrechtsbewegung und bald auch der Solidarnosc an. Die achtziger Jahre mit ihren politischen Repressalien und der wirtschaftlichen Not waren für die Kaczynskis und ihre Angehörigen im Rückblick die schwerste Zeit. Die frühen Neunziger brachten sie in Amt und Würden: Beide waren enge Weggefährten des Arbeiterführers Lech Walesa und zeitweise Staatsminister in seiner Präsidialkanzlei. Lech Kaczinski war danach drei Jahre lang Chef des Obersten Rechnungshofs.

urspr. Quelle Welt



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