Kommentar - Das neue Europa
Geschrieben von Freiwild am 04. April 2003 02:11:13:
Als Antwort auf: NACHRICHTEN (o.T.) geschrieben von IT Oma am 04. April 2003 00:04:19:
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03.04.2003 18:24
Wurde von mir vollständig kopiert, da SZ-Links später oft nicht
mehr funktionieren !
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Das neue EuropaVon Stefan Kornelius
(SZ vom 4.4.2003) - Am Tag, an dem amerikanische Truppen
Bagdad erreichten, kam Colin Powell nach Brüssel, um noch einmal die Schlachten von gestern zu schlagen und die Auseinandersetzungen von morgen vorzubereiten. Powells europäische Kollegen scheinen besonders den Blick zurück zu lieben. Sie quälen sich mit ihrer Niederlage bei den Vereinten Nationen, sie beklagen Amerikas unkontrollierte Stärke.Zusätzlich vernebelt auf beiden Seiten immer mehr Ideologie die Sicht auf die Trümmerlandschaft, die vor dem Krieg angerichtet wurde: Hier der Undemokrat aus Washington und seine neokonservativ aufgeheizte Nation – da die Nationalpazifisten, die den Frieden in Schweigeminuten herbeibeten möchten.
So europäisch diese Disziplin sein mag – in Washington werden inzwischen Fakten geschaffen, die über die Zukunft entscheiden. Powells Reise in die Türkei und nach Brüssel sollte deshalb als Chance verstanden werden, nicht als Etappe eines transatlantischen Befreiungskampfes. Europa kann auf den Irak-Krieg nicht mit dem immer gleichen Lamento über Amerikas Stärke und den Mangel an einer gemeinsamen Außenpolitik antworten. Ein bisschen konkreter muss es nun schon sein.
Zunächst ist es hilfreich, Inventur zu machen: Der Krieg und seine diplomatische Vorgeschichte haben einen beträchtlichen Schaden im Ordnungssystem der Welt angerichtet. Die USA als wichtigstes, weil stärkstes Element in diesem System haben deutlich gemacht, dass sie zur Durchsetzung ihrer Interessen auch bereit sind, das System niederzureißen. Es war aus Washingtoner Sicht allemal abbruchreif – es löste kaum eines der sicherheitspolitischen Probleme dieser Zeit, es spiegelt nicht das neue Machtverhältnis, das eben nur einen Pol auf der Erde kennt.
Man mag dies beklagen, aber eine Wiederbelebung der UN hängt davon ab, ob Washington die Genesung möchte. Über die Auferstehung der Nato wird ebenfalls in Washington entschieden. Und Washingtons erdbebengleiche Entscheidung für den Krieg im Irak kann selbst die EU spalten und die Erweiterung – vielleicht das wichtigste politische Projekt der Union – per Zeitungsannonce im Wall Street Journal in Gefahr bringen.
Wer also auf den europäischen Inventar-Zettel schaut, der könnte verzweifeln. Das System ist schwer beschädigt, die Institutionen der internationalen Politik und ihre Geschäftsordnung taugen nichts mehr. In den Zustand der Unschuld wird sich dieses System nicht mehr zurückversetzen lassen. Europa, das alte, muss also schnell handeln und einige Barrieren überwinden, wenn es Weltpolitik gestalten will.
Der Zauberbegriff für eine transatlantischen Annäherung heißt Legitimität. Für das neue Washington im Rausch der Allmacht mag dies ein Fremdwort sein. Das alte Washington – und trotz aller Unkenrufe damit immer noch die Mehrheit des politischen Betriebs der USA – weiß aber um den Wert dieser Legitimität.
Die Regierung Bush muss lediglich im Irak und in den Nachbarstaaten Ausschau halten nach dem Jubel der Befreiten und den Freudenzügen der Demokraten – sie sind nicht zu sehen. Amerikas Glaubwürdigkeit als wohlwollende Ordnungsmacht, als Akteur mit durchaus eigennützigen, aber auch demokratie- und stabilitätsfördernden Interessen ist durch Bushs Politik beschädigt wenn nicht gar zerstört worden.
Der Grund: Amerika fehlt die Legitimität. Die Regierung Bush hat ihre besten Freunde verstoßen. Diese Freunde haben aber bisher das wichtigste Gut der amerikanischen Außenpolitik geliefert: Sie haben die Politik mitgetragen und damit legitimiert.
In Washington wird die Einsicht wachsen, dass Amerika die Deckung der Bündnis- und Wertepartner braucht, wenn es nicht an einer grandiosen imperialen Überdehnung zerreißen will. Und in Brüssel muss jetzt der Preis für diesen Freundschaftsdienst ausgehandelt werden. Dabei sind drei Lehren zu beherzigen: Europa – alt wie neu – wird sich nicht in der Konfrontation mit den USA einigen lassen, sondern an diesem Konflikt zerbrechen.
Die Solidaritätsadressen der acht und der zehn aus Europa an die USA waren nur ein dezenter Hinweis auf die Zentrifugalkräfte, die der Konflikt mit Washington auslösen kann.
Lehre Nummer zwei: Deutschland, Europas geopolitischer Hegemon, sollte nie wählen müssen zwischen Paris oder Washington, ja selbst nicht zwischen Paris und London. Auch dies würde den Kontinent zerreißen und die Gespenster von gestern aus der Gruft treiben. Die dritte Lehre heißt: Europa muss aufhören zu klagen und stattdessen handeln.
Eine U-Boot-Flotte zu viert, eine Luftwaffe der Kerneuropäer inklusive Großbritanniens, ein gemeinsamer Entwicklungshilfe-Etat mit konkreten politischen Forderungen.
Am wichtigsten ist jedoch, dass sich die Staaten Europas auf ihren außenpolitischen Radius einigen und damit eine präzise Antwort auf die US-Sicherheitsdoktrin geben. Wie also hält es Berlin mit der Prävention im Zeitalter von staatlich gedecktem Terrorismus? Darf Paris zusehen, wenn Iran zur Nuklearmacht wird? Kann sich ein stalinistisches Regime in Nordkorea durch Erpressung am Leben erhalten? George Bush hat die Antworten gegeben. Es wird Zeit, dass Europa ein paar Alternativen formuliert.
- N - Das neue Europa - Aufstand der Zwerge Freiwild 04.4.2003 02:51 (1)
- Re: N - Das neue Europa - Aufbau einer EU Armee Wolfgang 04.4.2003 05:50 (0)