Re: Lagebericht Tag 5 (übernommen aus dem Flugscheiben Forum)

Geschrieben von Andreas am 25. März 2003 23:34:11:

Als Antwort auf: Lagebericht Tag 5 (übernommen aus dem Flugscheiben Forum) geschrieben von quink am 25. März 2003 21:50:38:

Eines dürfte bereits jetzt feststehen: Trotz des zu erwartenden amerikanischen Endsieges wird die Leistung der allierten Streitkräfte im Nachhinein kritisch beleuchtet und diejenige der irakischen lobend hervorgehoben werden.

Der Irak dürfte inzwischen - wenn in den nächsten drei Tagen keine Katastrophe einsetzt (Grossaufstand und Kapitulation der Kräfte in Basra) - mit grosser Sicherheit und rein militärisch gesprochen eine unrühmliche Niederlage vermieden haben. Militäranalysten werden wohl nicht umhin kommen, trotz der zahlenmässigen Unterlegenheit der alliierten Bodentruppen der irakischen militärischen Führung eine teilweise beachtliche planerische Arbeit, der irakschen Truppe taktische Meisterleistungen zu attestieren.

Es scheint immer mehr, als wurde auf irakischer Seite von langer Hand eine ausgeklügelte Strategie zurechtgelegt, welche eine Gegenwehr gegen den hinsichtlich Feuerkraft und Mobilität übermächtigen Gegner ermöglichen sollte. Mit "Patriotismus-" und "Djihad-Argumenten" lässt sich der hartnäckige Widerstand alleine gerade nicht erklären, zumal hinlänglich bekannt ist, dass das Regime auch von innen bedroht ist. Das Regime hat es geschafft, trotz grosser innerer Zerissenheit des Landes eine Phase schwerster Bombardierungen zu überstehen. Vergessen wir nicht:
- Das Regime hat faktisch die Kontrolle verloren über gewisse Gebiete im Norden.
- Im Süden lebt eine grosse Minderheit, von denen viele dem Regime gegenüber zumindest skeptisch bis feindselig eingestellt ist.
- Das Land hat überall im Land Gegner, die ihm wegen Greueltaten Rache schwören.

Trotz alledem ist der irakische Macht- und Militärapparat nicht binnen weniger Tage implodiert. Ich will deutlich festhalten dass ich kein Freund von Diktaturen bin. Jedoch finde ich es einigermassen faszinierend, wie eine Streitmacht, die von vielen Beobachtern als schlecht ausgerüstet, potenziell illoyal und taktisch mangelhaft bezeichnet wurde, nun derart erbitterten Widerstand leistet.

Man erinnere sich: 1991 vernichteten Appache-Helikopter buchstäblich Hunderte von irakischen Panzern in der offenen Wüste. Nun fand vor kurzem eine Begegnung statt, bei der über 30 dieser schwerbewaffneten Kampfhubschrauber eine irakische Elitedivision konfrontierten. Jeder der Helikopter kann bis zu 16 Hellfire-Raketen mit sich führen. Laut Berichten sollen sämtliche Maschinen beschossen und getroffen worden sein. Die Amerikaner können von Glück reden, dass sie nur eine verloren haben. Hätten sich die Iraker ungeschickt angestellt, hätten sie mit einem Schlag sämtliche Panzerfahrzeuge der Division verlieren können. Diese Episode zeigt jedoch, dass sie offenbar die Eigenheiten des Geländes optimal für die gut platzierte Gegenwehr genutzt haben.

Ähnliches gilt für die Ereignisse in Nasiya und Umm Qasr. Freilich haben die Allierten wenige Kräfte zur Besetzung der Städte übrig. Doch man sollte denken, dass sie mit ihren vielen Kampfflugzeuge, von denen jedes mehrere Tonnen an Bomben und Raketen transportieren kann, zumindest in der Lage sein sollten, irakische Gegenangriffe im Keime zu ersticken. Stattdessen kommt es zu langen mehrstündigen, äusserst hart geführten Gefechten inklusive irakischen Einbrüchen. In Umm Qasr, wo irreguläre und reguläre Kräfte operierten, stolperten die Allierten von einer Verlegenheitssituation in die nächste und nach Basra wagen sie sich erst gar nicht hinein.

Wie schon der Kosovokrieg zeigt diese Auseinandersetzung, dass die US-Militärmaschinerie trotz Bedingungen, die sie begünstigen (wie ich am Regimeproblem Saddams zu zeigen) rasch an gewisse Grenzen stösst. Es hängt einmal mehr vieles von der gewaltigen Luftüberlegenheit ab. Dies ist seit dem Zweiten Weltkrieg so. Weder operative Glanzstücke welche die Deutschen vollbrachten noch die Kunst der Tarnung und Verschanzung wie sie die Sowjets anwandten waren je typische Stärken der Amerikaner. Stattdessen vertrauen sie einseitig auf ihre technologische und quantitative Überlegenheit. Die militärische Vormacht der USA wird an dem Tag gebrochen sein, an dem amerikanische Flugzeuge reihenweise vom Himmel geschossen werden, sei es durch andere Maschinen oder durch Flugabwehrwaffen. Dieser Moment wird irgendwann kommen, sei es vor der Küste Chinas, über russischem Boden oder sonst irgendwo.

Gruss
Andreas




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