Re: Erster Beitrag meinerseits und Stellungnahme.
Geschrieben von Swissman am 14. November 2000 17:25:23:
Als Antwort auf: Erster Beitrag meinerseits und Stellungnahme. geschrieben von Gideon am 13. November 2000 17:39:44:
Hallo Gideon,
Willkommen im Forum!
Nun meine Antwort auf Deinen Beitrag, der ja vermutlich (auch) an mich gerichtet war:>Ich glaube die Annahme, das Israel mit Nuklearwaffen die Hauptstädte der Arabischen Welt angreifen würde ist den Fall beschränkt , das Israel selbst mit Massenvernichtungsmitteln, z.b. Biologische oder Chemische Kampfstoffe, angegriffen wird.
Sehe ich im Prinzip auch so: Alles andere wäre potentieller Selbstmord - auch manche arabische Staaten haben Massenvernichtungsmittel, und nach einem Atomangriff auf die eigene Hauptstadt dürften die Hemmungen, diese einzusetzen, gering bis nicht mehr vorhanden sein. Anders sieht es mit taktischen Gefechtsköpfen aus: Ich denke dabei jetzt namentlich an die Neutronenbombe. Dass Israel zumindest einige Neutronenbomben besitzt ist anzunehmen, und militärisch auch unbestreitbar sinnvoll: Gesetzt den Fall, die Araber würden es im nächsten Krieg zustandebringen, wenigstens halbwegs koordiniert vorzugehen, stünden Israels Chancen, mit konventionellen Mitteln zu gewinnen, ziemlich schlecht. Dies ist eine reine Frage der Arithmetik: Die Araber sind zahlenmässig drückend überlegen - in der Vergangenheit verstanden sie nur nie, damit etwas sinnvolles anzufangen, während Israel über einige der brillantesten Heerführer der Neuzeit verfügte.
Auch die Geographie kommt Israel nicht gerade entgegen: Der grösste Teil des Landes liegt in Reichweite schwerer Artillerie. Die Arabischen Divisionen müssten gar nicht mal allzuweit vorstossen, um Zahal in eine sehr schwierige Lage zu bringen. Zudem verfügt Israel nur über sehr geringe Reserven, während die Araber diese im Überfluss besitzen. - Die Israelische Einsatzdoktrin sieht vor, dass eine Entscheidung in den ersten 72 Stunden herbeigeführt werden muss, sonst kann Israel (mit konventionellen Mitteln) höchstwahrscheinlich nicht mehr gewinnen. Dies wird auch immer wieder geübt: Der Israelische Soldat muss 3 Tage und 3 Nächte am Stück kämpfen können - zum Schlafen ist nachher noch Zeit.
Die Neutronenbombe bietet sich hier als grosser Gleichmacher geradezu an: Eine einzige Neutronenwaffe ist fähig, einen massierten Panzerkeil, der den Sieg schon vor Augen hat, zu zerschlagen.
Tatsächlich soll im Yom Kippur-Krieg nach den Anfangserfolgen der Araber der Befehl erteilt worden sein, die Nuklearwaffen zu schärfen, ein Flugzeug mit einer taktischen Atomwaffe an Bord soll sogar gestartet sein, um auf Abruf einzugreifen. Nur der Umstand, dass das Pendel in letzter Sekunde umschlug, soll einen Atomschlag verhindert haben...>Dieser Ablauf ist jedoch kein Automatismus, der nicht aufzuhalten ist. Auch in Israel werden Atomwaffen nicht von wild gewordenen Militärs in Einzelaktionen gezündet.
Die USA hatten während dem Kalten Krieg eine Zeit lang eine "Totmannschaltung": In Washington und im NORAD stand je ein Computer, der sich periodisch bei den Atomwaffenstützpunkten meldete. Hätte er sich, weil er bei einem Angriff zerstört worden wäre, nicht mehr gemeldet, hatten die Bestzungen Befehl, sofort einen Zweitschlag zu führen... Die Russen hatten dasselbe System, nur soll ihres noch in Betrieb sein...
>In der Diskussion, ob Handwaffen und Kampfhubschrauber die richtige Antwort auf Steinewerfer sind, gebe ich folgendes zu bedenken:
>Steine verursachen an Ungeschützten Körperstellen, vor allem am Kopf, schwere bis schwerste Verletzungen. Unter einem Schutzhelm sind Gehirnerschütterungen und dadurch bedingte Einsatzunfähigkeit keine Seltenheit.Die Antwort heisst Kevlarhelm: Ein Kevlarhelm ist viel robuster, als ein herkömmlicher Stahlhelm. Zugegebenermassen ist dies insofern akademisch, als es dem Soldaten natürlich herzlich wenig nutzt, zu wissen, dass es Kevlarhelme gibt, wenn er selbst noch einen Stahlhelm tragen muss - Insofern ist meine Antwort auch eine Kritik an den Politikern, die diesen beschaffen müssten, und zwar nicht als Gimmick für Spezialeinheiten, wie dies zumindest in der Schweiz der Fall ist, sondern als Standardausrüstung (Beim USMC werden voraussichtlich nächsten Frühling die letzten Stahlhelme ausgemuster).
Immerhin sind die Israelischen Soldaten nicht gänzlich ungeschützt, als sie alle eine beschusssichere Weste fassen - diese schützt auch gegen Stiche und Körpertreffer mit Steinen. Im Gegensatz zu den meisten zivilen Westen weist sie sogar einen Kragen auf, wodurch auch der Hals geschütz ist. Nichtsdestotrotz gebe ich gerne zu, dass ich nicht unbedingt mit diesen Männern (und Frauen) tauschen möchte...>Mit welchen Waffen soll man dann Antworten? Dem einzelnen Soldaten stellte sich nicht mehr die Frage über den Grund des Steinwurf.
Es gibt mittlerweile eine recht grosse Auswahl von nichtletalen Waffen - Kommen wir zuerst zu den "Klassikern", wie sie von jeder Polizei auf der ganzen Welt eingesetzt werden: Es sind dies Tränengas, Gummigeschosse und Schlagstöcke. An schwererem Gerät haben sich zudem Wasserwerfer sehr gut bewährt. In vielen Ländern (zu denen auch Israel gehört) wird auch sogenanntes "Amerikanisches Tränengas", hierzulande besser bekannt als CS-Gas, eingesetzt. Wenn CS-Gas eingesetzt wird, muss man allerding unbedingt darauf achten, dass keine Kinder oder alte Menschen in der Nähe sind: Im Gegensatz zu gewöhnlichem Tränengas kann CS-Gas bei ihnen nämlich sehr wohl zum Tode führen - Gerade anlässlich der ersten Intifada sind leider sehr viele Fälle von Kindern dokumentiert, die an CS-Gas erstickten. Zur Wirkung von CS-Gas kann ich Dir zudem aus eigener Erfahrung bestätigen, dass man dadurch absolut kampfunfähig wird - vor einigen Jahren hatte ich nämlich das durchaus zweifelhafte Vergnügen, mich in einer Diskothek zu befinden, als plötzlich jemand CS-Gas hineinwarf :-((
Obwohl diese "Waffen" in den meisten Fällen absolut genügen, um eine gewalttätige Demonstration aufzulösen, wurden in den letzten Jahren grosse Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht. Sicher ist Dir Pfefferspray ein Begriff: Auf kurze Distanzen (bis max. ca 4 m) hat er sich sehr gut bewährt. Auch CS-Gas gibt es mittlerweile als Spray. Etwas kurios ist folgendes Gerät: Eine Spraydose, die einen sich ausdehnenden, klebrigen und schnell härtenden Schaum verspritzt. Dieser leuchtet zudem im Dunkeln. Ebenfalls erwähnenswert sind Elektroschocker - der damit angegriffene wird für einige Minuten paralysiert.
Dies alles ist aber nur im Nahkampf von Nutzen. Wenden wir grösseren Entfernungen zu: Die Plastikgeschosse, die Israel häufig einsetzt gehören nicht in diese Kategorie, da sie in einem hohen Prozentsatz tödlich wirken, und zudem auf dem Röntgenbild nicht sichtbar sind - sie zu entfernen ist sehr oft nicht möglich, was sie meiner Meinung nach sogar zu einer "besonders grausamen Waffe" im Sinne des humanitären Völkerrechts macht.
Bis auf ca 50 m Distanz wirksam ist ein verbessertes Gummigeschoss, das zudem ein geringeres Verletzungsrisiko mit sich bringt. Nichts neues ist Gummischrott: Dieser lässt sich aus einer gewöhnlichen Schrottflinte verschiessen, taugt aber nur auf relativ kurze Entfernung. Ebenfalls uralt ist der Trick, eine Schrottflinte mit Salz zu laden: In den Melonenanbaugebieten der USA vertreiben die Farmer so seit jeher Spitzbuben, die sich an ihren Melonen gütlich tun. Die getroffene Stelle brennt eine Weile lang stark, darüberhinaus besteht keine Gefahr von Schäden. Dies wurde unlängst aufgegriffen: Seit etwa einem Jahr sind gewehrkugeln aus Salz, sowie solche aus Pfeffer erhältlich...
Neu, und faszinierend ist eine Spezialmunition, die Geiselbefreiungsteams der US Marines gelegentlich verwenden: Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um einen Beutel, der mit Bohnen gefüllt ist - dieser wird aus einer handelsüblichen Schrottflinte verfeuert, und hat auch die gleiche effektive Reichweite. Der getroffene wird sofort zu Boden gerissen, wo er aufgrund des Schocks auch ca 10 - 15 Minuten lang bleibt. Trotzdem besteht dabei, im Gegensatz zu Gummigeschosse, keine Gefahr, stumpfe Traumata zu erleiden.
In der Gebäudesicherung, sowie bei vielen US-Polizeibehörden, ist eine israelische Entwicklung, mit sehr gutem Erfolg, im Einsatz: Es handelt sich dabei um ein Netz, welches durch eine Treibladung ins Ziel befördert wird. An den Ecken befinden sich Sensoren, die bei Bodenberührung einen Motor auslösen, der das Netz zusammenzieht, sodass der Randalierer, bzw. Einbrecher, gefangen ist. Die verwendete Kunstfaser ist so reissfest, dass sie selbst mit einem Messer erst nach einigen Minuten durchtrennt werden kann. Ein weiterentwickeltes Modell ist zudem noch mit einer klebrigen Flüssigkeit bestrichen...
Versuche haben gezeigt, dass dieses Netz auch von Hubschraubern aus eingesetzt werden kann, allerdings war die zuständige Beschaffungsbehörde wohl nicht daran interessiert.
Wie Du siehst bestehen also genügend Alternativen zum Schusswaffeneinsatz.
Allerdings, und das gebe ich auch zu, nützt die beste Ausrüstung dem Soldaten nichts, wenn die zuständigen Schreibstischhengste sie ihm nicht zur Verfügung stellen! - Wenn ich angegriffen werde, verteidige ich mich selbstverständlich auch mit dem, was gerade greifbar ist, egal ob es suboptimal ist - etwas anderes habe ich dann ja nicht...>In diesem Fall ist der Einsatz von gummiummantelten Stahlgeschossen auf die Beine und Gesäß der Steine-werfer wohl gerechtfertigt. Diese werden mit Treibladungen geringerer Stärke abgeschossen. Leider ist die Gesäßhöhe eines erwachsenen die Gesichtshöhe eines Kindes. Das führt bei Fehlschüssen immer wieder zu schweren bis tödlichen Verletzungen bei Kinder und Jugendlichen. Dies ist nicht entschuldbar, nur erklärbar.
Siehe oben: Ich werfe dem einzelnen Soldaten nicht vor, dass er sich mit den Mitteln verteidigt, die ihm zur Verfügung stehen - ich kritisiere hingegen sehr wohl die Politiker und Generäle, die Soldaten zu einer Aufgabe heranziehen, zu der sie weder ausgebildet noch ausgerüstet sind: Eine Armee ist nun einmal ein Schwert - zur Bekämpfung von Unruhen benötigt man aber, bildlich gesprochen, ein Skalpell, i. e. die Polizei. Wenn man dennoch Soldaten einsetzt, weil die Polizei allein nicht zurecht kommt, dann müssen die Soldaten zumindest dementsprechend ausgerüstet und ausgebildet werden. Zudem empfiehlt es sich, sie dem Kommando der Polizei zu unterstellen.
Ganz grundsätzlich aber bin ich allerdings der Ansicht, es wäre endlich an der Zeit, das Westjordanland und den Gazastreifen zu räumen, einschliesslich der Siedlungen, die dort völkerrechtswidrig angelegt wurden! Mir ist natürlich schon klar, dass das nicht von heute auf morgen geht, aber es ist sehr wohl möglich, in relativ kurzer Zeit einen verbindlichen Zeitplan vorzulegen. In der Übergangszeit empfiehlt es sich ferner wenn immer möglich, gemischte Israelisch-Palästinensische Patrouillen loszuschicken: Abgesehen davon, dass damit ein Zeichen gesetzt würde, dass die Palästinenser zu schätzen wüssten, hätten israelische und palästinensische Soldaten Gelegenheit, einander kennen- und schätzen zu lernen - schliesslich werden sie, ob sie die nun wollen oder nicht, immer Nachbarn bleiben.
Was nun aber die gummiummantelten Stahlgeschosse angeht, so erfüllen auch diese die Bedingungen, als "besonders grausame Waffe" bezeichnet zu werden: Die Gummiummantelung ist viel zu dünn, als dass sie den Aufprall ernsthaft zu dämpfen vermöchte. Hingegen ist anzunehmen (möglich, dass ich mich hier irre - ich gebe hier lediglich eine begründete Vermutung meinerseits wieder), dass sich die Gummischicht an der Geschosspitze beim Einschlag abplattet, und dadurch ähnlich einem "Dumdum-Geschoss" (welche bekanntlich verboten sind) wirkt... Unbestreitbar ist zudem wohl auch, dass die Hemmschwelle, diese Geschosse einzusetzen, deutlich tiefer liegen dürfte, als der Griff zur scharfen Munition. - Bei scharfer Munition ist es klar, dass diese tödlich ist. Bei Gummiummantelten Geschossen dürfte dieses Bewusstsein nicht zwangsläufig vorhanden sein...>Aber warum werden Kinder nicht von den Erwachsenen davon abgehalten Gewalt anzuwenden, sondern dazu angestachelt?
Nun, ich nehme an, es hat damit zu tun, dass fast die Hälfte der Palästinenser unter 20 Jahre alt ist. Zudem gilt ein Junge im arabischen Kulturkreis schon recht früh als Mann, mit allen Rechten und Pflichten. Aber vor allem entgeht es auch den Jugendlichen nicht, dass sie im eigenen Land als Menschen zweiter oder dritter Klasse behandelt werden...