Re: Die Sintflut eine rein gesellschaftliche Katastrophe?

Geschrieben von Tarkus am 11. März 2003 23:33:05:

Als Antwort auf: Die Sintflut eine rein gesellschaftliche Katastrophe? geschrieben von JeFra am 11. März 2003 20:51:54:

Flutlegenden
engl. Original von Alan Feuerbacher


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In vielen Kulturen rund um den gesamten Globus erzählt man sich Flutlegenden. Die meisten von ihnen enthalten die gleichen grundlegenden Elemente: dass die Erde überflutet wurde und dass nur eine geringe Anzahl von Menschen gerettet wurden. Die Gesellschaft behauptet:

Eine so weit verbreitete Übereinstimmung kann man nur damit erklären, dass die Flut ein historisches Ereignis war. 250
Die Tatsache, dass es nicht bloss ein paar, sondern vielleicht Hunderte verschiedener Erzählungen über die Sintflut gibt und dass diese Erzählungen unter den Überlieferungen vieler Naturvölker in der ganzen Welt zu finden sind, ist ein untrüglicher Beweis dafür, dass alle diese Menschen ein und denselben Ursprung haben und dass ihre frühen Vorfahren diese Sintflut gemeinsam erlebten. 251
Was lässt sich aus all den vielen Flutsagen schliessen? Zwar weichen sie in Einzelheiten stark voneinander ab, aber sie weisen einige gemeinsame Merkmale auf. Das deutet darauf hin, dass sie ihren Ursprung in der unauslöschlichen Erinnerung an eine riesige Überschwemmungskatastrophe haben. Trotz der im Lauf der Jahrhunderte entstandenen lebhaften Ausschmückungen haben sie eine grundlegende Gemeinsamkeit, mit der sie an ein grosses Ereignis anknüpfen — die weltweite Flut, von der in einfachen, sachlichen Worten in der Bibel berichtet wird. 252
Allerdings gibt es durchaus vernünftige Alternativen zu dieser Erklärung. Die Beweislage ist für keine der verschiedenen Ansichten zwingend, die Erklärung der Gesellschaft eingeschlossen. Das folgende Material bespricht einige vernünftige Alternativen.

Indem die Gesellschaft die obigen Behauptungen aufstellt, verwirft sie die Möglichkeit, dass die gemeinsamen Legenden nicht auf ein gemeinsames historisches Ereignis zurückzuführen sind, sondern lediglich einen weit verbreiteten, gemeinsamen Mythos darstellen. Einige Autoren des Wachtturms sind sich dieser Möglichkeit durchaus bewusst. Ein Zitat aus The Biblical Archaeologist Reader im Awake! [Erwachet!] sagte: 253

Es ist schwierig, sich der Schlussfolgerung zu entziehen, dass viele dieser Berichte Nacherzählungen eines einzigen Ereignisses sind oder dass sie sich wenigstens auf eine gemeinsame Überlieferung zurückführen lassen.
Man beachte, dass die Sintflut gemäss der Bibel ein gemeinsames Erlebnis war, und zwar nicht für verschiedene Völker und Kulturen, sondern für nur acht Menschen. Die Gesellschaft kann demnach nicht behaupten, dass die Sintflut ein Ereignis war, das vielen Völkern gemeinsam ist.

Eine mögliche Erklärung für die weitverbreiteten Flutlegenden ist, so wie es das oben genannte Zitat erwähnt, die Verbreitung durch eine gemeinsame Tradition. Altertümliche Völker scheinen miteinander mehr in Kontakt gestanden zu sein, als man gemeinhin annnimmt. Primitive Völker bauen oftmals Geschichten, die sie von Reisenden hören, in ihren eigenen Reigen von Legenden ein, und mit der Zeit gerät die Quelle dafür in Vergessenheit. Moderne Anthropologen haben dies wiederholt bewiesen.

Zum Beispiel erzählt Carl Sagan in seiner Diskussion der Quellen von Mythen und Legenden primitiver und alter Völker und wie einige Menschen diese als Beweise für extraterrestrische Besuche interpretieren, eine Geschichte 254 eines gewissen Dr. Gajdusek, der 1957 den primitiven Stamm der Fore auf Neu-Guinea besuchte, um die seltene Krankheit Kuru zu studieren, die durch Kannibalismus verbreitet wird. Als ihn einmal ein zweitägiger intensiver Regen in einem gemeinsamen Langhaus festhielt, geschah nach Sagan folgendes:

Die Gäste sangen ihre traditionellen Lieder während der ganzen ersten Nacht hindurch und bis in den nachfolgenden Regentag hinein. Als Gegenleistung und „um unser Verhältnis zu ihnen zu verbessern“, wie Gajdusek sagt, „begannen wir im Austausch ebenfalls Leder zu singen - darunter solche russischen Lieder wie 'Otchi chornye' und 'Moi kostyor v tumane svetit' ... Dies wurde sehr gut aufgenommen und die Bewohner des Dorfes Agakamatasa erbaten sich viele dutzendmale in dem verrauchten Langhaus der südlichen Fore eine Wiederholung der Lieder, untermalt durch den Klang der schweren Regenfälle.“
Einige Jahre später war Gajdusek damit beschäftigt, in einem anderen Landesteil der südlichen Fore die musikalischen Werke der Eingeborenen zu sammeln und bat dazu eine Gruppe junger Leute, ihr Repertoire traditioneller Lieder durchzugehen. Zu Gajduseks Erstaunen und Belustigung schlossen sie eine etwas geänderte, aber dennoch deutlich erkennbare Version von "Otchi chornye" mit ein. Viele der Sänger dachten anscheinend, es handele sich um ein traditionelles Lied. Noch später fand Gajdusek heraus, dass sich das Lied noch weiter verbreitet hatte, wobei keiner der Sänger eine Ahnung über dessen Ursprung hatte.
Man kann sich leicht vorstellen, wie eine Art ethnomusikologisches Untersuchungsteam in diesen ausserordentlich unbekannten Teil Neu-Guineas kommt und entdeckt, dass die Eingeborenen ein traditionelles Lied besitzen, das in Rhythmus, Musik und Worten wie "Otchi chornye" klingt. Würden sie überdies glauben, dass dieses Volk vorher keinen Kontakt mit Weissen hatte, dann würde eine recht geheimnisvolle Sache daraus entstehen.
Ein weiteres Beispiel von Carl Sagan 255 ist die

bemerkenswerte Mythologie, die bei dem Volk der Dogon in der Republik Mali, das durch Anthropologen erst seit den 1930er Jahren untersucht wird, den Stern Sirius umgibt .... Der verblüffendste Aspekt der dogonschen Astronomie wurde durch Marcel Griaule, einem französischen Anthropologen, der in den 30er und 40er Jahren arbeitete, wiedergegeben. Während es keinen Grund gibt, den Bericht Griaules anzuzweifeln, muss man sich bewusst sein, dass es keinen früheren Bericht von Weissen über den Glauben dieses bemerkenswerten Volkes der Dogon gibt und dass alle Informationen durch Griaules Studien zusammengetragen wurden ... Im Gegensatz zu allen vorwissenschaftlichen Gesellschaften glauben die Dogon, dass sowohl die Planeten als auch die Erde sich um ihre eigene Achsen drehen und diese sich wiederum um die Sonne ....
Noch verblüffender ist der Glaube der Dogon in bezug auf Sirius, den hellsten Stern am Himmel. Sie behaupten, dass er einen dunklen, unsichtbaren Begleitstern in einer Umlaufbahn um Sirius aufweist .... mit einer Umlaufzeit von fünfzig Jahren. Sie erklären, dass der Begleitstern sehr klein und sehr schwer ist, bestehend aus einem Metall mit dem Namen "Sagala", das es auf der Erde nicht gibt .... Bemerkenswerterweise besitzt der sichtbare Stern, Sirius A, tatsächlich einen aussergewöhnlichen, dunklen Begleiter, Sirius B .... , [der] das erste Beispiel eines weissen Zwerges darstellt, der von modernen Astrophysikern entdeckt worden war. Seine Materie ist in einem Zustand, der "relativistisch degeneriert" genannt wird und der auf der Erde nicht existiert. Da die Elektronen in einem solchen degenerierten Zustand nicht an die Kerne gebunden sind, kann das Material zu Recht als metallisch beschrieben werden ....
Auf den ersten Blick erscheint die Siriuslegende der Dogon der bis heute bestgelungene Beweis für einen Kontakt mit einer extraterrestrischen Zivilisation in der Vergangenheit zu sein. Wenn wir uns die Geschichte nun genauer anzusehen beginnen, wollen wir jedoch im Sinn behalten, dass die astronomische Tradition der Dogon rein mündlich ist und dass wir sie mit Sicherheit erst seit den 30er Jahren kennen .... Die Hypothese eines Begleitsterns des Sirius könnte sich natürlich aus der [übrigen] Mythologie der Dogon ergeben haben .... aber für die Umlaufzeit und die Dichte des Begleitsterns scheint es keine solch einfache Erklärung zu geben. Der Sirius-Mythos der Dogon ist den modernen astronomischen Erkenntnissen zu nahe und quantitativ zu präzise, um ihm dem Zufall zuzuschreiben. Und doch gibt es unbestritten diese Legende, eingebettet in eine Sammlung mehr oder weniger vorwissenschaftlicher Standardmythen. Was könnte die Erklärung dafür sein? ....
Die Dogon besitzen Erkenntnisse, die man ohne ein Teleskop unmöglich erlangen kann. Die folgerichtige Schlussfolgerung daraus ist, dass sie Kontakt mit einer fortschrittlichen technischen Zivilisation hatten. Als einzige Frage verbleibt, welche Zivilisation dies war - extraterrestrische oder europäische? Weit glaubwürdiger als eine extraterrestrische erzieherische Exkursion unter den Dogon in grauer Vorzeit könnte ein vor vergleichsweise kurzer Zeit erfolgter Kontakt mit wissenschaftlich belesenen Europäern dafür verantwortlich sein, die den Dogons den bemerkenswerten europäischen Mythos von Sirius und seinem Begleitstern, einem weissen Zwerg, vermittelt haben, ein Mythos, der alle die oberflächlichen Merkmale eines ausgezeichneten, einfallsreichen Märchens aufweist. Vielleicht kam der Kontakt mit Weissen durch einen europäischen Besucher in Afrika zustande oder durch eine der lokalen französischen Schulen oder vielleicht durch Kontakte von Westafrikanern in Europa, die eingezogen worden waren, um für die Franzosen im Ersten Weltkrieg zu kämpfen.
Im Jahre 1862 war der Begleiter des Sirius mit einem Teleskop entdeckt worden und gegen Ende des Jahrhunderts war die Spekulation weitverbreitet, dass es sich dabei um einen weissen Zwerg handeln könnte. 1915 hatten Astronomen die Bestätigung dafür erarbeitet und ab 1928 war die Idee extrem dichter Materie Allgemeingut geworden. All dies

wurde in der wissenschaftlichen Literatur behandelt und war für gebildete Laien zugänglich. All dies geschah kurz bevor Griaule auf die Sirius-Legende der Dogon stiess .... Vor meinem geistigen Auge stelle ich mir einen französischen Besucher der Dogon in der Region vor, die damals, zu Anfang dieses Jahrhunderts, Französich-West-Afrika war. Er kann ein Diplomat gewesen sein, ein Forscher, ein Abenteurer oder ein früher Anthropologe. Solche Menschen .... besuchten West-Afrika viele Jahrzehnte früher. Die Unterhaltung wendet sich astronomischen Überlieferungen zu. Sirius ist der hellste Stern am Himmel. Die Dogon ergötzen den Besucher mit ihrer Mythologie über Sirius. Dann befragen sie, höflich lächelnd und erwartungsvoll, den Besucher über seine Mythen zu Sirius. Vielleicht bezieht er sich, bevor er antwortet, auf ein abgegriffenes Buch in seinem Gepäck. Der Besucher, für den die Identifizierung des Begleiters von Sirius als weisser Zwerg selbst auch eine wissenschaftliche Sensation darstellt, tauscht seinen spektakulären Mythos gegen eine Routineerklärung ein. Nach seiner Abreise erinnern die Dogon sich an die Erklärung, erzählen sie wieder und bauen sie allmählich in das Gerüst der Dogonschen Mythologie ein - oder wenigstens in einen zusätzlichen Zweig (vielleicht eingeordnet unter "Mythen zu Sirius, Darstellung der Bleichgesichter"). Als dann Marcel Griaule in den 30er und 40er Jahren Nachforschungen zur Mythologie anstellt, erhielt er seinen eigenen europäischen Sirius-Mythos zurück.
Demnach bauen Völker andere Geschichten in ihr eigenes System von Legenden ein. Warum sollte es dann überraschen, wenn dies auch bei vielen Völkern mit einer Sintflut-Legende, die vor über 4.000 Jahren in einer eindrucksvollen Zivilisation wie den Sumerern ihren Anfang nahm, der Fall gewesen wäre. Die Gesellschaft sagt, dass die Sumerer, oder die alten Babylonier, auf religiösem Gebiet einen gewaltigen Einfluss ausübten, und wenn dem so ist, so könnte man das logischerweise auch auf Flutlegenden anwenden.

Historiker schreiben die frühesten Flutlegenden den Sumerern zu. Die allgemeine Vorstellung ist zusammenfassend in dem Buch In The Beginning 256 dargestellt:

Sumer war ein ebenes Land zwischen zwei gewaltigen Strömen. Wie bei jedem grossen Fluss .... führt ein ungewöhnliches Anstieg des Wasserspiegels zu Überflutungen. In einem so flachen Land wie Sumer würde es keiner besonders grossen Flut bedürfen, um weite Teile des ganzen Gebietes zu überschwemmen.
Eine besonders schreckliche Flut musste im Gedächtnis späterer Generationen lebendig bleiben, und besonders schreckliche Fluten ereigneten sich zweifellos. 1929 berichtete der englische Archäologe Sir Charles Woolley, dass er bis zu drei Meter dicke Schichten von Flussablagerungen bei Ausgrabungen in der Nähe des Euphrat gefunden habe. Sumerische Aufzeichnungen sprechen von Ereignissen "vor der Flut" und "seit der Flut" [Dies wurde später auf ungefähr 2.800 v. Chr. datiert.]“.
Natürlich würde eine so schreckliche Flut Aufzeichnungen zerstören, besondere gründlich in einer primitiven Zeit, in der die Schrift - wenn überhaupt - kaum in Gebrauch gekommen war. Aus diesem Grunde mussten Ereignisse "vor der Flut" schnell einen legendären und höchstwahrscheinlich sehr übertriebenen Charakter annehmen. Die Listen der sumerischen Könige zum Beispiel, die Zehntausende von Jahren regierten, stammen aus der Zeit vor der Flut. Es gab keine ähnlichen Berichte über Könige, die nach der Flut regierten. Die Lebensspanne der vor- und nachsintflutlichen Patriarchen in der Bibel sind ebenfalls Beispiele dieser Zäsur.
Der dramatische Bericht von der sumerischen Flut war Bestandteil des Gilgamesch-Epos, der in der ganzen frühzeitlichen Welt verbreitet war und daher auch die Mythen anderer Völker beeinflusst hat.
.... Ausserdem gibt es keine Anzeichen für eine weltweite Überflutung im dritten Jahrtausend v. Chr. Die ägyptische Geschichte z. B. verläuft durch das gesamte dritte Jahrtausend v. Chr., ohne ein Anzeichen eines Zusammenbruchs, und nirgends wird eine grosse Überschwemmung erwähnt.
Wenn wir aber von der Flachheit des Euphrat-Tigris-Tales ausgehen und die Sintflut als ein lokales Phänomen dieser Region ansehen, ist eine Überflutung der Erhebungen dieser Region um sieben Meter durchaus vorstellbar.
Ist es nicht bemerkenswert, dass es in Sumer eine lokal begrenzte Flut gerade um die Zeit gab, für die in der Bibel eine weltweite Flut beschrieben wird? Ihre Ablagerungen bedecken eine Fläche von Tausenden von Quadratkilometern im Euphrat-Tigris-Tal, aber ausserhalb des Tales gibt es keine Anzeichen davon. Wenn es eine Flut gegeben hat, warum werden solche Ablagerungen dann nicht gleichmässig auf der ganzen Erde gefunden? Jacquetta Hawkes sagte in The First Great Civilizations: 257

.... Obwohl Ablagerungen von Schwemmsand in Ur und verschiedenen anderen sumerischen Städten entdeckt wurden, so gehören sie doch verschiedenen Epochen an, und es hat sich als unmöglich erwiesen, eine einzige grosse Überschwemmung festzulegen, die das ganze Land in Mitleidenschaft gezogen hätte. Wahrscheinlich waren Überflutungen ein vertrauter Schrecken, der im Sinn der Menschen den Mythos einer grossen Sintflut hervorrief.
Mir ist all das, was die Gesellschaft über die Unmöglichkeit geschrieben hat, dass die sumerische Flutlegende in den Bericht aus der Genesis eingebaut wurde, wohl bewusst. Das oben gesagte wurde dargelegt, nicht um einen bestimmten Standpunkt zu beweisen, sondern um zu zeigen, dass Archäologen und Bibelgelehrte ein grosses Spektrum an Meinungen zu den Flutlegenden vertreten und dass auch andere Erklärungen als die der Gesellschaft vernünftig sein können. Man beachte, dass alles, was über die mögliche Verbreitung der Sintflutgeschichte gesagt wurde, nahezu identisch ist mit dem, was die Bibel und die Gesellschaft sagen - dass dies die Art und Weise war, wie sich die falsche Religion ausbreitete. Der Hauptunterschied liegt in der Frage, ob die Flut global oder lokal war. Die geologischen Beweise, die ich vorgelegt habe, zeigen, dass dies keine unvernünftige Frage ist.

Ist die Tatsache, dass die Sintfluttradition eine weite Verbreitung besitzt, überhaupt von Belang? Nicht notwendigerweise! Wenigstens genauso weit verbreitet wie Flutlegenden sind Schöpfungsgeschichten. Oftmals beinhalten sie die Idee, dass die Erde auf irgendeinem grossen Tier ruht oder durch einen Gott gestützt wird. Diese Spekulationen stützen sich offensichtlich nicht auf eine gemeinsame Beobachtung. warum sollte es mit den Flutgeschichten anders sein?

Eine weitere Tatsache, die der Aufmerksamkeit mancher Bibelkommentatoren entgeht, besteht darin, dass Überflutungen universelle Vorkommnisse sind. Wie Legends of the Earth erklärt: 258

.... die Universalität von Flutlegenden kann sehr leicht erklärt werden, auch ohne eine weitreichende Flut kosmischen oder anderen Ursprungs zu benötigen, wenn wir im Sinn behalten, dass Überflutungen, im Plural, universelle geologische Phänomene darstellen. [In einem früheren Kapitel] sahen wir, wie Vulkanlegenden von Völkern, die zeitlich und räumlich weit voneinander getrennt leb(t)en, viele gemeinsame Merkmale aufweisen. Wären aktive Vulkane praktisch überall vorhanden, dann wären Vulkanlegenden zweifellos so verbreitet, dass jemand als die zugrundeliegende Ursache einen universellen Vulkanausbruch suchen würde. Nun ist es aber so, dass aktive Vulkane und damit Vulkanlegenden auf bestimmte Gebiete der Erdoberfläche beschränkt sind. Auf der anderen Seite gibt es kaum einen Landstrich auf der gesamten Erde, wo es nicht zu irgendeiner Zeit zu einer Überflutung gekommen sein könnte, die den Menschen in der Umgebung gefährlich hätte werden können. Ein jeder Fluss kann über seine Ufer treten, wenn das mitgeführte Wasser durch starke Regenfälle anschwillt, oder, sogar noch plötzlicher, wenn ein natürlicher Staudamm bricht. Selbst in Wüstengegenden kommen Überschwemmungen vor; denn wenn es - selten genug - regnen sollte, dann in der Regel in Form wolkenbruchartiger Niederschläge, und es gibt dort keine Vegetation, die das Regenwasser speichern könnte. (Wüstenbewohner kennen sich mit diesen Gefahren der Wüste allerdings so gut aus, dass sie nicht von einer solchen zwar schnell vorübergehenden aber unglaublich verheerenden "sintflutartigen" Überschwemmung überrascht werden.) . . .
Zu allen Zeiten bis hin zur Gegenwart und genauso heute gab und gibt es in allen Teilen der Erde - aber besonders an allen Küsten des Pazifiks - eine Quelle angstvoller Erwartung einer Überflutung küstennaher Gebiete, die sich besonders in die Erinnerung der glücklichen Überlebenden einprägen würde, und das sind Tsunamis, d. h. seismische Seewellen. Tsunamis können potenziell innerhalb von Stunden in weit voneinander entfernt liegenden Gebieten verheerende Schäden anrichten und sie tun dies auch oft, obwohl dies keineswegs bei jedem einzelnen so universelle Auswirkungen haben muss. Da Tsunamis nicht nur als mögliche Quellen für Flutlegenden wichtig sind, sondern auch in Verbindung mit Angelegenheiten, die in den folgenden Kapiteln noch von überragender Bedeutung werden, ist eine detaillierte Besprechung dieser bedrohlichen Wellen an dieser Stelle notwendig.
Tsunamis hängen in der Regel mit einem unterseeischen Erdbeben zusammen. Sie entstehen entweder direkt, falls sich durch das Seebeben der Meeresboden selbst verschiebt, oder indirekt durch unterseeische Erdrutsche oder Abstürze, die durch ein Erdbeben ausgelöst werden. Seltener sind sie das Ergebnis unterseeischer Eruptionen, wenn eine Unterwasserexplosion beträchtliche Wassermengen verdrängt. Auch Verschiebungen des Meeresbodens, wenn eine Caldera auf dem Meeresgrund kollabiert, können in ähnlicher Weise einen Tsunami hervorrufen, und wenn es sich um eine grosse Caldera handelt, die plötzlich einstürzt, wie es bei der Krakatauexplosion im Jahre 1883 der Fall war, kann der sich daraus ergebende Tsunami enorme Ausmasse annehmen. Bei Krakatau-ähnlichen Ereignissen können auch riesige Springflutwellen entstehen, wenn nach einer grösseren Eruption unvorstellbare Mengen vulkanischen Auswurfes plötzlich auf die Meeresoberfläche niedergehen.
Tsunamis können von ihrer Quelle ausgehend Tausende von Kilometern zurücklegen, ins Landesinnere eindringen, und sie können eine Höhe bis zu mehr als 100 m erreichen. Japan hat in seiner geschriebenen Geschichte nachweisbar viele Male Tsunamis mit Wellen bis zu 40 m erleiden müssen, die jedesmal Tausende von Menschenleben kosteten. Der Ausbruch des Krakatau 1883 verursachte Tsunamis mit einer Wellenhöhe von 43 m und tötete in Indonesien 36 000 Menschen. Hawai hat es regelmässig mit Tsunamis bis zu 15 m zu tun. 259 Erdbeben können Erdrutsche auslösen und so in Seen oder Mündungsgebieten lokal einen solchen Wasserschwall verursachen, dass er sich an der gegenüberliegenden Seite bis zu über 300 m hoch auftürmen kann. 260

Demnach sind Überflutungen dem Wesen nach universelle Vorkommnisse. Was aber hat das nun mit der Frage zu tun, wie Flutlegenden aufkamen, die so viele Gemeinsamkeiten aufweisen? Legends of the Earth erklärt: 261

Alles in allem genommen sollten wir, von einem rein geologischen Standpunkt aus gesehen, erwarten, dass nahezu überall auf der Erde, nahezu in allen Zeitaltern unabhängige Flutlegenden entstanden sind, erzeugt durch Flutkatastrophen rein natürlichen Ursprungs, und von allen möglichen Ursachen für Überschwemmungen sind nur Tsunamis in der Lage, zur selben Zeit in weit voneinander entfernt liegenden Gegenden Anlass zu Flutlegenden zu geben. Obwohl viele verschiedene Überschwemmungen für die vielen bekannten Traditionen erforderlich sind, gibt es keinen Grund, überrascht zu sein, dass Flutlegenden überall auf der Welt bemerkenswerte Ähnlichkeiten untereinander aufweisen. Denn wenn wir es auf den Punkt bringen, dann gibt es nur zwei grundlegende Arten, wie Menschen eine Flut überleben können: [kursiv durch uns] Indem sie über das Wasser gelangen oder indem sie die Flut auf irgend einem schwimmenden Objekt überstehen. Dementsprechend gibt es Legenden, in denen die Überlebenden auf hochgelegene Gebiete geflohen oder auf Bäume von übertrieben hohem Wuchs geklettert sind, und es gibt Legenden, in denen die Überlebenden in einer Arche, einem Kanu, einer Truhe oder was auch immer, auf dem Wasser treibend, überlebten. In den meisten Flutlegenden dient ein Schiff zur Rettung, und auch das ist nicht überraschend angesichts der Tatsache, dass die Wassertiefe oft sogar bis zu dem Punkt übertrieben wird, dass alles bedeckt war und es keinen anderen Weg gegeben hätte zu erklären, wie irgend jemand sonst hätte gerettet werden können, um die menschliche Rasse zu erhalten. Übertreibungen führen auch gerne dahin, die Anzahl der Überlebenden auf das scheinbar absolute Minimum eines Mannes und einer Frau zu reduzieren, zwei Personen, die gebraucht werden, um die Erde wieder zu bevölkern (aber einige Legenden kommen sogar mit noch weniger aus). Und ist es schlussendlich überraschend, wenn einige unabhängig voneinander entstandene Legenden die Schuld für das Unglück menschlichem Fehlverhalten zuschreiben? Erinnern wir uns noch daran, wie die Maoris im letzten Kapitel den Ausbruch des Tarawera mit dem Übertreten eines Tabus durch die Opfer erklärten? Nichtsdestoweniger lässt sich nicht leugnen, dass viele Flutlegenden in weit voneinander entfernten Teilen der Erde tatsächlich Ähnlichkeiten auch in den Einzelheiten aufweisen, die stark an die biblische Sintflut erinnern und die nicht gänzlich durch die grundsätzliche Ähnlichkeiten von Überschwemmungen und die generelle Ähnlichkeit menschlicher Reaktionen auf Überschwemmungen erklärt werden können.
Es gibt nur zwei Wege, wie die Geschichte der Flut Noahs, was auch immer ihr lokaler Ursprung gewesen sein mag, sich überall auf der Welt verbreitet haben kann: durch eine Ausbreitung, insoweit das Volk, zu dessen Kultur sie ursprünglich gehörte, in neue Länder zog, oder durch eine Übermittlung, was einen Kontakt zwischen mindestens einem Erzähler und einem Zuhörer aus unterschiedlichen Kulturkreisen erforderlich macht. Flutlegenden finden sich überall auf der westlichen Hemisphäre, von Alaska bis Feuerland. Ins Extreme genommen ist die Erklärung gemäss der Ausbreitungstheorie nach ihren Anhängern ein Beweis, dass die Indianer Nord- und Südamerikas Nachfahren einer der verlorenen Stämme Israels sind, die die Geschichte über Noah mitbrachten, als sie durch Asien hindurch über die Beringstrasse nach Amerika und schliesslich bis nach Südamerika zogen. Aber während Anthropologen glauben, dass die Menschen den amerikanischen Kontinent tatsächlich über die Beringstrasse erreicht haben, so liefen die Wellen dieser Völkerwanderungen doch wesentlich früher über den Kontinent, lange vor der Existenz des Prototypen für Noah. Das bringt uns zur zweiten Möglichkeit, der Übermittlungstheorie, und ihrer logischen Folge, dem Synkretismus (der Verschmelzung mehrerer Auffassungen aus unterschiedlichen Traditionen). Wenn alle die biblischen Parallelen in den Flutlegenden der Völker der Neuen Welt das Ergebnis kultureller Kontakte sind, dann wurden entweder diese Kontakte irgendwie schon lange, bevor die ersten Missionare die westliche Hemisphäre erreichten, geknüpft, was unwahrscheinlich ist, oder andernfalls müssen alle solchen Parallelen aus der Zeit nach den ersten Missionaren stammen.
Ein höchst aufschlussreiches Beispiel, wie eine Legende buchstäblich über Nacht von einer Kultur auf eine andere übertragen werden kann, wurde vor einigen Jahren von Alice Lee Marriot in einem Artikel des New Yorker geschildert [Dorson, Richard M. „The debate over the trustworthiness of oral traditional history.“ Volksüberlieferung, Kurt Ranke Festschrift (1968), 19-35]. Als sie die Folklore eines Stammes aus Süddakota sammelte, wurde sie eines Tages von einem alten Indianer, der ihr Informant war, herausgefordert, eines der Märchen ihres Volkes zu erzählen. Daraufhin gab sie die Geschichte des „tapferen Kriegers und des Wassermonsters“ wieder - die Geschichte von Beowulf. Es waren nur wenige Änderungen nötig; es war „alles innerhalb des Musters legendenhaften Verhaltens, das der alte Mann verstehen konnte, und ich dachte bei mir, dass an der universellen-Verbreitung-von-Folklore mehr daran sein könnte, als ich vorher gedacht hatte.“ Wenig später hörte sie, wie er die Geschichte einer Zuhörerschaft seines Volkes vortrug und „ich muss zugeben, dass der alte Mann daraus eine bessere Geschichte machte, als ich es getan hatte. Als geborener, kreativer Geschichtenerzähler fügte er hier und dort einige Kleinigkeiten hinzu, um das Märchen abzurunden und es reicher auszuschmücken. So muss es der Geschichte von Beowulf durch viele Jahrhunderte hindurch gegangen sein, von Ohr zu Ohr, verbessert und ausgeschmückt, bis sie schliesslich niedergeschrieben wurde.“ In der Pointe ihres Artikels erzählte sie, wie sie einige Jahre später in einer ethnologischen Zeitschrift auf einen Artikel mit dem Titel "Occurrence of a Beowulf-like myth among North American Indians," [Das Auftreten eines Beowulf-ähnlichen Mythos unter nordamerikanischen Indianern] stiess, das von einem Doktoranden veröffentlicht worden war, der in Übertretung eines ungeschriebenen Gesetzes unter Ethnologen denselben Informanten befragt hatte.
Mit dieser Veranschaulichung im Sinn erscheint es ganz natürlich, dass bestimmte Einzelheiten der biblischen Fluterzählung auf der ganzen Welt auftauchen sollten. Mehr als neunzehn Jahrhunderte lang haben Missionare die Geschichte bis an die Enden der Erde getragen. Die Geschichte Noahs ist eine der anschaulichsten und farbigsten aller biblischen Geschichten, und sie ist auch eine Erzählung, deren Moral besonders offensichtlich ist und die deshalb wahrscheinlich besonders betont wird. Überdies sollte sie den grössten Eindruck gerade unter den Völkern gemacht haben, die bereits ein Fluttradition hatten, mit der sie sie verschmelzen konnten. Missionare waren immer die ersten gewesen, die tapfer in alle Gegenden hinauszogen, um das Evangelium allen Völkern zu überbringen und in vielen Fällen waren sie die ersten, welche die Legenden der Völker, unter denen sie arbeiteten, schriftlich festhielten. In anderen Fällen wurden die Geschichten jedoch von Ethnologen und anderen, die um einiges später als die Missionare kamen, gesammelt. Da es oftmals gerade erst die Missionare waren, die erstmals eine Schriftsprache für die fremden Sprachen erarbeiteten, ist es unmöglich zu beweisen, ob die Flutgeschichten tatsächlich bereits vor dem Einfluss der Missionare existiert hatten oder ob sie lediglich ein Widerhall der Geschichte von Noah darstellen, versehen mit entsprechendem Lokalkolorit, wie bei der Beowulf-Geschichte in Süd-Dakota. Es ist nur ein einziges unzweideutiges Beispiel einer vormissionarischen Dokumentation bekannt (das wir später besprechen werden), aber in mindestens einem Fall wurde bestätigt, dass die Geschichte um Noah auf die selbe Art und Weise wie beim Beowulf zurückkam. Ein Missionar namens Moffatt berichtete in einem Buch, das 1842 veröffentlicht worden war, .... wie er niemals unter den Südafrikanern eine Flutlegende gefunden hatte, bis ihm eines Tages ein Angehöriger der Hottentotten eine erzählte. Da er den Verdacht hatte, sie könnte auf den Einfluss der Missionare zurückzuführen sein, fragte er den Mann weiter aus, erhielt aber die Versicherung, dass es sich dabei um eine Geschichte seiner Vorväter handelte, und dass die Hottentotten vorher noch nie einen Missionar getroffen hätten. Später aber, als Moffatt seine Notizen mit denen eines anderen Missionares verglichen hatte, musste er feststellen, dass der andere Misionar in der Tat die Geschichte von Noah eben diesem Hottentotten erzählt hatte.
Demnach gibt es plausible Mechanismen, wie weit verbreitete Flutlegenden entstehen und es gibt auch Beispiele dafür. Wollen wir nun einige Beispiele alter Legenden betrachten. Legends of the Earth beschreibt eine wohlbekannte griechische Flutlegende, die Flut Deukalions. 262

Die uns nach der babylonisch-hebräischen Fluttradition am besten bekannte Flutlegende ist die der klassischen Mythologie, die Flut des Deukalion. Von den verschiedenen griechischen Fluttraditionen ist sie die einzige, in welcher gesagt wird, dass die Flut weltweit war .... Die Griechen, einschliesslich Aristoteles, betrachteten Deukalions Flut als Tatsache. Es gab anscheinend mindestens einen König mit diesem Namen. Eine Marmorsäule, die auf der Insel Paros gefunden wurde, enthält eine Liste der griechischen Könige und ihre Regierungszeiten und gemäss dieser Chronik ereignete sich die Flut Deukalions im Jahr 1539 v. Chr .... Ungefähr um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts v. Chr. oder vielleicht auch schon früher brach, der Krakatau-Explosion ähnlich, in der Ägäis der Vulkan Santorin aus 262a ..... Am Ende dieser Eruption kollabierte der Vulkan und bildete eine Caldera, und dieser Zusammenbruch hätte durchaus einen oder mehrere Tsunamis erzeugen können, die möglicherweise verheerender als alle jemals im Mittelmeerbereich durch konventionelle Erdbeben erzeugten Tsunamis waren. Die möglichen Jahreszahlen für die Flut Deukalions und für den Vulkanausbruch liegen nach jetzigem Wissen nahe genug beieinander, um diesen Möglichkeit plausibel erscheinen zu lassen, .... dass die Legende oder der Mythos der Flut Deukalions eine Folge dieser Katastrophe war. In diesem Licht betrachtet erscheint es besonders bedeutsam, dass [Richard] Andree .... feststellt, dass in einer früheren Fassung des Mythos die Flut vom Meer her kam .... - und um was anderes könnte es sich dabei handeln, als um einen Tsunami?
Spätere Fassungen der Geschichte von Deukalion schliessen Einzelheiten mit ein, die enge Parallelen mit der hebräischen Sinftlutgeschichte haben. Im Lauf der Zeit wird aus dem Meer neun Tage und Nächte Regen, aus der Truhe wurde eine Arche, die Passagierliste umfasste nun Tiere, und Deukalion sandte mehrmals eine Taube aus, um zu sehen, ob das Wasser zurückgegangen war .... Demnach verschmolzen die Traditionen zweier unterschiedlicher Regionen, entstanden aus Überflutungen, die Jahrhunderte auseinanderlagen, in nahezu die gleiche Geschichte .... Deukalion und die Charaktere aus den übrigen griechischen Fluttraditionen stimmen im Übrigen nicht miteinander überein.
In Anbetracht des Obigen ist die Beschreibung des Wachtturms 263 von nur einer griechischen Legende eine grobe Vereinfachung der vielen unterschiedlichen griechischen Flutlegenden. Ähnlich verhält es sich mit einer Flutlegende aus Indien, in der ein Mann namens Manu mit der Hilfe eines kleinen Fisches gerettet wird. In Bezug auf die Entwicklung dieser Legende sagte Legends of the Earth:

Die Legende von Manu ist nachvedisch, wobei es in den Veden nur unklare Bezüge darauf gibt. Sie erscheint zum ersten Mal in den Satapatha Brahmana, die etwa auf das Jahr 600 v. Chr zurückgeht .... Eine mögliche Erklärungsmöglichkeit für die Fluttradition in der Sanskrit-Literatur könnte aufgrund der geographischen Lage der Dammbruch eines durch einen Erdrutsch aufgestauten Sees im Himalaja gewesen sein.
In späteren Versionen ist Manu nicht einfach ein gewöhnlicher Mensch, sondern ein grosses Seher oder König. Wie beim Mythos um Deukalion erscheinen nach einiger Zeit semitische Elemente. In der Matsya Purana, datiert auf etwa 320 A.D. nimmt Manu alle lebenden Geschöpfe und Pflanzensamen in seine "Arche".
Der Wachtturm-Artikel beschreibt auch Legenden aus dem Südpazifik und Nord- und Südamerika. Legends of the Earth beschreibt eine Anzahl südpazifischer Legenden und fasst einige interessante Punkte zusammen.264

In der Südsee sind ebenfalls eine Fülle von Fluttraditionen in sehr verschiedener Form zu finden. Abgesehen von einigen biblischen Parallelen, die man leicht auf missionarische Einflüsse zurückführen kann, sind viele dieser Traditionen in Übereinstimmung mit den lokalen geologischen Gegebenheiten. Sehr oft wird gesagt, dass die Überflutung vom Meer her erfolgte, wie man es bei Inseln erwarten würde, die sehr oft durch von Erdbeben verursachte Tsunamis oder durch von Taifunen aufgetürmte Wellen verwüstet werden.
Legends of the Earth beschreibt einige amerikanische Legenden und kommentiert, dass

die Lyrik nordamerikanischer Indianer eine Fülle von Hinweisen für die Art und Weise enthält, wie primitive Mythologien spätere Elemente absorbieren. Zum Beispiel soll Old Coyote Man, der Kulturheld der Crow-Indianer, Pferde erfunden haben - aber Pferde waren den Indianern unbekannt, bis die Konquistadoren sie im siebzehnten Jahrhundert einführten. Die allgemeine Ähnlichkeit vieler indianischer Fluttraditionen findet durch die Wanderbewegungen oder die Kontakte unter den Stämmen eine einfache Erklärung, und es ist nicht allzu schwer, die häufigen Ähnlichkeiten mit biblischen Geschichten durch die Aktivitäten von Missionaren zu erklären. 265
Fluttraditionen finden sich auch in ganz Südamerika. Dort gibt es zahlreiche Legenden, in denen Überlebende der Überschwemmung, entweder ein Paar oder eine Familie, in einer Kalebasse, einem Kanu oder auf einem Floss entkommen oder auf Berge oder Bäume klettern. In manchen Fällen sind biblische Einflüsse erkennbar. 266
Als Nächstes werden einige Legenden rein regionalen Ursprungs sowie auch Legenden mit biblischen Anleihen beschrieben. Das letzte Beispiel, das schon auf der Seite 205 als ein eindeutiger Fall einer vormissionarischen Dokumentation vorgestellt wurde, stammt von den Atzteken. 267

Die Geschichte von Coccox ist die einzige Flutlegende mit möglicherweise biblischen Elementen, für die es aus einer Zeit vor einer möglichen Beeinflussung durch Missionare eine Dokumentation in Form von Piktogrammen zu geben scheint. Oder war das doch der Fall? Gemäss Andree erwähnte keiner der frühen Dokumentare, die sich mit der mexikanischen Mythologie befassten und die von der Geschichte zur Zeit der Konquistadoren oder kurz danach hätten erfahren können, eine bibelähnliche Flutlegende, und er bezweifelte, dass die Interpretation der Piktogramme die korrekte Deutung ist. Damit folgt er der Auffassung von Jose Fernando Ramirez, dem Konservator des Nationalmuseums in Mexico City, der aufzeigte, dass sich die Beschreibungen von Clavigero, Humboldt, Kingsborough und anderer Personen alle auf die gleiche Quelle gestützt hatten, auf eine Abbildung von Gemilli Careri in Churchills A Collection of Voyages and Travels, Band 4 [verfasst im Jahr 1732]. Careri hatte aus diesem Bild die Geschichte der Sintflut herausgelesen und Humboldt und alle übrigen folgten seinem Beispiel und akzeptierten seine Interpretation. Gemäss Ramirez sollte aber die "Taube" einen Vogel namens Tihuitochan, dessen Ruf sich wie "Ti-hui," anhört, darstellen, und in Wirklichkeit stellte das Bild die Wanderung der Azteken in das Tal von Mexiko dar. Die Atzteken sind vermutlich aus dem Norden nach Mexiko eingewandert. Ihre Traditionen sprachen davon, wie ein kleiner Vogel wiederholt "Ti-hui, ti-hui," rief, was in ihrer Sprache „Lasst uns gehen“ bedeutet, und ihre Priester verstanden dies als göttlichen Befehl, eine neue Heimat zu suchen. Sieben Unterstämme machten sich auf den Weg, von denen sich sechs mehr oder weniger schnell in verschiedenen Teilen Mexikos niederliessen, während der siebte einige Zeit lang auf Wanderschaft blieb und nach einem Zeichen in Form eines Adlers, der mit einer Schlange im Mund auf einem Felsen sitzen sollte, Ausschau hielt. Auf dieses Zeichen stiessen sie am See Texcoco, und demenstprechend gründeten sie 1325 an seinem Ufer eine Stadt, die heute als Mexiko City bekannt ist. Dies ist demnach die Tradition, von der Historiker glauben, dass sie in der fraglichen Bilderschrift enthalten ist; es war allein Gemilli Careri, der entschieden hatte, dass der Vogel auf dem Bild eine Taube war. Er gab selbst zu, dass die Chronologie nicht „so exakt war, wie sie sein sollte, da sie zu wenige Jahre zwischen der Sintflut und der Gründung Mexikos erlauben würde“ .... - denn das Bild schliesst Symbole mit ein, die die Anzahl der Jahre beinhalten, die sie an verschiedenen Orten während ihrer Wanderschaft verbracht hatten.
Gemilli Careri hörte die Geschichte von Coxcox 1667 während seines Aufenthaltes in Mexiko, mehr als Hundert Jahre nachdem die ersten Missionare zusammen mit Cortez angekommen waren, Zeit genug, dass biblische Einzelheiten sich mit den Mythologien und Traditionen der Azteken vor Ort vermischen konnten. Bei anderen mexikanischen Flutlegenden ist es völlig klar, dass sie nur die biblische Geschichte in einem vertrauteren lokalen Gewand darstellen.
Das Obige sollte genügen, um klarzustellen, dass das Problem, wie Sintflutlegenden entstanden sind, nicht im Entferntesten so schwarz-weiss dargestellt werden kann, wie die Wachtturm-Publikationen es gerne haben würden. Es folgen einige weitere Punkte, die man in Betracht ziehen sollte.

Ein Problem, wenn man zuviel vom Vorhandensein angeblich universell verbreiteter Flutlegenden abhängig macht, ist, dass sie nicht universell sind, sondern einfach weitverbreitet. Genauso bedeutend wie die Tatsache, dass viele Kulturen Fluttraditionen haben, ist die Tatsache, dass sie in vielen anderen Fällen fehlen. Gemäss Legends of the Earth, 268

fehlen Sintflut-Traditionen im halbwüstenhaften Zentralasien, was wohl kaum überrascht ....
Sehr auffällig ist das Fehlen einer ägyptischen Flutlegende; aber genauso auffällig in Ägypten ist die Abwesenheit verheerender Fluten. Jedes Jahr überflutet der Nil seine Ufer auf sanfte und vorhersehbare Weise und hinterlässt dabei lebensspendende Schlammablagerungen, die den Boden düngen. Magere Jahre mögen sich als Folge unterdurchschnittlicher Wasserpegel eingestellt haben und ausserordentlich hohe Wasserstände werden vermutlich einige Unannehmlichkeiten verursacht haben, aber die jährliche Flut war aufs Ganze gesehen stets ein Segen gewesen. Höchstens ein Ausbleiben der Flut wäre ein denkwürdiges Ereignis gewesen, das in einer Legende weiterleben könnte. Auch die anderen grossen Ströme Afrikas kennen einen ähnlichen jährlichen Anstieg, der aber, da vorhersehbar, niemals verheerende Folgen hat.
Die einzige Legende aus dem südlichen Afrika, die so etwas wie eine Überschwemmung enthält, ist keineswegs eine typische Sintfluttradition, sondern eine Legende, die den Ursprung eines bestimmten Sees zu erklären versucht ... Diese Geschichte wurde von Livingston aufgezeichnet, und sie war in all seinen Jahren als Missionar die einzige, die auch nur eine gewisse Ähnlichkeit mit der Sintflutlegende hatte.
Eine gute Zusammenfassung der Fragen rund um die Flutlegenden ist der letzte Abschnitt von Legends of the Earth.269

Weitere Beispiele von Fluttraditionen zu zitieren würde mühsam werden, wenn die bisherigen nicht ausreichen würden. Genügend Beispiele sind vorgelegt worden, so hoffe ich, die zeigen, dass viele Fluttraditionen, wenn sie im geologischen Kontext gesehen werden, offensichtlich an Ort und Stelle entstanden sind. Ich kann keinen Grund erkennen, warum wir uns bei der Erklärung der weiten Verbreitung von Fluttraditionen auf eine Wahl zwischen zwei extremen Alternativen beschränken müssten. [Immanuel] Velikovsky zum Beispiel sagt aus:
Die Antwort auf das Problem der Ähnlichkeiten der Motive in der Folklore verschiedener Völker ist meiner Ansicht nach folgende: Viele Ideen spiegeln wirkliche historische Inhalte wider. Es gibt eine Legende, die man auf der ganzen Welt findet, dass eine Sintflut über die Erde hinwegfegte und alle Hügel und sogar die Berge bedeckte. Wir beleidigen die geistigen Fähigkeiten unserer Vorfahren, wenn wir denken, dass die Nomaden in der Wüste eine lediglich aussergewöhnliche Überschwemmung des Euphrat so beeindruckte, dass sie dachten, die ganze Welt wäre überflutet und dass sich die so geborene Geschichte dann von Volk zu Volk ausbreitete [Worlds in Collision, Garden City, New York: Doubleday and Company, 1950; New York: Dell Publishing Company, 1967]
Worauf man antworten könnte: Natürlich spiegeln viele Ideen wirkliche historische Ereignisse wider. Es gibt jedoch nicht eine Flutlegende, sondern vielmehr eine Vielfalt von Traditionen, die so verschiedenartig sind, dass sie weder durch eine einzige Katastrophe erklärt werden kann noch allein durch Verbreitung einer lokalen Tradition. Einige sind sehr phantasievoll aber sehr weit von der Wirklichkeit entfernte Versuche, die lokalen topographischen Gegebenheiten mit hoch über dem Meerespiegel befindlichen fossilen Muschelschalen zu erklären. Eine grosse Anzahl davon sind Erinnerungen an wirkliche lokale Katastrophen, - wenn auch stark verzerrt und übertrieben, wie es eben in der Folklore der Fall ist - Erzählungen, die oft nachweisbar mit den speziellen lokalen geologischen Bedingungen übereinstimmen. Sicherlich ist es zum Beispiel nicht reiner Zufall, dass in vielen Fluttraditionen der amerikanischen Pazifikküste und pazifischer Inseln die Flut einem Anstieg des Meeres zugeschrieben wird; mehr als 90% der jährlich auf der Erde freigesetzten Erdbebenenergie wird in der Pazifikregion freigesetzt und dementsprechend ist dort die Wahrscheinlichkeit für Tsunamis am grössten. Eine der ältesten Flutkatastrophen, die in der Erinnerung verblieb, ereignete sich vor langer, langer Zeit in Mesopotamien, und sie machte auf die Bewohner der Stadt Ur einen solchen Eindruck, dass die Geschichte von Generation zu Generation weitererzählt und von den Patriarchen auf ihrer Wanderung Richtung Mittelmeer mitgenommen wurde. Die Legende dieser längst vergangenen Überflutung hätte vermutlich niemals eine viel weitere Verbreitung gefunden, wenn sie nicht zu einem Bestandteil der Heiligen Schriften geworden und demnach später durch christliche Missionare eifrig in allen Ecken der Erde getragen worden wäre, wo sie sich oftmals mit den bereits vorhandenen Traditionen der Eingeborenen vermischte. Fluttraditionen sind nahezu universell, teilweise wegen der Bemühungen der Missionare, aber hauptsächlich weil Überflutungen im Plural die universellsten aller geologischen Katastrophen sind.
Mit den obigen Gedanken im Sinn wollen wir die folgenden Schlussfolgerungen aus dem Wachtturm-Artikel über Flutlegenden auf der Seite 9 lesen 270. Er enthält eine Reihe von Ungenauigkeiten und ungerechtfertigten Schlussfolgerungen.

Was lässt sich aus all den vielen Flutsagen schliessen? Zwar weichen sie in Einzelheiten stark voneinander ab, aber sie weisen einige gemeinsame Merkmale auf. Das deutet darauf hin, dass sie ihren Ursprung in der unauslöschlichen Erinnerung an eine riesige Überschwemmungskatastrophe haben. Trotz der im Laufe der Jahrhunderte entstandenen lebhaften Ausschmückungen haben sie eine grundlegende Gemeinsamkeit, mit der sie an ein grosses Ereignis anknüpfen - die weltweite Flut, von der in einfachen, sachlichen Worten in der Bibel berichtet wird.
Flutsagen existieren vornehmlich unter Völkern, die bis vor wenigen Jahrhunderten nicht mit der Bibel in Berührung gekommen waren. Deshalb wäre es falsch, anzunehmen, sie seien durch den Bibelbericht beeinflusst worden .... Somit kann man davon ausgehen, dass die Flutsagen den realistischen Bibelbericht bestätigen.
Dieser Wachturm-Artikel zitierte aus der The International Standard Bible Encyclopedia, wie es auch bei dem Artikel über die Sintflut im Einsichten-Buch der Fall ist. Hier folgt das eine aus dem Einsichten-Buch. 271 Man beachte die Ungenauigkeiten.

Die allgemeine Verbreitung der Flutberichte wird gewöhnlich als Beweis genommen für die umfassende Vernichtung der Menschheit durch eine Flut und die Ausbreitung des Menschengeschlechts von einem Ort und sogar von einer Familie. Zwar beziehen sich vielleicht nicht alle Traditionen auf dieselbe Flut, aber augenscheinlich doch die grosse Mehrheit. Die Behauptung, viele dieser Flutgeschichten rührten von Kontakten zu Missionaren her, ist nicht stichhaltig, denn die meisten davon wurden von Anthropologen gesammelt, die kein Interesse daran haben, die Bibel zu verteidigen,
(Was hat die Frage, wer die Geschichten gesammelt hat, damit zu tun, ob sie von Kontakten zu Missionaren herrühren?)

und sie sind voller phantasievoller und heidnischer Elemente - offensichtlich das Ergebnis einer langen Überlieferung in einer heidnischen Gesellschaft. Vielmehr wurden einige der alten Berichte von Leuten geschrieben, die zur hebräisch-christlichen Tradition völlig im Gegensatz stehen.
Die Opposition zur hebräisch-christlichen Tradition machte anscheinend im Falle der griechischen Deukalion-Geschichte oder der inidischen Manu-Geschichte nichts aus - sie nahmen mit der Zeit immer mehr biblische Elemente auf.



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