Re: Völliges Versagen der Luftabwehr

Geschrieben von Johannes am 05. Januar 2003 23:15:56:

Als Antwort auf: N: Entführter Motorsegler kreist über Frankfurt geschrieben von Holde am 05. Januar 2003 16:50:31:

Hallo Holde,

ich war um diese Zeit in Frankfurt, aber am nordwestlichen Stadtrand. Vom entführten Flugzeug habe ich dort nicht bemerkt, die Innenstadt ist wohl auch zu weit weg. Militärmaschinen waren heute zwar häufig zu hören, aber was ich sehen konnte, waren immer nur Flüge von/nach Richtung West-Nordwest (Eifel?).

Weshalb ich die drastische Überschrift gewählt habe, hier nochmal der zeitliche Ablauf:

Um 14:55 Uhr wird die Maschine in Babenhausen mit Waffengewalt gekapert, um 17:11 Uhr landet sie auf dem Flughafen Frankfurt. Da sie zuvor laut Medien etwa 2 Stunden über der Frankfurter Innenstadt flog, muß der Pilot sofort Kurs auf Frankfurt genommen haben und war also ab ca. 15:15 Uhr dort.

Meines Wissens nach ist der Luftraum über Frankfurt für Zivilmaschinen gesperrt (haben wir hier nicht 2 Piloten im Forum?). Die Maschine wurde gekarpert und flog also sofort in gesperrten Luftraum, außerdem nahm der Entführer Kontakt mit dem Tower des Flughafen auf. Hierfür habe ich keine genaue Zeitangabe gefunden, aber vielleicht weiß jemand, ab wann der Flughafen Ffm gesperrt wurde?

Ich gehe also davon aus, daß die Entführung spätestens um 15:15 Uhr bekannt war, wenn nicht schon sofort nach der Entführung um 14:55 Uhr. Jedenfalls mußte der Luftüberwachung ab 15:15 Uhr klar sein, daß da ein Flugzeug im Tiefflug über Frankfurt fliegt, das dort nicht zu suchen hat. Und was tun sie, wo ja selbst nach eigenen Aussagen des Entführers die Gefahr besteht, daß das Flugzeug für ein Selbstmordattentat genutzt wird?

Ja, was tut die Flugüberwachung in einer solchen Situation, nachdem wir den 11.9. hatten? Sie unterhalten sich mit der hessischen Landesregierung und dem Bundeskanzler, Verteidigungsminister Struck übernimmt schließlich die Führung, so daß um 16:28 Uhr (!!!) 2 Abfangjäger der Alarmrotte vom Stützpunkt Neuburg an der Donau aufsteigen, also ca. 250 Luftkilometer entfernt (320 km per Auto).

Sicher, man kann über den Sinn von einem Abschuß streiten. Ich persönlich würde ihn befürworten, wenn die ernste Gefahr besteht, daß das Flugzeug ein Massaker anrichtet. Entscheiden kann man das aber erst im letzten Moment vor Ort. Mir ist also völlig unverständlich, warum es über 1 Stunde dauert, bis die Bundeswehr informiert wird (ich gehe bei der Zeitrechnung mal davon aus, daß Flugzeuge der Alarmrotte nach der Alarmierung innerhalb 5 Minuten aufsteigen können).

Das darf doch wohl nicht wahr sein, wie das bei uns läuft! Da besteht die Gefahr eines Massaker, die Polizei räumt mehrere Gebäude, sperrt die Innenstadt sowie mindestens 2 Autobahnen (laut Verkehrsnachrichten). Was wäre denn gewesen, wenn der Täter nicht aufgegeben hätte? Die Bundeswehr hätte dann noch ein paar Fotos der Trümmer machen können, mehr aber auch nicht.

Sollte man nicht annehmen können, daß spätestens 5 Minuten, nachdem feststeht "entführtes Flugzeug im Tiefflieg über Frankfurt droht damit, in Gebäude zu fliegen" (d.h. spätestens 15:15 Uhr plus 5 Minuten) die Bundeswehr informiert wird? Die müßte dann sofort starten, während parallel die politische Entscheidung getroffen wird, ob geschossen werden darf. Auch bei einem sofortigen Start ist das denkbar knapp, aber über 1 Stunde bis zum Start zu warten, ist meines Erachtens völlig unverantwortlich. Sollte diese Entführung ein Test gewesen sein, so wissen die möglichen Folgetäter nun, daß ihre Aktion keinesfalls durch Luftabwehr gefährdet wäre. Und auch ein Angreifer müßte sich keine Gedanken machen, daß seinen Piloten viel passieren könnte! :-((

Wozu haben wir eigentlich eine Luftabwehr, wenn die Maschinen über 1 Stunde brauchen, bis sie starten (dürfen)? Dann sollen die doch gleich dazu stehen, daß in solchen Fällen nicht eingegriffen wird. Für mich war das jedenfalls ein völliges Versagen der Bundeswehr und/oder der Entscheidungswege im Ernstfall.

Gruß

Johannes


Antworten: