Michael Mross (ehemals NTV Frontman und Daueroptimist) zu 2003

Geschrieben von Fred Feuerstein am 31. Dezember 2002 01:09:42:

Als Antwort auf: Re: Börse 2003???? geschrieben von Astro am 30. Dezember 2002 23:23:46:

Hallo Astro,

Ein paar sehen die Zeichen der Zeit. Interessant finde ich, daß in den USA derzeit anscheinend eine Immobilienblase aufgebläht wird analog zum Aktienhype im Frühjahr 2000. Japan läßt da schon grüßen !

Hier der Artikel:
Mross: "2003 wird Höhepunkt der Krise"

(Instock) Michael Mross, einst Frontmann der ntv-Telebörse, Börsenweiser und Autor zahlreicher Bücher, bereist momentan die Welt. Dabei analysiert er die globale und die hiesige wirtschaftliche Entwicklung. Instock sprach mit dem als Optimisten bekannten Autor im südafrikanischen Kapstadt.

Instock:
Herr Mross, Sie waren gerade auf Weltreise in Asien und in den USA. Wie ist international die Stimmung in der Wirtschaft und beim Mann auf der Straße?
Mross:
Wenn ich mich auf der Welt so umblicke, muss ich sagen, dass die Amerikaner noch am optimistischsten an die ganze Sache herangehen. In den asiatischen Ländern kann man dagegen eine leicht gedrückte Stimmung feststellen. Insbesondere Singapur, dass ja in den vergangenen Jahren mit hohen Wachstumsraten auftrumpfen konnte, hat unter dem konjunkturellen Abschwung mehr zu leiden als andere asiatische Länder. Besonders der Druck aus China ist ziemlich groß. Was aber interessant ist, in Singapur stecken sie nicht den Kopf in den Sand. Sie sagen vielmehr, dass sie sich neu erfinden müssen. Das finde ich schon eine gute Herangehensweise in dieser Konjunkturkrise, in der wir uns ja weltweit befinden. Dort verliert man nicht den Mut, sondern schaut optimistisch in die Zukunft und fragt, was muss getan werden, damit es besser wird. Da finde ich, geht Singapur am konstruktivsten an die Sache ran.

Instock:
Wie wollen die sich neu erfinden?
Mross:
Das ist noch nicht richtig raus. Sie machen einen Prozess durch, in dem sie erkennen, so kann es nicht weitergehen. Sie sagen, wir müssen jetzt einen anderen Weg einschlagen, wir müssen Wege finden, wie wir aus der Krise herauskommen. Dabei gehen die Menschen sehr phantasievoll an die Dinge und machen nicht irgendwo halt, wo wir in Europa sagen, dass können wir gar nicht anpacken. Beispielsweise existieren in dem Sinne keine Gewerkschaften in Singapur. Damit sind die größten Hemmnisse beim Finden neuer Wege aus der Krise beseitigt.

Instock:
Medien in Deutschland schwelgen teilweise in Krisenszenarien. Wie sehen die Medien die Entwicklung in Singapur?
Mross:
Man versucht von Seiten der Medien eine Analyse durchzurühren, wo die Ursachen des Rückgangs liegen und was getan werden muss, um diese zu bekämpfen, zu beseitigen, um Lösungen zu finden. Es ist keineswegs so, dass die Krise herbeigeschrieben wird. Man kommt in einer nüchternen Analyse dazu, dass es ein Problem gibt und sucht dann nach Lösungen zu dessen Bewältigung.

Instock:
Sie sprachen die positivere Stimmung in den USA an. Ist das wirklich noch eine positive Stimmung oder nur positiver im Vergleich beispielsweise mit Deutschland? Mross:
Ich denke, die Amerikaner sind von Grund auf optimistischer gestimmt. Bei meinen Gesprächen mit Menschen, die Unternehmen führen oder in der Wirtschaft zu tun haben, hörte ich keineswegs raus, dass man sich in einer Krise befindet oder das mit einem weiteren Rückgang zu rechnen ist. Man sagt, es gibt Schwierigkeiten, doch die sind nicht so groß und wir werden die ganze Sache schon überstehen. Insbesondere bei den kleineren Geschäftsleuten stelle ich fest, dass man durchaus im Gegensatz zu Europa sagt, es ist alles halb so schlimm und es wird schon wieder werden. Wobei die Amerikaner natürlich einen Vorteil haben. Die Immobilienpreise sind in der letzten Zeit ziemlich hoch geklettert, so dass viele, viele Leute nur mit Immobilien spekulieren. Die machen damit deutlich sichtbar auch viel Geld. Von daher ist der wirtschaftliche Druck nicht so groß ist. Die Leute fühlen sich nicht so arm wie beispielsweise in Europa, wo so mancher an der Börse viel Geld verloren hat. Das wird in Amerika offensichtlich durch gestiegene und hochspekulierte Immobilienpreise etwas ausgeglichen. Auf der anderen Seite haben wir hier auch die nächste Blase.

Instock:
Die sehen die Amerikaner nicht?
Mross:
Das sehen die schon, doch die Amerikaner sind da exzessiv. Genau wie sie an der Nasdaq Ende des Jahrtausends die Hightechwerte hochgespielt haben, werden in Amerika jetzt alle Menschen deutlich dazu aufgefordert, Immobilien zu kaufen. Es gibt Fernsehserien, es gibt Reklame auf niedrigstem Niveau, in denen Menschen, die arbeitslos sind oder die sonst nichts zu tun haben, in denen Hausfrauen gezeigt werden, die nebenher mit Immobilen spekulieren. Die sagen in den Spotts, dass ist eine tolle Sache, man braucht nicht einmal Geld einzusetzen. Die Banken unterstützen diesen Trend noch mit billigen Krediten. Die drücken vielleicht sogar bei der Bonität noch ein Auge zu. Die Sache spitzt sich schon ziemlich dramatisch zu. Wenn jeder in der Werbung aufgefordert wird, plötzlich Immobilienspekulant zu werden, dann sind wir dem Platzen der Blase schon recht nahe.

Instock:
Wie sieht Ihr Blick von außen auf Deutschland aus?
Mross:
Wenn man um die Welt fährt, ist man doch geneigt, Europa und speziell Deutschland als den Ort zu bezeichnen, wo es noch am interessantesten und am besten ist. Wir bewegen uns momentan nicht viel, sind aber doch hoffungsvoll, dass die Krise, in der wir uns befinden, letztendlich doch zu Lösungen führt. Die führen dann womöglich zu Strukturreformen, zu Deregulierungen und ähnlichem. Das könnte den Knoten hin zu einer besseren Zukunft platzen lassen.

Instock:
Ist das eher eine kurzfristige oder eine längerfristige Erwartung?
Mross:
Ich denke, es dauert noch eine Weile, bis Deutschland und Europa den Weg finden werden. Ich denke aber auch, dass wir von der Power her, vom hohen Ausbildungsniveau, von der geistigen Kraft, von der Kultur her eine sehr gute Startbasis haben. Insofern sollten wir die Krise als Anlass, als Chance sehen, Dinge in Bewegung zu bringen, die vielleicht zur Verbesserung in der Zukunft führen. Ich bin doch sehr optimistisch, dass das in einigen Jahren passieren wird. Auch wenn ich glaube, dass es uns dazu noch viel schlechter gehen muss.

Instock:
Sie rechnen demzufolge nicht damit, dass sich 2003 schon etwas in Deutschland bewegt?
Mross:
Nein, ich glaube 2003 wird es in Deutschland noch viel schlechter werden. Wir werden 2003 den Höhepunkt der Krise erleben. Wir werden mehr als 5 Millionen Arbeitslose bekommen und sehen, dass Politiker einen historischen Höhepunkt an Unfähigkeit erreicht haben.

Instock:
Haben Politiker in Deutschland überhaupt Möglichkeiten, gestaltend einzugreifen?
Mross:
Sie haben nicht nur die Möglichkeiten, - es ist ihre Pflicht! Nur – keiner packt’s an. Kein Politiker getraut sich das zu sagen, was wirklich notwendig ist. Die Hartz-Vorschläge sind ja ein Witz. Es müssen viel tiefgreifendere, grundlegendere Reformen durchgeführt werden, damit Deutschland in Zukunft wieder funktioniert. Doch das Einsehen in diese Notwendigkeit scheint nicht weit verbreitet. Wir leben leider im Dilemma der Demokratie: Politiker kaufen Wählerstimmen mit billigen Versprechen. Die Masse fällt immer wieder neu darauf rein. Vom Bergarbeiter bis zum subventionierten Tabakanbauer wollen alle nur Geld vom Staat. Und das wird von den Politikern fleißig versprochen. Im Prinzip leiden wir unter einer Art Politikkorruption: Politiker kaufen sich die Stimmen von potentiellen und aktuellen Subventionsempfängern – dazu zählen auch alle Formen von Sozialhilfen, Arbeitslosengeld und ähnliches. Auf der anderen Seite werden Leistungsträger durch Umverteilungsdebatten und Steuersysteme bestraft. Das kann nicht gut gehen. Die Zeche zahlen wir auf dramatische Weise in den nächsten Jahren. Das Geld geht aus – da müssen wir mal schauen, wie das weitergehen soll. Das ist ein Prozess, der sich in den nächsten Jahren noch weiter zuspitzen wird. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder es kommt zur Wirtschaftskatastrophe oder wir lernen aus unseren Fehlern. Da ich Optimist bin, gehe ich davon aus, das letztere Variante zum Tragen kommt. Die Krise ist eine Chance, aus der wir schlank und gestärkt hervorgehen können.

mit freundlichen Grüßen
Fred


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